Außenpolitik, Bundesregierung, Bundestag, Bundesverfassungsgericht 15.04.2015

Aus der Luft gegriffen?

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Die Bundesregierung prüft, deutsche Staatsbürger im Jemen notfalls mit Hilfe der Bundeswehr zu evakuieren – allerdings erst für den Fall, dass alle zivile Maßnahmen ausgeschöpft sind. Ein solcher Einsatz birgt nicht nur Risiken mit Blick auf die Sicherheit – er ist auch politisch heikel, wie Erfahrungen in Albanien und Libyen gezeigt haben.

Im Jemen wird seit Wochen heftig gekämpft. Erst am Dienstag hatten die Vereinten Nationen ein Waffenembargo gegen die Huthi-Rebellen verhängt. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat zusammen mit seinen Amtskollegen im Rahmen des G7-Treffens in Lübeck über die eskalierende Gewalt im Jemen gesprochen.

Unterdessen arbeitet Steinmeiers Haus auch „mit Hochdruck“ daran, die etwa 80 verbliebenen deutschen Staatsbürger aus dem Jemen zu evakuieren, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch sagte. Dabei seien zivile Maßnahmen oberstes Ziel. Erst wenn diese nicht ausreichten könnte auch eine militärische Evakuierung eine Option sein. Damit bestätigte das Auswärtige Amt einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung.

„AA verpflichtet, Deutschen im Ausland zu helfen“

Die Bundeswehr im Jemen, um deutsche Staatsbürger zu retten? Das scheint nur schwer vorstellbar. Doch tatsächlich wurde diese Option schon in anderen Krisensituationen gewählt, wenn auch nur selten. Im Rahmen der „Operation Libelle“ evakuierte die Bundeswehr im März 1997 insgesamt 103 Personen verschiedener Staatsangehörigkeiten aus Tirana. Dabei gerieten die Hubschrauber unter  „20-minütigen Terror-Beschuss“, wie die ARD-Tagesthemen in ihrer damaligen Ausgabe berichteten.

Auch in Libyen wurde die Bundeswehr im Februar 2011 zur Evakuierung eingesetzt. 133 EU-Bürger wurden damals mit zwei deutschen Transall-Maschinen ausgeflogen. Genauso war die Bundeswehr im Süd-Sudan im Dezember 2013 an der Evakuierung von verbliebenen Deutschen beteiligt. „Das Auswärtige Amt ist verpflichtet, Deutschen im Ausland zu helfen“, sagt der Konfliktforscher Berthold Meyer. Doch er weist auch darauf hin, dass eine militärische Evakuierung nur dann in Frage käme, wenn die zivilen Mittel ausgeschöpft seien.

Bundestag muss militärischer Evakuierung zustimmen

Grundsätzlich muss für jeden Einsatz bewaffneter Bundeswehr-Soldaten im Ausland die Zustimmung des Bundestags eingeholt werden. So schreibt es das Parlamentsbeteiligungsgesetz vor. Allerdings kann in bestimmten Fällen eine solche Zustimmung auch nachträglich eingeholt werden. Nämlich dann, „wenn Gefahr im Verzug besteht oder Menschen aus besonderen Gefahrenlagen gerettet werden müssen“, wie es auf der Bundestags-Seite heißt. Wann eigentlich die Gefahr von bewaffneten Waffeneinsatz und damit auch die Zustimmungspflicht des Bundestags besteht, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ende Januar hat das Bundesverfassungsgericht eine Klage der Grünen verhandelt. Diese wehren sich dagegen, dass die Bundesregierung bei der Libyen-Evakuierung 2011 nicht das Parlament gefragt hat.

Die Partei Die Linke hat bereits angemahnt, die Zustimmung des Bundestags einzuholen, falls die Bundeswehr im Jemen zum Einsatz kommen sollte. Konfliktforscher Meyer hält diese Mahnung für berechtigt. Trotzdem glaubt er nicht an eine Bundestagszustimmung vor einem möglichen Bundeswehreinsatz. „Dafür ist die Lage im Jemen zu brenzlig“. Anders sehe es aber mit der Absegnung im Nachhinein aus. In anderen Ländern sei eine militärische Evakuierung von Landsleuten politischer schneller durchzusetzen. In Frankreich liege die Entscheidung darüber beim Präsidenten, so Meyer. Und in Großbritannien könne das Parlament ebenfalls sehr rasch einen solchen Einsatz absegnen.