Berlin, Brüssel, EU-Kommission, Verbraucherpolitik
Als geographische Ursprungsangabe in der EU geschützt: Parmaschinken/ Foto: Tor Wennström dpa
07.01.2015

Sag mal, wo kommst du denn her?

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Schwarzwälder Schinken, Lübecker Marzipan oder Dresdner Christstollen – solche regionalen Spezialitäten dürfen unter diesen Namen nur verkauft werden, wenn sie auch aus der entsprechenden Region kommen. Mit dem EU-US-Freihandelsabkommen TTIP könne sich das ändern, hatte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt dem Spiegel gesagt. Nicht jede Wurst und jeder Käse könne geschützt werden. Bald also echte Thüringer Rostbratwurst…aus den USA? Wie regionale Spezialitäten in Zukunft geschützt werden könnten, zeigt das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada. Denn das gilt als Blaupause für die Verhandlungen um TTIP.

Geschützte Geographische Angabe g.g.A. © European Union

Geschützte Geographische Angabe g.g.A. © European Union

Schwarzwälder Schinken darf nur im Schwarzwald hergestellt werden, oder besser gesagt: Das Fleisch dafür darf nur dort verarbeitet und dann geschnitten und verpackt werden. Seit 1997 ist der Begriff „Schwarzwälder Schinken“ EU-weit geschützt und als „geschützte geographische Angabe“ (g.g.A.) anerkannt und in der EU-Datenbank DOOR verzeichnet. Für diesen Schutz muss mindestens eine Produktionsstufe in dem definierten Gebiet erfolgen. Die verarbeiteten Produkte können auch aus anderen Regionen stammen.

 

 

 

 

Geschützte Ursprungsbezeichnung g.U. © European Union

Geschützte Ursprungsbezeichnung g.U. © European Union

Daneben gibt es die „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g.U.), die deutlich strenger definiert ist. Hier müssen alle Produktionsschritte in der definierten Region erfolgen. Darin ist auch die Erzeugung eingeschlossen. Beispielsweise stehen die Lüneburger Heidschnucke oder der Allgäuer Emmentaler unter diesem Schutz.

 

 

 

 

 

 

 

Garantiert traditionelle Spezialität g.t.S. © European Union

Garantiert traditionelle Spezialität g.t.S. © European Union

Außerdem gibt es die „garantiert traditionellen Spezialitäten“ (g.t.S.), deren Name nicht an ein Gebiet, sondern an ein spezifisches Herstellungsverfahren gebunden ist. In Deutschland wurde bisher noch keine g.t.S. geschützt.

Mit diesen Herkunftsbezeichnungen will die EU traditionelle und regionale Spezialitäten nicht nur schützen, sondern deren Herstellung auch fördern.

 

 

 

 

 

Ein Minister rudert – erst vor und dann zurück

 

Dass das aber nicht immer funktioniert, kritisierte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Spiegel:

 „Es wäre unseren amerikanischen Handelspartnern schwer vermittelbar, dass sie keinen Tiroler Speck oder Holländischen Gouda zu uns exportieren dürften, wenn wir in Europa selbst den Schutz nicht konsequent durchsetzen würden.“

Tiroler Speck und Holländischer Gouda sind zwar als g.g.A. geschützt. Fleisch und Milch dafür müssen aber keinesfalls aus Tirol oder Holland kommen. Schmidts Schlussfolgerung lautete also:

„Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen.“

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt  © Christian Schmidt

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt © Christian Schmidt

Den Aufschrei, der folgte, hatte wohl auch der Minister selbst unterschätzt. Denn am Montag ruderte er umgehend zurück und relativierte seine Aussage:

„Die Herausforderung besteht darin, dass die Europäische Union viele regionale Spezialitäten schützt – auch dann, wenn die Hauptzutaten längst nicht mehr nur in der Ursprungsregionen hergestellt werden. Deshalb ist die Bedeutung, die Europa dem Schutz regionaler Spezialitäten zuweist, in den USA nicht immer nachvollziehbar. Die Konsequenz darf aber keine Abschaffung sein, sondern mehr Transparenz und Klarheit.“

Bei den Verhandlungen soll also doch darum gerungen werden „jede Wurst und jeden Käse“ zu schützen. Aber: Es brauche auch eine Reform und Entbürokratisierung der bestehenden Herkunftsbezeichnungen.

 

 

 

Kanada schützt 10% der Bezeichnungen

 

Wie der Schutz von Herkunftsbezeichnungen in TTIP aussehen könnte, kann man heute schon am Freihandelsabkommen CETA mit Kanada sehen. Zwar wurde das Papier bisher noch nicht ratifiziert. Das ausverhandelte Abkommen kann aber bereits auf der Webseite der Kommission eingesehen werden (ab Seite 339). Darin wird der Schutz (der insgesamt 1.450 geschützten Herkunftsbezeichnungen) für 145 Begriffe (also exakt 10%) übernommen (Liste ab Seite 357).

