Brüssel, Bundestag, EU-Kommission, Europäischer Rat
Glücklich sieht anders aus: Donald Tusk, Alexis Tsipras (1.+2. v.l.), Francois Hollande und Angela Merkel (1.+2. v.r.) bei den Verhandlungen in Brüssel © European Union 2015
Glücklich sieht anders aus: Donald Tusk, Alexis Tsipras (1.+2. v.l.), Francois Hollande und Angela Merkel (1.+2. v.r.) bei den Verhandlungen in Brüssel © European Union 2015
13.07.2015

Der Griechenland-Deal – Was steht drin?

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Bis zum frühen Morgen wurde in Brüssel verhandelt, dann endlich war auch der letzte Streitpunkt ausgeräumt und eine Einigung zwischen Griechenland und seinen 18 Euro-Partnern gefunden. Wir haben die Abschlusserklärung analysiert und fassen hier die Vereinbarungen in verständlichem Deutsch zusammen:

– Das griechische Parlament muss dem Kompromiss zustimmen

– Um Hilfe aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu erhalten, muss Griechenland gleichzeitig Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) beantragen

 

– Die griechische Regierung wird bis zum 15. Juli im Parlament Gesetze für folgende Reformen verabschieden:

  • ein optimiertes Mehrwertsteuersystem und eine breitere Steuerbasis, um mehr Steuern einzunehmen
  • erste Schritte einer später folgenden Reform des Rentensystems
  • die rechtliche Unabhängigkeit der griechischen Statistikbehörde
  • die volle Umsetzung des europäischen Stabilitätspakts und des Fiskalpakts sowie automatische Ausgabenkürzungen für den Fall, dass Griechenland die vereinbarten Ziele beim Primärüberschuss nicht erreicht

 

– Bis zum 22. Juli muss das Athener Parlament folgende Ziele erreicht haben:

  • Annahme einer Justizreform, die die Justiz beschleunigen und Kosten senken soll
  • Umsetzung der BRRD-Richtlinie zur Ausstattung der Banken mit Kapital

 

– Anschließend erhalten die Institutionen (IWF, EZB, EU-Kommission) ein Mandat, um mit der griechischen Regierung ein drittes Paket zu verhandeln
– Einer Aufnahme von Verhandlungen muss allerdings der Deutsche Bundestag zustimmen
– Außerdem muss festgestellt werden, dass nach Artikel 13 des ESM-Vertrages:

„eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt“ besteht

 

– Die griechische Regierung muss einen Zeitplan vorlegen für folgende, weitergehende Reformen:

  • tiefgreifende Reform des Rentensystems
  • ehrgeizige Produktmarktreform:
    • Liberalisierung bei verkaufsoffenen Sonntagen, Schlussverkaufsperioden, Eigentum an Apotheken, Milch und Bäckereien
    • Öffnung geschlossener Berufe z.B. Fährbetrieb
  • Privatisierung des Stromübertragungsnetzbetreibers (oder Ersatzmaßnahmen mit gleicher Wirkung auf den Wettbewerb)
  • Arbeitsmarktreformen:
    • Reform der Verfahren für Tarifverhandlungen, Arbeitskampfmaßnahmen, Massenentlassungen
  • Stärkung des Finanzsektors

 

– Desweiteren wird die griechische Regierung folgende Aufgaben anpacken:

  • Transfer von griechischem Vermögen in Höhe von 50 Mrd. Euro in einen unabhängigen Fonds. Dieser verkauft das griechische Eigentum oder erwirtschaftet damit Gewinne. 25 Mrd. Euro davon werden genutzt, um die Versorgung der Banken mit Kapital zurückzuzahlen. 12,5 Mrd gehen jeweils in den Schuldenabbau und in Investitionen in Griechenland. Den Fonds werden die griechischen Behörden unter Aufsicht verwalten.
  • Modernisierung und Entpolitisierung der Verwaltung, Kostensenkung
  • Zusammenarbeit mit den Institutionen (ehemals „Troika“) und:

„Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird.“

  • Gesetze, die Rückschritte zu früheren Auflagen darstellen, sollen wieder rückgängig gemacht werden

 

– All diese Anforderungen müssen erfüllt sein, um die eigentlichen Verhandlungen aufzunehmen

– Griechenland wird langfristig 82-86 Mrd. Euro benötigen
– Bis Ende Juli braucht das Land 7 Mrd. Euro und bis Mitte August 5 Mrd. Euro, um Kredite zurückzuzahlen
– Für die Ausstattung der griech. Banken mit Kapital oder deren Abwicklung braucht es einen Puffer von 10-25 Mrd. Euro
– Über einen möglichen Tilgungsaufschub und längere Zahlungsfristen bei der Begleichung griech. Schulden wird entschieden, wenn der erste Bericht über die Umsetzung der Reformen positiv ausfällt
– Ein nominaler Schuldenschnitt kann nicht durchgeführt werden
– Die griech. Regierung sagt zu, all ihre Schulden zurückzuzahlen
– Die EU-Kommission will versuchen, bis zu 35 Mrd. Euro für Investitionen bereitzustellen

– Außerdem enthält der Text zahlreiche Verweise darauf, dass die griechische Regierung zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Landes beigetragen habe. Gleichzeitig wird wiederholt die Nachsicht der anderen Euro-Mitgliedsstaaten mit Griechenland betont.

 

Kommentare zu diesem Beitrag (6)

  1. Schulz, Gerhard -Peter | 14. Juli 2015, 13:44 Uhr

    Das Ganze ist ein Diktat, dass den Kern einer weiteren Verschlechterung der Situation Griechenlands beinhalt, Ich frage mich, wie das griechische Parlament bis morgen die im ersten Abschnitt aufgeführten Gesetze mit der notwendigen Sorgfalt beschliessen soll.( Praktikabilität) Zur Frage der notwendigen Investitionen zum Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt die EU, obwohl dies immer wieder gefordert wurde, vage.
    (….. will versuchen ) Die reichen Familien in Griechenland werden bei der Belastung geschont, die Hauptlast trägt die Bevölkerung, dies bei einer Arbeitslosigkeit von ca. 30%. Die Folgen für die Binnenfrage bleiben offen und verharren im alten Muster der Krisenverschärfung.Die griechische Wirtschaft befindet sich in einer Rezession.
    Ich habe den Eindruck, dass hier ein Signal an die anderen sozialen Bewegungen in Europa ( Spanien, Portugal) als Abschreckung gesendet werden soll. Eine alternative Wirtschafts – und Sozialpolitik ist für den Erhalt die Sicherung der Europäischen Einheit notwendig. Dazu ist es notwendiger denn je, dass aktuelle neoliberale “ Elitenmodell “ in seine Schranke zu weisen und zu überwinden. Es gilt dem Primat der Politik , der Weitsichtigkeit und der Folgeabschätzung wieder zur Würde zu verschaffen.
    Viele Grüße von Gerhard – Peter Schulz

    • James | 17. Juli 2015, 11:11 Uhr

      Ruck nach rechts...

      Das groteske ist, dass es diese Situation schon einmal ähnlich unter Brüning 1932 in Deutschland gab. Der „Retter“ damals hieß Hitler…
      Wir dürfen gespannt sein, wer in Griechenland dann die Macht übernimmt. In Frankreich wird 2017 wohl Frau Le Pen dran sein…

  2. Klaus Welter | 15. Juli 2015, 7:43 Uhr

    Griechischer Gutmensch?

    Annahme, das griechische Parlament stimmt den Bedingungen zu und nachfolgend auch die fünf stimmpflichtigen, nationalen Parlamente – auch Deutschland.

    Was passiert, wenn die griechische Bevölkerung sich in der Folge mobilisiert und zu hunderttausenden gegen die Beschlüsse demonstriert? In solchen Demos haben die Griechen ausfühlich Übung!

    Und schon gar keine Skrupel, denn die Regierung hatte ja ursprünglich eine „Ochi“ empfohlen und Syriza-Vertreter haben jetzt schon von „ungeeigneter Medizin“, von Zwang und Erpressung gesprochen.

    Die Regierung wird also ein Alibi haben, die gesetzten Bedingungen ganz schnell nicht mehr einzuhalten.

    Resultat: Rest-Europa hat inzwischen weiter gezahlt und darf sich Erpresser beschimpfen lassen. Das alles nur, weil unsere zustimmenden Parlamentarier mutlos sind oder permanent an den griechischen Gutmenschen glauben.

  3. Peter C. Bruns | 16. Juli 2015, 10:30 Uhr

    Hilfsprogramme vs. Demokratie ?

    Wenn man den Passus liest :
    „Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird“,
    klingt das schon sehr nach einer Entmachtung bzw. Entmündigung des gewählten Parlamentes.

    Kann ich mich als EU – Bürger nur darauf verlassen, in einem demokratischen System zu leben, solange das Land, in dem ich lebe, kein „Hilfsprogramm“ benötigt ?

    Und: Wie wollen EU-Politiker in anderen Weltgegenden (China, Russland …) für mehr Demokratie werben, wenn sie selbst die demokratischen Prozesse in Ländern der Eurozone zeitweise ausser Kraft setzen, um „marktkonforme“ Entscheidungen der Regierungen sicherzustellen (unter Androhung eines ruinösen Ausscheidens aus der Währungsunion bei Nichtbefolgung) ?!

  4. Monika Welke | 26. Juli 2015, 9:42 Uhr

    Der hässliche Deutsche

    Ich kann mich den Kommentaren von Gerhard-Peter Schulz, James und Peter C. Bruns nur anschliessen. Für mich kommt aber noch einer Aspekt hinzu: Alles, was Deutschland in ca.
    50 Jahren an Ruf und Stimmung in der Welt aufgebaut hatte, ist zunichte geworden. Das Bild des hässlichen Deutschen ist leider wieder präsent. Das wunderschöne Südeuropa, das gerade wir Deutschen so lieben, weil es ist wie es ist, wurde und wird diffamiert und disqualifiziert hierzulande. Ich schäme mich für diese Regierung, die nur die nationalen Vorteile für Reiche und Superreiche verteidigt. Wann endlich werden die Deutschen begreifen, dass sie gegen ihr eigenes Interesse wählen?!

  5. Klaus B. Habermann | 28. August 2015, 20:37 Uhr

    Möchte auch gerne einmal Kredite in astronomischer Höhe beantragen dürfen!

    „– Bis Ende Juli braucht das Land 7 Mrd. Euro und bis Mitte August 5 Mrd. Euro, um Kredite zurückzuzahlen“

    Meine Güte, das sind 12 Mrd. Euro aus Steuerzahlers Tasche! Und an wen fließen die Kredite wieder zurück? Natürlich an den IWF (z.B. 1,6 Milliarden Euro) und die Banken, der Bevölkerung in Griechenland wird doch von den Krediten kaum etwas bleiben. Was sind das nur für Horrorsummen, die da fließen? Als normaler Bürger kann man ja gerade einmal bis zu 120.000 Euro aufnehmen, aber auch nur, wenn man Beamter ist, normale Angestellte und Arbeiter können gerade einmal einen Kredit in maximaler Höhe von 70.000 Euro beantragen. Wo bleibt hier eigentlich die Verhältnismäßigkeit?

    Quellen:

    http://www.kredit-online-beantragen.net

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-will-iwf-kredit-angeblich-nicht-zurueckzahlen-a-1041266.html