Berlin, Bundesregierung, Innenpolitik, Medien
Quelle: BMI
27.08.2015

Der falsche Abschiebeflieger

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Ein Video des Innenministeriums zeigt, wie Menschen von deutschen Behörden mit dem Flugzeug abgeschoben werden. Das soll vor allem die Bewohner des Balkans erreichen und abschrecken. Mit der Bildauswahl nahmen es die Videomacher jedoch nicht allzu genau. Für die Lufthansa könnte das einen Imageschaden bedeuten. 

Der Himmel ist grau. Der Boden ist nass. Die Stimmung ist mies. Mit einem Anfang August veröffentlichten Video will das Bundesinnenministerium die Bewohner der Balkanstaaten abschrecken. Ein Sprecher sagt mit ernster Stimme:

„Nicht wenige haben den falschen Versprechungen von Betrügern geglaubt, dass es einfach wäre, in Deutschland als Asylbewerber bleiben zu dürfen und viel Geld zu verdienen. Die Wahrheit ist, dass die Suche nach Arbeit in Deutschland nicht als Asylgrund anerkannt wird und dass die Wahrscheinlichkeit für Menschen aus dem Westbalkan in Deutschland tatsächlich politisches Asyl zu erhalten, äußerst gering ist.“

Und weiter:

Zur Durchführung von Abschiebungen organisieren die deutschen Behörden regelmäßig Charterflüge (…). Die hohen Kosten der Abschiebung von meist vielen tausend Euro werden dann dem Abgeschobenen in Rechnung gestellt (…).

 

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Nass. Grau. Kalt. Das Video zeigt Szenen von Abschiebungen. Quelle: BMI

 

Bei der Bildauswahl und bei der Bildbearbeitung nahmen es die Videomacher von Bundespolizei und Bundesinnenministerium aber nicht allzu genau. Eine der letzten Szenen zeigt den vermeintlichen Charterflieger mit den abgeschobenen Flüchtlingen. Für die entsprechende Fluggesellschaft ist das keine angenehme Situation. Sie will glückliche Urlauber und effiziente Geschäftsreisende in ihren Fliegern zeigen. Und nicht Menschen, die von Polizisten – oftmals gegen ihren Willen – in ein Flugzeug gesetzt werden.

Imageschaden für die Lufthansa 

Die Videomacher geben also ihr Bestes und machen die Logos des vermeintlichen Abschiebefliegers unkenntlich. Sie machen einen schlechten Job. Selbst Laien dürften erkennen, dass es sich bei dem Flieger und ein Flugzeug der Lufthansa handelt. Für die Fluggesellschaft ist das ein PR-Problem. Das Video wird in weiten Teilen des Balkans verbreitet. Die Flieger der Lufthansa fliegen dort fast alle Hauptstädte an, darunter Belgrad, Sarajevo, Pristina, Tirana und Skopje. Der Werbeslogan der Lufthansa lautet „Nonstop you“. Bekommt dieser Spruch für Bewohner des Balkans eine neue Bedeutung?

 

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Klar erkennbar: Der Schriftzug „lufthansa.com“ Quelle: BMI

 

Anruf bei der Lufthansa. Ist das Ihr Flieger? Wurde diese Maschine für eine Abschiebung gechartert? Die Pressestelle der Lufthansa recherchiert. Antwort: „Wir haben bereits viele Jahre keinen entsprechenden Charterflug mehr übernommen.“ Mit anderen Worten: In dem Airbus mit der Registrierung „D-AIZO“ sitzen die Menschen aus unserem „Abschiebevideo“ nicht.

Erklärungsversuche im Bundesinnenministerium. Eine Sprecherin schreibt,

„dass es sich bei der Maschine im zweiten Teil des Videos um ein reines Symbolbild handelt.  In dem abfliegenden Flugzeug, bei dem es sich zufällig um ein Flugzeug der Lufthansa handelt, befinden sich nach hiesiger Kenntnis keine rückzuführenden Personen. Um die Symbolik dieser Szene zu unterstreichen, wurden die Schriftzüge der Lufthansa-Maschine (wenn auch leider technisch unzureichend) unkenntlich gemacht.“

Aus einer Boeing wird plötzlich ein Airbus

Bei Filmemachern gibt es Menschen, die sich allein um die „Continuity“ kümmern. Das Ziel: Anschlussfehler vermeiden. Auch hier haben die Videomacher aus dem Ministerium keine gute Arbeit geleistet. Denn kurz bevor die vermeintlichen Flüchtlinge in dem Video mit dem Lufthansa-Airbus abheben, sind sie in ein Flugzeug des Konkurrenten Boeing gestiegen.

 

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Erst Boeing, dann Airbus? Das Video des Innenministeriums ergibt keinen Sinn Quelle: BMI

 

Das Video des Innenministeriums wirft ein Schlaglicht auf die Luftfahrtbranche. Mit Abschiebeflügen verdient ein Teil der Airlines gutes Geld. Und auch wenn die Lufthansa beteuert: Wir führen keine Charterflüge durch. Im regulären Liniendienst nimmt auch sie Menschen mit, die abgeschoben werden. Auch für sie gelte eine „Beförderungspflicht“, heißt es von der Lufthansa. Der Kapitän habe aber das letzte Wort, wen er mit an Bord nehme.