Brüssel, EU-Kommission
Handshake © European Union 2014 EP
26.05.2015

Die geheimen Lobbyisten-Charts der EU

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Die EU-Kommission will transparenter werden, das hat der Erste Vizekommissar Frans Timmermans im November 2014 verkündet. Seitdem werden alle Treffen mit Lobbyisten veröffentlicht. Ganz Transparent. So transparent, dass es viel Arbeit kostet herauszufinden, wer da eigentlich am meisten lobbyiert. Deshalb haben wir genau das getan.

Frans Timmermans © European Union, 2014

Frans Timmermans © European Union, 2014

Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans war schon etwas stolz, als er im November vergangenen Jahres die neue Transparenzinitiative der Kommission vorstellte: Vom ersten Dezember an sollten alle Kommissare, deren Mitarbeiter und die Generaldirektoren der einzelnen Abteilungen der Kommission öffentlich machen, mit welchen Interessenvertretern sie sich getroffen haben – in der Lobbyisten-Hochburg Brüssel ein deutlicher Schritt in Richtung mehr Transparenz. So kann beispielsweise hier nachgelesen werden, mit wem sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker getroffen hat. Wie Transparency International im April in ihrem Bericht zur Transparenz von Lobbyismus in der EU feststellten, liegt die EU-Kommission damit auf Platz drei ihrer Transparenz-Rangliste, noch vor dem EU-Parlament und weit, weit vor Deutschland, das auf Platz 17 von 22 landet.

So sehr dieser Schritt in Richtung mehr Transparenz zu begrüßen ist, es gibt auch ein großes Aber: Die Kommission hat Ausnahmeklauseln festgelegt, die es im Grunde erlauben, jedes beliebige Treffen mit Lobbyisten so zu definieren, dass es nicht veröffentlicht werden muss. Abgesehen davon hat sich die Kommission viel Mühe gegeben, die veröffentlichten Informationen auf 89! einzelnen Webseiten zu verstreuen. Eine maschinenlesbare Form, z.B. als Datenbank oder Download in Form einer *.csv- oder *.xls-Datei gibt es nicht. Man veröffentlicht die Informationen also, möchte aber nicht, dass diese auch ausgewertet werden.

Wir haben genau das trotzdem getan: alle Treffen der Kommissare, ihrer Mitarbeiter und der Generaldirektoren zwischen November 2014 und April 2015 zusammengetragen und analysiert. Das Ergebnis: Genau die Informationen, die die Kommission gerade nicht veröffentlichen möchte.

Businesseurope sind die Lobby-Europameister

Vor allem die großen Lobbyvereine, die ganze Wirtschaftszweige hinter sich vereinen, treffen sich häufig mit der Kommission. Spitzenreiter mit 30 Gesprächsterminen ist Businesseurope, ein europäischer Arbeitgeberverband. Auch der Einzel- und Großhandelsverband Eurocommerce und der Mischkonzern General Electric vertreten die Interessen der Wirtschaft. Unter den Top-20 Lobbyorganisationen vertreten lediglich Greenpeace, BEUC und der WWF die Interessen von Umwelt- und Verbraucherschutz:

 

Die 20 am stärksten in der Kommission vertretenen Lobbyorganisationen

 

Ob die genannten Top-20-Lobbyorganisationen nun besonders gute Arbeit leisten oder von der Kommission bei der Vergabe von Gesprächsterminen bevorzugt werden, ist den veröffentlichten Daten nicht zu entnehmen. Was aber auf den ersten Blick klar wird ist, dass Wirtschafts-Lobbyisten deutlich häufiger bei der Kommission zu Gast sind, als NGOs.

Urlaub ist heilig

Eine weitere Erkenntnis der Analyse: Urlaub ist heilig! Jedenfalls den Mitarbeitern der EU-Kommission. Stehen Feiertage und Ferien ins Haus, dann gibt es auch keine Treffen mit Lobbyisten. Man könnte fast die Uhr danach stellen: Pünktlich zur Weihnachtszeit werden keine Termine mehr gemacht. Nur einige wenige Mitarbeiter sind noch fleißig, bis dann zwischen dann Jahren die Lichter in der Kommission ausgehen. Ähnlich sieht es an Ostern aus (14. KW), wo eher Ostereier anstelle von Lösungen für politische Probleme gesucht werden.

 

Anzahl der Lobbyisten-Treffen nach Kalenderwochen

 

Samstags gehört Vati mir…

… und Mami auch, möchte man heutzutage hinzufügen. Jedenfalls hat auch die Kommission die Forderung des DGB aus dem Jahr 1956 umgesetzt. Nur sieben Mal gab es im Untersuchungszeitraum ein Treffen am Wochenende. Das mag nicht sonderlich verwundern im Jahr 2015. Interessant ist aber der Blick auf den Freitag, denn hier offenbart sich eine Brüsseler Besonderheit: Die alte Weisheit „Freitag ab Eins macht jeder sein’s“ könnte hier erfunden worden sein. Da viele Mitarbeiter der Kommission – wie überhaupt viele der im Europaviertel beschäftigten – am Wochenende in ihre Heimatländer reisen, wird das Wochenende hier oft schon am Freitag eingeläutet. Nicht umsonst feiern die Praktikanten, Hospitanten und alle anderen, jüngeren Mitarbeiter von EU-Institutionen und Interessenvertretungen den Wochenausklang schon am Donnerstagabend vorm Parlament auf dem Place du Luxembourg.

 

Transparency Initiative Auswertung Wochentage

 

So viel zur ersten Auswertung der von der Kommission veröffentlichten Daten zu Lobbyisten-Treffen. Der nächste Artikel dazu wird sich dann damit befassen, in welchen Politikbereichen am meisten lobbyiert wird.

Datengrundlage

Analysiert wurden 2.713 veröffentlichte Treffen zwischen dem 12. November 2014 und dem 17. April 2015. Dabei trafen sich 235 Mitarbeiter der EU-Kommission mit 1.371 unterschiedlichen Organisationen.

Mehr Informationen zum Thema Transparenz

TI-Korruptionswahrnehmungsindex: Deutschland auf Platz 12 des Rankings
(Deutschlandfunk, 03.12.2014)

Audio: EU-Kommissare mit neuer Transparenz
(Deutschlandfunk, 01.12.2014)

Audio: Wie schwer wiegt die Transparenz?
(Deutschlandradio Kultur, 24.03.2012)