Medien
(c) Katharina Hamberger
24.10.2014

Klassenfahrt durch Niederbayern

Von

Nochmal durchzählen. „Sind alle da?“ Zur Sicherheit liest Sebastian Hille, Sprecher des CSU-Landesgruppe nochmal alle Namen vor. Es haben tatsächlich alle wieder in den Bus gefunden.  Eine Journalistenreise ähnelt eben oft einem Schulausflug. So auch die, zu der Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt einluden. Katharina Hamberger war auf der Fahrt zwischen Feldfrüchten, Fleisch, Fertigbau und Fortbewegungsmitteln.

Niederbayern also. Der bayrische Regierungsbezirk im Südosten der Republik, bekannt für Landshut, Passau, den bayerischen Wald und eher wortkarge aber gemütliche Einwohner. Das Ziel ist ganz konkret der Wahlkreis des Parlamentarischen Geschäftsführers der CSU, Max Straubinger und damit die Landkreise Dingolfing-Landau und Rottal-Inn. Er hat dieses Amt erst seit der Bundestagswahl. Der Wahlkreis von Landesgruppenchefin Gerda Haselfeldt, der Westen von München, wurde im vergangenen Jahr erkundet. Und um es vorwegzunehmen: Diese Geschichte wird vor Klischees nur so strotzen. Bayern kann nun mal nicht anders. Es geht schon los mit dem Busfahrer und dem Reiseproviant. Der Fahrer unseres Busses erzählt in seinem Dialekt von einem schweren Sturm, der die Nacht zuvor gewütet haben soll. Bei den Kollegen kommen nur Laute an. Als gebürtige Bayerin übersetze ich: Schwerer Sturm, schwere Schäden. Der Rest erschließt sich aus der Emotionalität seiner Erzählung. Versorgt werden wir zu Beginn der Reise mit Leberkässemmeln und Butterbrezn. Begeisterung bei den Journalisten.

 

Energiewende auf Bayerisch

Max Straubinger nennt es eine „Informationsfahrt“. Er schnappt sich das Busmikrofon, spielt Reiseführer. Schon auf der Fahrt vom Flughafen lernen wir: In Niederbayern werden vor allem Feldfrüchte angebaut – Straubinger kennt gefühlt jeden Halm auf jedem Feld in seinem Wahlkreis. Wir lernen außerdem: Windräder gibt es hier kaum. Dafür ein Atomkraftwerk. Isar II heißt der graue Prachtbau, der wie bestellt und nicht abgeholt in der Landschaft herumsteht. Wegschauen geht nicht. Es ist das Kernkraftwerk, das im Zuge der Energiewende als letztes vom Netz gehen soll. 2022 sollen auch hier die Tore geschlossen werden, sagt Straubinger und es schwingt ein bisschen Wehmut mit in seinen Worten. Was er nicht sagt, aber was trotzdem auffällt: Wie fast in ganz Bayern gibts hier Photovoltaikaanlagen satt. Ganze Hallen- und Hausdächer erstrahlen blau. Manchmal erklärt sich durch eine einfache Busfahrt bayerisches Regierungshandeln.

 

Wenn die SPD regiert…

Wir lernen auch etwas über Selbstbewusstsein: an dem mangelt es dem Niederbayern an sich nicht. Ohne ihn gäbe es nämlich die Landeshauptstadt erst gar nicht, glaubt er. Das bezieht sich vor allem auf die vielen Schreiner, Zimmerer und Spengler, die in München ihre Aufträge haben. Aber Straubinger erzählt auch die Geschichte vom Trapp Heinrich. Der Trapp Heinrich ist Sozialdemokrat. Die sind in Bayern sowieso selten – und fallen umso mehr auf, wenn sie ständig wiedergewählt werden.  Seit 1991 ist der Trapp Heinrich nämlich nun schon Landrat von Dingolfing-Landau. Straubinger ist der Überzeugung, der wird vor allem aus einem Grund gewählt: Der Trapp Heinrich habe sieben (!) mal den großen Preis gewonnen. Auf jedem Wahlplakat sei ein Foto aus der ZDF-Sendung, die 1992 das letzte Mal ausgestrahlt wurde, drauf. Eine fast schon unerhörte Beliebtheitsoffensive aus Sicht der CSU und ein schwerer Schlag für das Selbstbewusstsein  – wenn es nach Straubinger geht, muss dieser Zustand dringend beendet werden.

 

Viel Maschine, wenig Mensch

Weiter gehts zum größten Wahlkampfstand der CSU in der Region: Das BMW-Werk Dingolfing. Nebenbei ist es auch noch das weltweit größte Werk des Autobauers. Aber zu Wahlkampfzeiten steht es sich zu Werbezwecken gut an den Eingängen. Trotz Trapp Heinrich und Gewerkschaftseinfluss – hier seien die meisten schon CSU nah. Das darf in Straubingers Ausführungen zum Werk nicht fehlen. Dem folgt ein Vortrag des Werkleiters – er erklärt, was das Werk so alles kann. 340.00 Autos sind hier im vergangenen Jahr produziert worden. Der Großteil wird exportiert, dabei ist China ein wichtiger Markt. Die Journalisten wollen wissen, wie das mit den Fachkräften so ist (kein Problem), ob ein Autobauer eine Meinung zur PKW-Maut hat (wenn niemand zusätzlich belastet wird, ist das schon ok) und ob es Wünsche an die Politik gibt (man habe gelernt, mit Rahmenbedingungen zu leben). In neongelben Westen und mit Schutzbrillen geht es durchs Werk. Dort herrscht Fotografierverbot. In den Hallen ist es furchtbar laut, aber auch furchtbar sauber. Die Luft ist trocken, unter Neonlicht schwingen große Roboter ihre Arme. Viel Maschine, wenig Mensch. Von soviel Automatik ist sogar Gerda Hasselfeldt, kein Technik – und schon gar kein Auto-Fan, fasziniert. Auch alle anderen wissen gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollen. Der größte Arbeitgeber in der Region ist der Autohersteller trotzdem noch. 17.500 Menschen arbeiten hier. Fast so viele, wie Dingolfing Einwohner hat. Dort leben 18.000 Menschen.

