Berlin, Bundesregierung, Verteidigungspolitik
Der Medienandrang war groß, als der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière sich vor dem EuroHawk-Untersuchungsausschuss rechtfertigen musste. (c) Falk Steiner/Deutschlandradio Hauptstadtstudio
Der Medienandrang war groß, als der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière sich vor dem EuroHawk-Untersuchungsausschuss rechtfertigen musste. (c) Falk Steiner/Deutschlandradio Hauptstadtstudio
05.10.2014

EuroHawk: Rückkehr des Überwachungsdrohnen-Flops?

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Der EuroHawk soll nun doch weiter fliegen. Um genau zu sein: der Prototyp. Um dann die Technik in eine neuere Baureihe des Trägersystems GlobalHawk einzubauen. Ergibt das Sinn?

Ich kann mich noch gut an den vergangenen Sommer erinnern. Da hatte ich zwei Wochen lang das zweifelhafte Vergnügen, mich mit dem Untersuchungsausschuss zum EuroHawk zu beschäftigen. Es ging um die Fragen: Was ist hier schiefgelaufen? Wer trägt welche Verantwortung? Und wer wusste wann, dass das Projekt Probleme hat – und welche sind das nun genau?

Das Projekt der Spähdrohne EuroHawk besteht im Kern aus zwei Teilen: einem Trägersystem, für den Prototypen ein sogenannter GlobalHawk Block 20 (RQ-4) des US-Herstellers Northrop-Grumman und einem Innenleben und den Bodenstationen namens ISIS (Integrated Signals Intelligence System), das EADS (heute offiziell Airbus) entwickelt. Die Drohne ist eine sogenannte HALE-Drohne: HA steht für hochfliegend (18 km), LE für langfliegend (große Distanzen, 14.000 km). Deutschland-Afghanistan-Deutschland? Kein Problem – und alles jenseits fast aller Luftabwehrsysteme.

Erst das ISIS-Modul macht diese Drohne dann zum EuroHawk: während die GlobalHawk-Drohnen in erster Linie mit hochauflösenden Kameras Bildaufklärung durchführen sollen, sollte der EuroHawk eine Signalerfassungsdrohne sein. Funkverkehre, Mobilfunkkommunikation, Datenverkehr – alles was durch den Äther schwirrt, soll der EuroHawk mitschneiden können. EuroHawk soll eine sogenannte SigInt/ComInt-Drohne sein. Die Daten werden mit der Bordtechnik vorausgewertet und dann an Bodenstationen übermittelt. Doch daraus wurde bislang nichts.

Der heutige Wieder-Innenminister Thomas de Maizière hatte das Projekt Anfang Mai 2013 stoppen lassen. Ein Projekt, das ein Jahrzehnt Vorlauf hatte und alte Marine-Überwachungsflugzeuge ersetzen sollte, die inzwischen ausgemustert sind. Der EuroHawk hatte Verzögerungen, die Kosten waren gestiegen – und die offizielle Begründung für den Stopp war vor allem eine: es fehle ihm an der Zulassung zur Teilnahme am Luftverkehr. Denn wenn der EuroHawk vom Boden aufsteigt, muss er durch den zivilen Luftraum. Wie alle GlobalHawk-Drohnen hat er aber kein Kollisionswarnsystem für den zivilen Luftverkehr, was heißt, dass der Luftraum für ihn gesperrt werden muss. Für die USA nicht sonderlich problematisch, dort gibt es genügend Luftraum, den man zeitweise sperren kann. Über Deutschland gibt es solche Zonen nicht. Erst wenn er den zivilen Luftraum verlassen hat, also deutlich über 10km Höhe, ist die Zulassung egal – bis der Vogel wieder runter muss.

Doch das ist bei weitem nicht das einzige Problem. Als der EuroHawk-Prototyp nach einigen Schwierigkeiten endlich nach Deutschland überstellt wurde, war der Vogel eigentlich schon museumsreif. GlobalHawk-Block 20 galt als relativ unzuverlässig, die USA setzten alles auf Block 30, Block 40. Ersatzteile würden absehbar sehr teuer werden, so die Feststellung des Ausschusses, die Carbonfaserteile müssten quasi als Einzelanfertigungen für die Deutschen gebacken werden.

Das größte Problem aber: die US-Drohne wird vom Boden aus gesteuert, wenn sie ihre Missionen fliegt. Das Steuerungsmodul aber, das hat die Bundeswehr nie bekommen – und es sieht nicht so aus, dass sich das jemals ändern würde. Faktisch muss die US-Air Force die deutsche Drohne programmieren und hat die Kontrolle über die Missionssteuerung.

Das sogenannte ISIS-Modul (Verteidigungsministerin von der Leyen vermied heute, es so zu nennen), also der deutsche Teil am EuroHawk, bestehend aus Signalerfassung-, -auswertung und -übermittlung, war beim Abbruch noch nicht zu Ende entwickelt. Weshalb es bis zum vergangenen Herbst noch Testflüge des „Full Scale Demonstrators“, des EuroHawk-Prototyps geben sollte, um ISIS weitgehend fertig zu erproben.

Das Problem hier: die Technologie wiegt mehrere Tonnen und ist auf das Fluggerät angepasst. Airbus/EADS hatte im Zuge des EuroHawk-Ausschusses angeboten eine neue Drohne zu entwickeln – „FEMALE“ (siehe oben: GlobalHawk Block 20 war eine HALE-Drohne), eine „zukünftige europäische Mittlere-Höhen-Langdistanz“-Drohne. Dafür hätte ISIS angepasst und umgebaut werden müssen. ISIS wäre dafür aber vermutlich zu schwer (fliegender Teil: 1,3 Tonnen), man müsste abspecken – also das gesamte System abändern. Auch ein Einbau in andere Drohnen oder in Flugzeuge wurden geprüft. Auch hier wären umfangreiche Änderungen notwendig, andere Nachteile offensichtlich.

Von der Leyens Pläne

ISIS ist also derzeit ein Haufen Schrott, 350 Millionen Euro zusätzlich zu dem Flugschrott Namens EuroHawk-Full Scale Demonstrator, der weit über 500 Millionen Euro gekostet hat. Nun soll es also eine neue Drohne richten: die Triton MQ-4C, ebenfalls von Northrop Grumman, eine Weiterentwicklung der GlobalHawk-Reihe. Sie hat weitgehend vergleichbare Eigenschaften und kann ähnlich viel Nutzlast tragen, soll bei der NATO zum Einsatz kommen. Die will von der Leyen nun einsetzen.

Aber: die Bundeswehr wird diesen Vogel niemals fliegen können – wenn die USA nicht die Lieferung der Missionssteuerung zusagen. Sie wird ihn nur fliegen lassen können, und auch dafür muss sie den Luftraum über Deutschland sperren – oder eben von woanders losfliegen. Denn auch der Triton MQ-4C hat kein TCAS/ACAS-Kollisionswarnsystem. Ob das für die Bundesverteidigungsministerin wirklich eine Option ist? Oder nicht doch eher die Wette darauf, dass, wenn das System jemals zum Einsatz kommt, sie selbst eh einem anderen Job nachgeht?