Berlin, Bundestag, Medien
21.08.2015

Tabletmania im Bundestag

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Es war eine der wichtigsten Bundestagsdebatten des Jahres. Doch als das Parlament über ein drittes Griechenland-Programm beriet, hörten manche Abgeordnete ihren Kollegen gar nicht zu. Alltag im Bundestag. Eine Ursache: Smartphones und Tablets sind erlaubt. Die Parlamentarier bitten um Verständnis.  

Mittwochvormittag, Bundestag. Fast alle Abgeordneten sind aus der Sommerpause nach Berlin zurückgekehrt. Der Grund: Eine Sondersitzung ihres Parlamentes. Wohl niemand im Plenum bezweifelt: Die Griechenland-Abstimmung ist sehr wichtig. Und doch erlebt der Beobachter ein Parlament, das unaufmerksam ist. Die Eindrücke habe ich hier zusammengefasst. Peter Hintze, Vizepräsident des Bundestages sieht das so:

„Es wäre natürlich sehr schön, wenn alle immer allen zuhören. Aber das ist Illusion. Das hat es nie gegeben. Ich bin seit einem viertel Jahrhundert Mitglied des Bundestages. Ich habe auf der Regierungsbank gesessen, auf der Oppositionsbank gesessen auf dem Präsidentenstuhl gesessen.“

Je länger die Debatte dauert, desto unaufmerksamer wird das Parlament. Die Sitzreihen leeren sich, im hinteren Teil des Plenums herrscht Unruhe. Das macht es schwierig für Abgeordnete wie Manuel Sarrazin von den Grünen. Er darf erst spät reden und bekommt gerade einmal drei Minuten Redezeit. Als er sich an den Bundesfinanzminister wendet, hört der nicht zu. Doch Sarrazin wirbt um Verständnis.

„Viele Leute haben so vollgepackte Terminkalender. Und haben dann im Plenum die Möglichkeit kurze Gespräche zu führen. Die aber wichtig sind. Deswegen würde ich da um Verständnis werben.“

„Es ist ganz normal, wenn man lange einer Plenardebatte lauscht, dass man dann nicht mehr der Frischeste ist. Das kennt jeder noch aus der Schule.“

In der Schule gibt es jedoch keine Tablets und Smartphones. Zumindest nicht in dieser Form. Zeitunglesen auf dem Tablet, SMSen auf dem Smartphone: Im Bundestag ist das erlaubt. Ein paar Eindrücke.

Die Grünen stehen auf Smartphones 

Um es klar zu sagen: Bundestagsabgeordnete nutzen ihre Handys während der Debatten in der Regel nicht zum spielen. So habe ich während der Debatte ein Interview mit Manuel Sarrazin vereinbaren können. Ohne Smartphones im Plenum hätte das nicht geklappt. Wie intensiv Smartphones genutzt werden, zeigt dieses Bild. Nur Hans-Christian Ströbele macht es anders.

 

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Nur Ströbele bleibt altmodisch: Smartphones in den hinteren Reihen der Grünen-Fraktion Foto: Hammer

 

Kommen wir zum nächsten Eindruck. Wir erinnern uns an Manuel Sarrazin. Er hat Verständnis dafür, dass sich Politiker im Plenung zurückziehen und unterhalten. Das folgende Foto zeigt das eindrücklich.  In der Mitte unterhalten sich gerade Angela Merkel und Marieluise Beck von den Grünen. Beck ist eine ausgewiesene Expertin für das Thema „Flüchtlinge und Migration“. Zwei Reihen dahinter: Unions-Fraktions-Chef Volker Kauder und Thomas Strobl (CDU). Übrigens finden wir auch unsere beiden Gesprächspartner auf diesem Foto. Manuel Sarrazin vorne (weißes Hemd, schwarzes Jakett, Brille) und Peter Hintze beim Gespräch, zwei Reihen hinter Kauder und Strobl.

 

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Hoher Besuch auf den hinteren Bänken. Merkel und Beck, Kauder und Strobl. Foto: Hammer 

Wenn unsere Kollegen vom Fernsehen über eine wichtige Debatte berichten, dann zeigen sie meistens volle Stuhlreihen. Das liegt in der Natur der Sache. Meistens werden Reden der Fraktionschefs und der Regierung gezeigt. Dann ist es im Parlament noch relativ voll. Das folgende Foto zeigt das Plenum zu einem späteren Zeitpunkt. Die hinteren Reihen der Unions-Fraktion sind ziemlich leer.

 

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Leere Reihen der Union. Isoliert: Der sogenannte „Euro-Rebell“ Klaus-Peter Willsch (Mitte). Foto: Hammer

Zum Ende der Debatte wird es im Bundestag dann wieder voll. Ist ja klar. Die namentliche Abstimmung zu Griechenland naht. Peter Hintze vom Bundestagspräsidium berichtet uns noch, dass man wegen der zahlreichen Smartphones und Tablets im Plenum schon über Störsender nachgedacht habe. Aber, so Hintze, das gäbe wohl einen Aufstand. „Das kriegen wir nicht hin.“