 

Von Knödeln zu Bademänteln

Von dort fahren Journalisten und CSU-Politiker in beschaulichere Gefilde: Bad Birnbach. Da schlägt das Klischee wieder zu: Der Gasthof, der für die Nacht gewählt wurde, ist ein alter Vierseit-Hof, wie er in Altbayern üblich ist. Der Gasthof, in dem zu Abend gegessen wird, hat mal wieder den Preis für die beste Weißwurst bekommen. Die Wirtin trägt, wie das Personal Dirndl. An den Wänden Bilder von bayerischen Promis und Politikern – wobei die Grenze da fließend ist: Wolfgang Viereck, Monika Hohlmeier, Johannes Rau, Sonja Kraus, Edmund Stoiber. Alle waren sie schon hier. Die Stube in der gegessen wird, ist komplett mit Holz vertäfelt. Hier findet einer der interessantesten Teile des Ausfluges statt: Die Gespräche – es geht um Politik in Berlin, in München, um die CSU, um die Koalition. Genaueres darf nicht berichtet werden. Die Unterhaltung gilt als vertraulich. Das Essen offenbart wieder den kulturellen Graben zwischen Berlin und Bayern: Die Vorspeise nennt sich „Magndratzerl“ – also ein Appetit-Anreger und die Bedienung fragt ständig, ob noch was abgeht. Wie nun? Nein, Party wolle man keine mehr machen. Dabei will sie nur wissen, ob noch Getränke fehlen. Und dann das Essen selbst: Das Wirtshaus nennt es Reindl-Essen.  Andere würden sagen: Völlerei. Fleischfans bezeichnen es als Himmel. Zum Hauptgang werden drei riesige Wannen mit Fleisch serviert. Ente, Rind, Schwein. Dazu Blaukraut, Knödel, Krautsalat. Schnaps im Anschluss – schließlich braucht es noch Platz für den Kaiserschmarrn. Mehr Bayern geht nicht. Da wird klar, warum eine Partei, die für ihre Merchandising-Artikel  kein eigenes Parteilogo nimmt, sondern meist einfach die bayerischen weiß-blauen Rauten kapert, durch einen Bayern-zentrierten Kurs Wählerstimmen sammelt. Die CSU hat es geschafft, für viele untrennbar mit dem Bundesland verbunden zu sein. Egal was sie tut, wenn sie erklärt, wie es am Ende Bayern nützt, wird es als gut empfunden.

Auch am nächsten Tag wird der Ort nicht hässlicher – jünger wird er auch nicht. Zum Frühstück empfängt einen eine Duftmischung aus pudrigem Damenparfum und 4711. Wer unter 50 ist, wir angestarrt. Es ist nun mal ein Kurort. Die Therme ist auch das nächste Ausflugsziel. Die Gruppe steht im warmen Bad – angezogen, mit blauen Schuhüberziehern. Im Thermalbecken ziehen Rentner in Badehose ruhig ihre Runden. Hasselfeldt erzählt von einem Auftritt 1991, als damalige Gesundheitsministerin bei einer Live-Sendung im bayerischen Fernsehen. Sie im Bademantel – die Zuschauer stellten ihre Fragen vom Beckenrand aus. Heute kaum noch vorstellbar.

 

Alles eine Frage der Tradition -zumindest zum Teil

Nach einem kurzen Abstecher zum gemeindeeigenen Golfplatz (6,5 Millionen Euro, der einzige seiner Art in Deutschland), fährt der Bus noch nach Falkenberg. Dass hier noch Niederbayern ist, wird den Kollegen ganz schnell klar. Der Chef der Fertigbau-Firma Haas, Xaver senior stellt sein Unternehmen vor.  Hochdeutsch? Braucht er nicht. Das verursacht so manches Fragezeichen. Maximal zehn Prozent habe sie verstanden, sagt eine. Fast noch interessanter ist ohnehin das Schauspiel zwischen Vater und Sohn. Denn der Junior darf anschließend sprechen. Die Journalisten verstehen ihn, aber der Senior ist nicht immer zurfrieden. Er müsse da nochmal was ergänzen, sagt er mehrfach sinngemäß und hält kurze, bayerische Zwischenvorträge. So einen Betrieb zu übergeben sei schon schwer, sagt der Vater später. Für wen? Für alle. Es geht in dem Fall sowohl um ein Lebenswerk, als auch um viel Geld. Haas hat als Zimmerei angefangen und beschäftigt mittlerweile 3000 Mitarbeiter in Deutschland, Österreiche, der Schweiz und Frankreich. Die Führung durch die Werkshallen darf der Sohn wieder selbst machen. Wie bei BMW gibts auch hier neongelbe Westen. Aber die Hallen sehen noch aus wie Werksstätten. Sägespäne auf dem Boden, es riecht nach Holz und Leim.

 

Das letzte Essen: Schon wieder Fleisch. Wie soll es anders sein. Schweinefilet mit Spätzle und Soße.  Am Tisch fragt Haas-Junior, warum wir diese Reise eigentlich machen. Das sei Tradition, ist die Antwort. Das stimmt zum Teil sicher. Der andere Teil ist: Wer weiß, wo jemand herkommt, kann erahnen, warum er manches tut und manches lässt. Und beim Agieren der CSU ist es wohl umso unerlässlicher zu wissen, was die Spitze der Landesgruppe antreibt.