Berlin, Bundesregierung, Familienpolitik 19.08.2014

Mehr Frauen sollen Zugang zu Kaffee-Flatrate bekommen

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Männer gründen gerne, Frauen anscheinend weniger. Das sagen zumindest die Zahlen. Zwei Drittel aller Gründer in Deutschland sind männlich. Aber das liegt wohl weniger an der Frau an sich, als an den politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen. Das soll sich auch aus Sicht der Politik bald ändern. Bundesfamilienministerium Manuela Schwesig und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben deshalb eine Initiative vorgestellt, die es Frauen erleichtern soll, Gründerinnen zu werden. Dafür haben sich die Minister einen Ort ausgesucht, wo sie doch die ein oder andere Gründerin vermuteten. Am Ende trafen sie nur auf eine und das Konzept der SPD-Minister bekam bei den jungen Gründern und Gründerinnen eher das Prädikat: Schön und gut, aber da geht noch mehr.

 

Susann Hoffmann zählt zu einer Minderheit. Denn sie ist Frau und die ist Gründerin  – Edition F heißt heißt das Baby der 32-jährigen und ihrer Geschäftspartnerin Nora-Vanessa Wohlert.

Die Gründerinnen von Edition F, Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann (c) Carolin Weinkopf

Die Gründerinnen von Edition F, Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann (c) Carolin Weinkopf

Es soll „das erste digitale Zuhause für Businessfrauen“ sein. „Es geht also darum, eine Anlaufstelle im Netz zu schaffen, wo Businessfrauen alles finden, um beruflich erfolgreich zu sein und um sich beruflich zu verwirklichen.“ So beschreibt Hoffmann ihr Projekt. Nur ein Drittel von denen, die in Deutschland ein Unternehmen gründen ist weiblich. Das hat vor allem einen Grund, glaubt die Edition F-Gründerin: 

Ich glaube Frauen trauen sich nicht so oft. Das ist wahrscheinlich die größte Hürde und die liegt  letzen Endes in jeder Frau selbst.

Dabei gibt es offenbar aber keinen Grund, auch als Frau den Mut nicht aufzubringen und sich selbstständig zu machen. Hoffmann erzählt von der gut vernetzten Startup-Szene in Berlin und der Unterstützung, die sie bekommen haben; vor allem von Frauen. Der Zusammenhalt sei hier besonders groß. Aber auch männliche Gründer und Investoren hätten auf ihrem Weg geholfen.

Ich glaube, wir müssen eher dahin kommen, dass wir sagen, Unternehmertum wird schon ganz früh gefördert, so dass die Hemmschwelle für Frauen sinkt, selbst ein Unternehmen zu gründen, selbstständig zu sein, auch bereit sind, dieses Risiko zu tragen.

 

Sagt Hoffmann. Dass es da ein Defizit gibt, sieht auch die Politik. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, beide SPD, wollen deshalb mehr für Gründerinnen in Deutschland tun. Im Betahaus in Berlin-Kreuzberg, wo die beiden ihr Konzept vorstellen, hat auch Susann Hoffmann ihr Büro für Edition F. Geplant ist, dass die beiden Minister sich auch das Büro der Gründerinnen anschauen. Als Schwesig und Gabriel das Betahaus sind sie von Anfang an irgendwie Fremdkörper, wirken deplatziert. Es ist nicht vorstellbar, dass sie selbst einen Arbeitsplatz bevorzugen könnten, an dem kein Stuhl dem anderen gleicht und der Boden keine Belag hat. Hier sind nicht Anzug und Blazer an der Tagesordnung, sondern Turnschuhe und Nerdbrille. Jeder Raum sieht anders aus, das Treppenhaus ist giftgrün gestrichen. Einen festen Tisch hier 24 Stunden am Tag zu reserviert , kostet 100 Euro im Monat. An fünf Tagen im Monat einen Schreibtisch zu bekommen, der gerade frei ist kostet 59 Euro. Und wer sich unter die Kaffeemaschine legen möchte, zahlt 25 Euro im Monat. Soviel kostet die Kaffeeflatrate für den, wie es auf de Seite des Betahauses heißt  „super duper Coffee Circle Espresso and Café“. Diejenigen, die an diesem Tag dort arbeiten schauen kurz auf, als der Besuch aus der Bundespolitik eintritt. Dann verschwinden die Köpfe ganz schnell wieder hinter den Bildschirmen der Macbooks. Mit einer Horde Journalisten, Sicherheitspersonal und Kameraleuten schieben sich die Schwesig und Gabriel durch das Gebäude. Am Ende sind es nur zwei Unternehmen, die sich die SPD-Politiker anschauen. Ausgerechnet für das Startup, das nur von Frauen gegründet wurde – Edition F – bleibt keine Zeit mehr. Deshalb sind die Gesprächspartner der beiden durch Zufall durchaus repräsentativ: Zwei Männer, eine Frau. Zwei Drittel – ein Drittel. Schwesig fragt nur wenig; Gabriel dafür viel – und jeden nach der Finanzierung. Durch die Initiative des Familien- und der Wirtschaftsministeriums, die bis 2016 in die Tat umgesetzt werden soll, soll Frauen unter anderem beim Wiedereinstieg nach einer Auszeit geholfen werden – auch in die Selbstständigkeit:

