Berlin, Bundesregierung, Verbraucherpolitik
19.02.2015

„Je suis Schmidt“ – Ein Jahr als Landwirtschaftsminister

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Christian Schmidt hat  keine Berührungsängste. Krempelt die Hemdsärmel auf.  Und macht auch schon mal Hackfleisch.

Ein grauer Montag im Februar. In der Schulküche der Berliner SchuleEins in Pankow herrscht Gedränge. Denn an diesem Tag kocht hier ein waschechter Minister. Christian Schmidt (CSU), umringt von Schülern und Fotografen, hat die Hände in der Schüssel mit Hackfleisch und lässt sich von Fernsehkoch Tim Mälzer Anweisungen geben. Es gibt Hackbällchen mit Tomatensauce.

Natürlich habe er sich die Hände gewaschen, sagt der Minister. Das gehört sich so in der Küche. Und, er habe ja Vorbildfunktion.

Seit fast genau einem Jahr ist Christian Schmidt im Amt. Nachdem Hans-Peter Friedrich nach nur wenigen Monaten wegen der Edathy-Affäre als Minister zurücktreten musste, brauchte die CSU schnell einen Nachfolger. Voraussetzung: Wie Vorgänger Friedrich musste er aus Franken kommen. Bei ihren Amtsträgern legen die Christsozialen nämlich Wert darauf, alle Regionen im Freistaat zu bedienen. Sonst gibt es Ärger zuhause in Bayern, des Machtproporzes wegen.

Fündig würden sie im Entwicklungshilfeministerium. Dorthin war Schmidt kurz zuvor als parlamentarischer Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium gewechselt. Seitdem hat er eine App vorgestellt, für diejenigen, die wissen wollen, wie bienenfreundlich ihre Balkonpflanzen sind, hat die Tierwohlinitiative ins Leben gerufen, bei der es vor allem um Haltungsbedingungen für Nutztiere geht. Ländlicher Raum, gemeinsame europäische Agrarpolitik, Dünge- und Ökoverordnung, also die Kennzeichnung von Ökoprodukten. Einige der Themen, mit denen sich der Minister beschäftigen muss.

Beim Blick zurück auf das erste Jahr des Ministers zieht Peter Röhrig, der Geschäftsführer des Bundes der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) eine gemischte Bilanz.

„Uns als Biobereich beschäftigt besonders die Revision der Ökoverordnung, da erleben wir einen sehr engagierten Minister, der sich sehr für die Belange der ökologischen Lebensmittelwirtschaft einsetzt. Wenngleich wir uns an der ein oder anderen Stelle freuen würden, wenn es noch nuancierter käme.“

Dezente Kritik. Andere Gesprächspartner sind weniger zurückhaltend, wollen sich dann aber doch nicht im Deutschlandfunk hören, sprechen also „Off the Record“. Beratungsresistent sei er, zu kurz die Leine, die CSU-Parteichef Horst Seehofer seinen Ministern lasse, zu stark der Einfluss des Bauernverbandes, der sich ein „Weiter so“ in vielen Fragen wünsche und wenig von ökologischer Landwirtschaft halte.

Walter Heidl, der Chef des bayerischen Bauernverbandes, ist recht zufrieden mit seinem Bundeslandwirtschaftsminister. Kommen manche poltischen Projekte nicht so voran wie geplant oder von den Landwirten gewünscht, liegt das nicht nur am Minister, sagt er.  Bei der Anlagenverordnung, bei der Düngeverordnung und beim Arzneimittelgesetz braucht es eine Ressortabstimmung mit dem Bundesumweltministerium in Berlin. Das ist zwar SPD-geführt, aber grün dominiert, findet der Bauernfunktionär.  Im Bundesrat, machen die Grünen Meinung, wenn es um Agrarpolitik geht. Minister Schmidt  stehe

“ ständig mit dem Rücken an der Wand.“

 Schmidt, der getriebene Minister? Von den Bauern? Von den Grünen? Von der eigenen Partei?

Jedenfalls muss er damit leben, dass er zu den Ministern gehört, die kaum auffallen. Vor allem, weil ihm mit großen Teilen des Verbraucherschutzes, für die jetzt Justizminister  Heiko Maas von der SPD zuständig ist, auch ein Thema abhanden gekommen ist, mit dem sich seine Vorgänger noch deutlich stärker in der Öffentlichkeit darstellen konnten. Erst bei einem neuerlichen Lebensmittelskandal könnte der Ernährungsminister zeigen, dass er mehr kann als die Interessen der Landwirte zu verteidigen. Die aber vertritt Christian Schmidt mit Biss – sogar auf der Weltbühne:

Was der Minister bei einer Pressekonferenz reimte, als der russische Präsident den Import von ausländischen Produkten stoppte, hören Sie hier.

 

Plötzlich stand der Franke im Rampenlicht. Toll, sagt Walter Heidl. Sein Beispiel mit den Äpfeln. Als er dafür geworben hat, dass man jeden Tag einen Apfel isst, jeder.

Anfang dieses Jahres sank die Begeisterung der Lebensmittelwirtschaft – vor allem der bayerischen – für ihren Minister schlagartig. Der hatte zum Thema Freihandelsabkommen mit den USA im Interview gesagt

„Wir können nicht jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen.“

Auf den Aufschrei der Branche, er opfere Deutschlands regionale Produkte für den Freihandel, erklärte Schmidt, da sei er missverstanden worden. Er sei für klarere Regeln bei der regionalen Kennzeichnung.

Als einer, der sich für den Bezeichnungsschutz für den fränkischen Boxbeutel und den Aischgründer Karpfen damals persönlich eingesetzt habe, sei er der erste Vorkämpfer für Regionalität, sagt der CSU-Politiker.

Dieser Leidenschaft für Regionale gibt sich der Minister auch auf der Grünen Woche im Januar hin. Als der Reporter der „heute- Show“ ihn bittet, das Plakat mit der Aufschrift „Je suis Greußner Salami“ in die Kamera zu halten, beißt Schmidt sofort an.

Doch damit nicht genug. Wie es weiterging? Reinhören:

 

Der frühere Regierungssprecher Bela Anda fordert nach diesem Auftritt per Twitter Schmidts Rücktritt. Der steht dazu. Schmidts Sprecher hat inzwischen den Job gewechselt. Der Minister selbst hat andere Termine, die schönere Schlagzeilen produzieren. Kochen mit Kindern zum Beispiel.