Brüssel, EU-Kommission, Medien
Wird Margrethe Vestager sich ihren Chef Jean-Claude Juncker vorknöpfen? Foto © European Union, 2014
06.11.2014

Richtig dumm gelaufen: „Lux Leaks“ verdirbt der Juncker-Kommission den Start

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Dümmer hätte es für die neue EU-Kommission, allen voran für Jean-Claude Juncker, kaum laufen können. Unsere Brüssel-Korrespondentin Annette Riedel kommentiert die Lux Leaks, die den neuen Kommissionspräsidenten in Bedrängnis bringen.

Eben sind wir noch angetan von der demonstrativen neuen Gesprächigkeit der Kommission gegenüber der Öffentlichkeit, da demonstrierte Junckers Chef-Sprecher Margaritis Schinas beim heutigen mittäglichen Briefing eine – nur allzu vertraute – Schmallippigkeit und Zugeknöpftheit gegenüber Journalisten-Fragen. Er führte fast eine Stunde lang mehr oder weniger einen Abwehrkampf. Schuld ist „Lux Leaks“ – tausende jetzt an die Öffentlichkeit gelangte Dokumente, die minutiös belegen, wie Luxemburg hunderten europäischen Unternehmen zu Steuersätzen von manchmal nicht mehr als 1% verholfen hat – mit äußerst kreativer Auslegung geltender Steuergesetze. Etabliert in den mehr als zwei Jahrzehnten, in denen ein gewisser Jean-Claude Juncker erst Luxemburgs Finanzminister und dann Luxemburgs Regierungschef war. Das bringt ihn – und damit seinen Sprecher – in eine ungemein ungemütliche Lage: Sie sind Präsident bzw. Sprecher einer Kommission, die in dieser Sache zwar schon seit einiger Zeit ermittelt, nun aber ihre Ermittlungen unter dem Druck von „Lux Leaks“ noch einmal intensivieren wird müssen. Juncker selbst nimmt es ostentativ gelassen.

Margrethe Vestager © European Union, 2014

Margrethe Vestager © European Union, 2014

Verspricht, die Arbeit der zuständigen neuen Wettbewerbskommissarin, der Dänin Margrethe Vestager, weder zu beeinflussen, noch gar zu behindern. So unklug wird er natürlich nicht sein. Zudem ist Luxemburg nicht das einzige Land, dessen Steuer(vermeidungs)gesetzgebung sich Brüssel genauer ansieht. Gut denkbar, dass das alles vollkommen legal war. Andere vor ihm haben versucht und andere nach ihm werden versuchen, ihr Land zu einem attraktiven Finanz-Platz oder Niederlassungs-Magneten zu machen.

Dass etwas legal ist, heißt aber noch nicht, dass es anständig war. Anstand ist, zugegeben, nicht justitiabel. Aber wenn derselbe Jean-Claude-Juncker, der sich für seine EU-Präsidentschaft erklärtermaßen vorgenommen hat, sich schwerpunktmäßig für mehr soziale Gerechtigkeit und für härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung europaweit ins Zeug zu legen, sich im Zuge der Ermittlungen seiner Kommission möglicherweise wird Fragen stellen müssen, wie er es denn in den vergangenen Dekaden mit Steuergerechtigkeit und sozialer Balance im Herzogtum gehalten hat – dann hat er zumindest ein gelindes Glaubwürdigkeitsproblem. Und sein geplagter Sprecher ein Vermittlungsproblem. Da reicht es nicht, damit gelassen umzugehen. Mauern lockt „Mauer-Spechte“. Da hilft – wenn überhaupt – nur, die avisierte und gepriesene neue Gesprächigkeit in eigener Sache unter Beweis zu stellen. Schnell. Offensiv. Dinge auszusitzen, ins Leere gehen, sich tot laufen zu lassen – das wäre nicht gerade ein Neuanfang im Zeichen eines Mehr an Transparenz und Öffentlichkeit.

Kommentare zu diesem Beitrag (2)

  1. Fred Boykott | 9. November 2014, 9:35 Uhr

    Die Konsumenten sind das Volk!

    Legal? Egal! Die Konsumenten sind das Volk!

    Konsumenten haben die Macht! Drum boykotiert die Steuervermeider! Ohne Gewinne keine Steuervermeidung 😉

  2. Reiner Stock | 20. November 2014, 17:08 Uhr

    Steueroase Luxemburg

    Wozu die Aufregung über die Steueroase Luxemburg? Die schwarz-gelbe Regierungskoalition unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl haben (auch mit Wolfgang Schäuble) für die Quellensteuer gestimmt. In der Folge wurden über Medien und Nachrichten für die Steueroase Luxemburg geworben. Das lässt sich noch in den Archiven der Sender recherchieren. Desweiteren gibt es auch literarische Werke, wie Asoziale Marktwirtschaft von Hans Weis. Die unzähligen Möglichkeiten der Steuervermeidung für Konzerne und Vermögende, sowie die Steueroasen sind schon seid Jahren bekannt. Also warum JETZT die Aufregung?