Für Deutschland haben wir alle g.U. und g.g.A. auf einer Karte visualisiert und mit Zusatzinformationen, wie genaue Region und Art des Schutzes versehen. Rote Symbole stehen dabei für in Kanada nicht geschützte Namen. Grüne Symbole zeigen Bezeichnungen, deren Schutz Kanada anerkannt hat.

 

 

Insgesamt hat Kanada zwölf der 79 geschützten, deutschen Bezeichnungen anerkannt. Das heißt aber nicht, dass in Zukunft kanadische Produzenten falschen „Dresdner Christstollen“ – der nicht auf der Liste steht – in die EU exportieren dürfen. Der bisherige Schutz in der EU bleibt bestehen. Vielmehr geht es um den Schutz in Kanada.

 

Nürnberger Bratwürste aus Kanada

 

Bisher können in Kanada problemlos „Aachener Printen“ hergestellt und verkauft werden. Mit CETA soll sich das ändern. Für die meisten der 145 aufgelisteten Begriffe hat Kanada den EU-Schutz anerkannt. Aber es gibt einige Sonderregeln:

– Fünf Bezeichnungen (Canards à foie gras du Sud-Ouest (Périgord), Szegedi téliszalámi/Szegedi szalámi, Prosciutto di Parma, Prosciutto di S. Daniele, Prosciutto Toscano) werden in Kanada mit dort bestehenden Handelsmarken koexistieren. Hier geht es um gegenseitige Anerkennung. Damit wird verhindert, dass kanadische Hersteller EU-Produzenten verklagen, die Bezeichnungen in Kanada nicht zu verwenden.

– Für acht Bezeichnungen soll es kanadischen Herstellern erlaubt bleiben, deren englische und französische Übersetzung zu verwenden. Davon sind in Deutschland „Black Forest Ham/Jambon Forêt noire“, „Bavarian Beer/Bière Bavaroise“ und „Munich Beer/Bière Munich“ betroffen.

 

Bald eine Nürnberger Bratwurst? Unter diesem Namen darf die Wurst auch in Kanada hergestellt werden © European Union PE-EP

Bald eine Nürnberger Bratwurst? Unter diesem Namen darf die Wurst auch in Kanada hergestellt werden © European Union PE-EP

– Drei Bezeichnungen (Nürnberger Bratwürste, Jambon de Bayonne und Beaufort) dürfen von kanadischen Herstellern ebenfalls genutzt werden, insofern diese auch bereits seit einer bestimmten Zeit in Kanada verwendet wurden. Es dürfen allerdings keine neuen kanadischen Produkte mit diesen Namen auf den Markt kommen.

– Fünf Käsesorten (Asiago,Gorgonzola, Feta, Fontina, and Munster) dürfen in Kanada auch weiterhin unter ihrem Namen vertrieben werden, wenn sie auch bisher schon unter diesem Namen gehandelt wurden. Alle neuen Produkte müssen Zusätze wie „nach Art“ oder „Imitat“ führen.

 

 

– Für alle 145 aufgelisteten Bezeichnungen gilt außerdem, dass keine kanadischen Produkte durch Flaggen oder andere Symbole den Anschein erwecken dürfen, dass es sich dabei um das europäische Original handeln könnte.

Unterm Strich heißt das also: In der EU bleibt alles beim Alten. Und in Kanada sind nun zumindest 10 Prozent der Produkte geschützt.

 

TTIP-Verhandlungen laufen noch

 

Wie der Schutz von Herkunftsbezeichnungen in TTIP aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass er sich an den in CETA verhandelten Ergebnissen orientieren wird. Möglicherweise werden auch US-Bezeichnungen hinzukommen, die in Zukunft in der EU geschützt werden müssen.

Im Rahmen der von der Kommission neu veröffentlichten Dokumente zu den Verhandlungen wird in einem kleinen Absatz auch das Thema Herkunftsbezeichnungen angesprochen. Darin heißt es:

Die USA schützen keine Herkunftsbezeichnungen der EU […] und erlauben es anderen Produkten, unsere Bezeichnungen zu verwenden und damit Konsumenten zu täuschen. Wir wollen substanzielle Verbesserungen des US-Systems, wie den Schutz einer vereinbarten Liste von Begriffen und das Vorgehen gegen den Missbrauch dieser.

Wie am Ende also Spezialitäten wie das Schwäbisch-Hällische Qualitätsschweinefleisch oder das Lausitzer Leinöl vor Nachahmern in den USA geschützt werden, kann bisher nur vermutet werden. Eine Generalkritik in Sachen Herkunftsbezeichnungen wie „TTIP wird Europäische Verbraucherschutzstandards aushebeln“ (Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter) oder „TTIP verringert Schutz regionaler Spezialitäten“ (die Welt) kann bestenfalls als Befürchtung angesehen werden – aber nicht als Gewissheit. Umso wichtiger ist es, Verbraucher heute besser über die Herkunft der Produkte (und deren Bestandteile) zu informieren und bestehende Regeln zu vereinheitlichen.

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. D. Moeller | 9. Januar 2015, 12:17 Uhr

    Guter Beitrag

    endlich ein gut recherchierter und nachvollziehbarer Beitrag zu der Problematik.