Berlin
Bundespressekonferenz am Dienstagnachmittag (Foto: Johannes Kulms).
Bundespressekonferenz am Dienstagnachmittag (Foto: Johannes Kulms).
23.06.2015

Gegen die Wand gefahren

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Der ägyptische Fernsehjournalist Ahmed Mansur war für ein Interview nach Deutschland gekommen. Als er das Land verlassen will, wird er am Flughagen Tegel festgenommen. Erst 48 Stunden später kommt er wieder frei. An diesem Dienstag kann Mansur Berlin endlich verlassen. Zurück bleibt eine Bundesregierung in Erklärungsnot.

Die blaue Wand im Großen Saal der Bundespressekonferenz dürften viele aus dem Fernsehen kennen. Häufig nehmen vor ihr Regierungsmitglieder Platz. Sehr oft auch ihre Sprecherinnen und Sprecher. Kein Wunder, dass viele diese blaue Wand irgendwie mit Bundesregierung verbinden. Obwohl die Bundespressekonferenz mit der Bundesregierung rein gar nichts zu tun hat  sondern eine Vereinigung von Journalisten ist. Und die entscheiden selber, wen sie in den Saal einladen und wen nicht.

Noch am Montagmittag haben sich vor dieser blauen Wand rund 45 Minuten die Sprecher von gleich mehreren Ministerien ziemlich abgekämpft: Sie sollten Stellung nehmen zur Festnahme des ägyptisch-britischen Fernsehjournalisten Ahmed Mansur. Und erklären, auf welcher Grundlage genau Mansur eigentlich am Samstagnachmittag am Flughafen Tegel festgenommen wurde, als er gerade in den Flieger nach Doha steigen wollte. Vorsichtig formuliert hat die Bundesregierung bei diesem Versuch kein gutes Bild abgegeben, wie auch ein Blick ins Protokoll der Pressekonferenz zeigt, das das Auswärtige Amt auf seine Seite gestellt hat.

Nun, genau 24 Stunden später, folgt vor der blauen Wand die Fortsetzung im Fall Mansur. Doch sitzt dieses Mal kein Regierungsvertreter auf dem Podium. Sondern der inzwischen freigelassene Mansur selber – in Begleitung seiner drei Anwälte. Gleich im Anschluss an diese Pressekonferenz will er sich aufmachen zum Flughafen und das tun, woran er am Samstag gehindert wurde: Die Rückreise nach Katar antreten. Mansur wird also Deutschland verlassen. Und lässt eine Bundesregierung zurück, die nun in ziemlicher Erklärungsnot ist: Hat Sie womöglich mit dem Regime von Ägyptens Präsident Al-Sisi gemeinsame Sache gemacht? Genau diesen Vorwurf erhebt Mansur:

„Es tut mir sehr leid, dass diese Regierung erfolgreich war, bestimmte Personen in der deutschen Regierung benutzt hat. Ich befürchte, dass das Al-Sisi-Regime erfolgreich war in seiner Diktaturherrschaft, die er vielleicht hierher überliefert hat. Ob es so ist, dass Deutschland so ist, dass es Diktaturherrschaft aus Ägypten überliefert haben möchte?“

 

Mansur äußert auch die Vermutung, dass seine Festnahme  zu tun habe mit dem Besuch des ägyptischen Staatspräsidenten Al-Sisi in Berlin Anfang Juni. Noch im Februar sei er ohne Probleme nach Deutschland ein- und ausgereist. Und auch bei seiner Ankunft in München am Dienstag, dem 16. Juni, habe es keine Probleme am Flughafen gegeben, sagt Mansur. Dabei habe er seinen britischen Pass verwendet, mit dem er durch die ganze Welt reise. Ägyptische Reisedokumente besäße er gar nicht.

Berlin – Handlanger des Militärregimes in Kairo? Das weist die Bundesregierung zurück. Und soweit wollen dann auch Mansurs Anwälte, Andreas Wattenberg und Patrick Teubner, nicht gehen.

„Ich kann mich nicht an Spekulationen beteiligen, das ist auch kein Herumdrücken, wir haben keine Erkenntnisse dazu gewonnen im Verlauf dieses doch sehr kurzen Verfahrens, dass es eine politische Einflussnahme gegeben hat. Die Presseberichterstattung ist da ja sehr vielfältig gewesen.“ – „Wir wären keine guten Berater, wenn wir das ganze politisch betrachten würden und nicht juristisch. Das müssen Sie interpretieren, uns fehlt da schlicht die Informationsgrundlage, wie der Kollege Wattenberg das gesagt hat. Uns interessiert aber natürlich brennend auch, was dazu sich noch in den Akten befindet und möglicherweise noch hinzukommen wird. Es gibt eben auch die Spekulation rund um den Besuch von Herrn Al-Sisi und das ist glaube ich hilfreich, wenn solche Tatsachen eben auch durch Informationen untermauert werden können oder eben dann auch ausgeräumt werden können.“

Auf Antrag der Grünen wird sich der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags kommende Woche mit dem Fall befassen.

Verhaftet wurde Mansur in Tegel, weil er auf der Fahndungsliste stand. Doch wie ist er darauf geraten? Nach Darstellung des Bundesinnenministeriums waren die Etappen folgende: Im Oktober ging ein ägyptischer Haftbefehl an Interpol. Doch die internationale Polizeiorganisation lehnte noch im gleichen Monat ab, den Aufruf über seine Kanäle zu verbreiten – weil dieses die Fahndung nach politisch Verfolgten verbiete. Daraufhin wurde das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesamt für Justiz – das dem Bundesjustizministerium unterstellt ist für eine Stellungnahme eingeschaltet. Ende Januar 2015 entschieden AA und das Bundesamt für Justiz dann, dass gegen eine nationale Ausschreibung zur Festnahme keine Bedenken bestünden.

Doch warum hat sich die Bundesregierung über die Bedenken von Interpol hinweggesetzt? Mansurs Anwälte hoffen darauf, in den nächsten Tagen eine Antwort zu erhalten, durch Blick in die Akten.

Zum Ende der Pressekonferenz wird Mansur gefragt, ob er denn noch mal zurück käme nach Deutschland:

„Ich wenigen Wochen schon plane ich wieder, Deutschland zu bereisen, um mit deutschen Politikern Gespräche zu führen. Ich liebe dieses Land.“

Doch dann muss Mansur wirklich los, er will den Flieger nicht verpassen. Zurück bleibt eine große Gruppe von deutschen und ausländischen Journalisten. Und viele Fragen. Und eine blaue Wand.