Berlin, Brüssel, Bundesregierung, EU-Kommission, Verbraucherpolitik, Wirtschaftspolitik
Cecilia Malmström © European Union, 2014
27.09.2014

Demokratie braucht Transparenz

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Cecilia Malmström, die designierte EU-Handelskommissarin, will in den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen mit den USA das umstrittene Investitionsschutzverfahren ISDS ablehnen. Damit geht sie auf einen der Hauptkritikpunkte von NGOs und Zivilgesellschaft ein. Mehr demokratische Mitsprache bedeutet das aber nicht. Thomas Otto kommentiert.

Besonders an den privaten Schiedsgerichten, die Streitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen klären sollen, hatte sich viel Kritik entzündet. Unternehmen könnten damit reguläre Gerichte umgehen und Druck auf Staaten ausüben, Umwelt- und Verbraucherstandards nicht weiter zu verschärfen – so die Befürchtungen. Dass diese ISDS aber Teil von TTIP sein sollen, steht schon im Verhandlungsmandat festgeschrieben, dem alle EU-Staaten zugestimmt haben – auch Deutschland. Die Öffentlichkeit konnte damals davon aber keine Notiz nehmen – das Mandat war (bis es geleaked wurde) geheim.

Chance bei CETA verpasst

Dass mehr Transparenz schon im Verlauf der Verhandlungen unbedingt notwendig ist, zeigt sich am gerade vorgestellten Freihandelsabkommen CETA mit Kanada. Fünf Jahre lang wurde an dem Vertrag gearbeitet. Erst jetzt, als die öffentliche Kritik an ISDS laut genug geworden ist, legt sich auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fest und sagt, Deutschland werde einem Abkommen mit ISDS nicht zustimmen. Das habe, so Gabriel, die Bundesrepublik der EU-Kommission am 12. September klar gemacht. Das ist nicht nur viel zu spät, sondern auch opportunistisch. Denn vorher hatte sich kaum jemand für CETA interessiert. Erst im Kontext der Verhandlungen mit den USA wurde die Öffentlichkeit aufmerksam.

Zu Beginn von Gabriels Amtszeit wäre Gelegenheit für eine Initiative gegen ISDS gewesen, da waren die Verhandlungen noch in vollem Gange. Damals hätten die Verhandlungsteams an den Stellschrauben des fein justierten Gleichgewichts von Geben und Nehmen drehen können. Nun ist es dafür zu spät. Wer weiß, welche Kompromisse mit ISDS verbunden sind, welche Zugeständnisse dafür welche Seite gemacht hat. Das Investitionsschutzverfahren lässt sich nicht mehr einfach aus CETA herausnehmen, ohne das gesamte Verhandlungsergebnis infrage zu stellen.

Ergebnisse offenlegen

Deshalb muss auch jeder Schritt bei den Gesprächen zu TTIP transparent sein. Zwar hat die Kommission nach öffentlichem Druck mehr Informationen bereitgestellt, das reicht aber nicht. Selbstverständlich können Kommission und US-Bevollmächtigte nicht ihre komplette Strategie offenlegen. Das würde dem Sinn von Verhandlungen widersprechen. Aber sie müssen veröffentlichen, welche Punkte bereits mit welchem Ergebnis verhandelt wurden.

Nur so kann auch jeder Bürger Einblick nehmen und Kritik wie Zustimmung äußern. Nur so können die Verhandlungsteams auch auf mögliche Widerstände reagieren, die eine spätere Ratifizierung unmöglich machen würden. Nur so kann die Ungewissheit der Transparenz weichen und populistischen Stimmungsmachern – ob für oder gegen TTIP – die Grundlage genommen werden. Und nur so kann ein Abkommen erzielt werden, das auch die Zustimmung der Menschen beiderseits des Atlantiks hat.

Friss oder stirb

Ein im Geheimen fertig verhandeltes Paket den Parlamenten vorzulegen, nur mit der Option zuzustimmen oder abzulehnen, das widerspricht dem Grundgedanken der Demokratie. Denn die Parlamente werden kaum das aufwändig ausverhandelte Vertragswerk wegen einiger weniger Punkte kippen, sondern mögliche Kröten schlucken.

Cecilia Malmström will nun nach übereinstimmenden Medienberichten auf ISDS verzichten. Ob aus politischer Überzeugung oder als Reaktion auf die öffentliche Kritik ist nicht bekannt. Fest steht: Nur mit mehr Transparenz ist es möglich, dass eine kritische Öffentlichkeit gut informiert die Verhandlungen begleitet. Und nur so kann ein wirklich demokratisch legitimiertes Freihandelsabkommen zustande kommen.


Update: Malmström hat mittlerweile ihre Ablehnung von ISDS dementiert.