 

Hierzu werden wir eine Sommerakademie gründen, wo Frauen die Möglichkeit haben ihre Konzepte, ihre Ideen weiterzuentwickeln und sich auch begleiten zu lassen bei der Idee der Selbstständigkeit.

 

Sagt Familienministerin  Schwesig. Zudem sollen ebenfalls ab 2015 speziell Frauen mit Migrationshintergrund bei der Existenzgründung unterstützt werden. Zum Beispiel durch Mentorinnen. Gabriel fügt an, dass es ein Vorbilder-Programm geben soll, bei dem Frauen, die bereits erfolgreich ein Unternehmen gegründet haben, in Schulen und Jugendeinrichtungen gehen sollen:

 

 Bereits bei der Ausschreibung haben sich allein 360 Frauen bei uns beworben, die solche Unternehmensgründer-Karrieren hinter sich haben. Und nichts ist besser als positive Rollenbeispiele vorzustellen.

 

Der Wirtschaftsminister verwies auf eine sich gerade verändernde Kultur im Bereich der Unternehmensgründungen. Es gibt offenbar auch noch deutlich unterschiedliche Auffassungen davon, wie ein Unternehmen sein müsste. Als Bespiel nennt der Minister die Partei, deren Vorsitzender er ist:

 

 

Sich selbstständig machen sei in Deutschland noch nicht so selbstverständlich, wie zum Beispiel in den USA. Auch große Unternehmen müssten mehr in Start ups investieren, damit diese nicht scheitern, sobald sie eine gewisse Größe erreicht haben „und zwar ohne sie gleich übernehmen zu wollen“, sagt Gabriel.

 

Die Initiative ist schon mal ein Anfang, findet Günderin Hoffmann. Allerdings stört sie sich dann doch an der so starken Fokussierung auf Frauen:

Ich glaube, dass der Austausch zwischen Männern und Frauen total wichtig ist. Ich glaube auch, dass eine Sommerakademie für Frauen total spannend sein kann. Ich glaube aber auch, dass da Männer mit eingeladen werden sollten.

Wohl ein weiterer Hinweis, den die beiden Minister aus dem Betahaus mitnehmen können. Die Gründer und Gründerinnen sagten ihnen dort deutlich, was in Deutschland verbessert werden kann – Frauen und Männer betreffend. Denn das es da kaum einen Unterschied bei den Problemen gibt, auf die Gründerinnen und Gründer stoßen, zeigt der Rundgang. Junge Väter beschweren sich, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht einfach ist.  Der Weg zu einer finanzielle Förderung durch den Bund empfinden viele als zu bürokratisch, zu unflexibel. Ein Unternehmen hat einen ganze Liste an Dingen aufgeschrieben, die beim Stipendium des Bundes für junge Gründer aus der Wissenschaft mit dem Namen EXIST verbessert werden könnten. Das betrifft vor allem den Wirtschaftsminister. Die Liste hat er mitgenommen. So ein Besuch ist für ihn offenbar auch ein Stück Realitätscheck. Vielleicht arbeitet er daran ja demnächst an seinem eigenen Arbeitsplatz im Betahaus. „Ich komm bestimmt irgendwann mal einen Kaffeetrinken, bring meinen Laptop mit und guck mal ob sie mich dann rausschmeißen oder zur Kasse beten“, sagt er noch im Gehen.

 

Hier das ganze Interview mit Edition F-Gründerin Susann Hoffmann zum Nachhören: