Brüssel, EU-Kommission
Ausgedruckt füllen die bisher veröffentlichten Daten fast 400 A4-Seiten. Foto: Thomas Otto
Ausgedruckt füllen die bisher veröffentlichten Daten fast 400 A4-Seiten. Foto: Thomas Otto
07.08.2015

Intransparente Transparenz

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Seit Ende vergangenen Jahres veröffentlichen die EU-Kommissare jedes Treffen mit Lobbyisten und anderen Interessenvertretern. Wir haben bereits darüber berichtet, die Daten ausgewertet und dazu zwei Artikel veröffentlicht. Das war mit großem Aufwand verbunden, stellt die Kommission die Daten doch nicht über eine zentrale Webseite übersichtlich zur Verfügung. Schöner Schein, aber keine wirkliche Transparenz. Die Kommission selbst sieht das ganz anders.


Mit Amtsantritt der neuen EU-Kommission sollte auch ein neuer Wind in Sachen Transparenz durch das Brüsseler Europaviertel wehen. Der erste Mann hinter Kommissionschef Juncker, Vizepräsident Frans Timmermans, erklärte im vergangenen November, die neue Kommission wolle deutlich zeigen, was sie tue. Volle Transparenz über die Treffen mit Interessenvertretern solle hergestellt werden. „Wir wollen rechenschaftspflichtig sein für alles, was wir in der Kommission tun“, so Timmermans. Und auf Deutsch erklärte der Erste Vizepräsident damals weiter:

„Auf der politischen Ebene, das heißt also Kommissare und alle Kabinettsmitglieder und ich würde sagen auf der höchsten Stufe der Dienste – also die Generaldirektoren – werden dann auch öffentlich mitteilen, mit wem sie reden. Mit den Leuten, die ein Interesse haben an Kontakt mit der Kommission.“

 

 

Wer aus der politischen Führung der EU-Kommission hat sich wann wo mit Vertretern welcher Organisation getroffen und um welche Themen ging es? Diese Informationen werden seit Ende 2014 veröffentlicht, so beispielsweise für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker:

 

Treffen von Jean-Claude Juncker mit Interessenvertretern

Treffen von Jean-Claude Juncker mit Interessenvertretern

Unterm Strich gibt es damit nach aktuellem Stand Informationen über 235 Personen: 28 Kommissare (inkl. Kommissionspräsident), 33 Generaldirektoren und 174 Kabinettsmitarbeiter. Um zu diesen Zahlen zu gelangen und einen Überblick über alle Treffen zu erhalten, muss der Normalbürger aber erst einmal viel Arbeit investieren: Alle Daten müssen zusammengeführt, fehlerhafte Datensätze korrigiert (z.B. doppelte Einträge gelöscht) und in ein einheitliches Format gebracht werden (beeindruckend, wie viele Schreibweisen von Brüssel/Bruxelles/Brussels man in den Daten finden kann). Erst dann kann man – mithilfe von Werkzeugen aus der Statistik – mit einer Analyse beginnen. Aber schon den ersten Schritt hat die Kommission extrem umständlich gestaltet, kritisiert Daniel Freund von Transparency International:

„Dafür über 90 verschiedene Webseiten zu verwenden macht die Daten schwer zugänglich, es gibt keine Suchfunktion, man kann sich keinen Überblick verschaffen.“

Tatsächlich gibt es keine zentrale Möglichkeit, alle Daten einzusehen oder gar in maschinenlesbarer Form herunterzuladen. Verteilt sind die Informationen auf:

– 28 Webseiten der Kommissare,
– 28 Webseiten der Kabinette und
– 33 Webseiten der Generaldirektoren,

von denen einige so versteckt sind, dass wir sie nur mithilfe von Suchmaschinen finden konnten. Auf diesen Webseiten finden sich dann wiederum Tabellen, die in mehrere Unterseiten aufgeteilt sind – zehn Einträge pro Seite. Bei aktuell über 4.500 registrierten Treffen müssen also mindestens 450 Webseiten aufgerufen und deren Daten per Copy&Paste übertragen werden. Wer hier nicht programmieren und sich mit einem kleinen Script behelfen kann, ist schnell frustriert.

Aus Sicht der Kommission ist diese Form der Veröffentlichung trotzdem transparent, findet Sprecherin Natasha Bertaud. Man habe eben einen anderen Ansatz gewählt:

„Wir gehen solche Projekte so an, dass wir uns ansehen, wie die Nutzer Webseiten auch benutzen. Wenn sich jemand für einen Kommissar interessiert, findet er dort auch die Informationen über dessen Treffen. Das ist aus unserer Sicht sinnvoll, aber ich verstehe den Einwand und vielleicht können wir diesen in Betracht ziehen.“

 

 

Die EU-Ombudsfrau Emily O'Reilly im EU-Parlament © European Union 2015 EP

Die EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly im EU-Parlament © European Union 2015 EP

Genau genommen ist das mittlerweile aber gar nicht mehr nötig. Transparency International macht mit seinem Portal „EU Integrity Watch“ die Daten der Kommission auf einer Webseite zugänglich. Mit wenigen Klicks kann sich hier jeder einen Überblick verschaffen: Welcher Kommissar empfängt die meisten Lobbyisten? Wer interessiert sich besonders für welches Politikfeld? Und welche Think Tanks zieht die Kommission zu Rate? Regelmäßig werden die Daten auf den aktuellsten Stand gebracht.

Aus Sicht der EU-Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly müsste genau das eigentlich die Kommission leisten. Sie fordert, auch die Treffen von Beamten auf niedrigerer Ebene zu veröffentlichen. Es müssten keine Namen veröffentlicht werden, aber die Leute sollten sehen, wer die Kommission beeinflusst. Für O’Reilly ist es naiv zu glauben, dass die Einflussnahme nur auf höchster Ebene stattfindet. Für die Kommission sei das im Moment aber kein Thema, erklärt Sprecherin Bertaud. Nur die Kommissions-Treffen auf politischer Ebene seien für eine Veröffentlichung relevant, denn nur die politische Führung sei der Öffentlichkeit gegenüber auch rechenschaftspflichtig. An der bisherigen Praxis der Veröffentlichung etwas zu ändern, sei nicht geplant.

Mehr Informationen zum Thema Transparenz

Die geheimen Lobbyisten-Charts der EU
(Berlin-Brüssel-Blog, 26.05.2015)

Lobby-König Jonathan Hill
(Berlin-Brüssel-Blog, 04.06.2015)

EU-Kommissare mit neuer Transparenz
(Deutschlandfunk, 01.12.2014)

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. Europolitikus | 15. August 2015, 14:21 Uhr

    Start up Okassion

    Die EU Kommission will doch nur Gutes tun;

    Alle diese Seiten in einer praktischen, leicht lesbaren und aktuellen Datenbank zusammen zu führen, das ist doch eine neue Geschäftsidee, deren Resultat man prima im Abonnement verkaufen kann. Medien und Lobbyisten sind eine zahlungskräftige Zielgruppe.

    @Europolitikus (twitter)