Brüssel, Europäischer Rat
Geburtsort: Mittelmeer. Die kleine Sophia an Bord der "Schleswig-Holstein" Foto: Petersen/Bundeswehr/dpa
Geburtsort: Mittelmeer. Die kleine Sophia an Bord der "Schleswig-Holstein" Foto: Petersen/Bundeswehr/dpa
01.10.2015

Flüchtlingskind muss für Militäreinsatz herhalten

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Die kleine Sophia hatte einen dramatischen Start ins Leben: Ihre somalische Mutter war von einem Flüchtlingsboot im Mittelmeer gerettet worden. Am 22. August brachte sie Sophia an Bord der deutschen Fregatte „Schleswig-Holstein“ zur Welt. Nun soll eine EU-Militärmission nach dem Mädchen benannt werden. Eine nette PR-Aktion, die zugleich den ganzen Zynismus der Situation im Mittelmeer deutlich macht.

European Union Naval Force Mediterranean, kurz EUNAVFOR MED – So lautet der Name einer EU-Militärmission, die zur Zeit im Mittelmeer stattfindet. Ziel ist es, Schleusernetzwerke auszuheben und aktiv gegen diese vorzugehen. In der ersten Phase wurden bisher Informationen über solche Netzwerke gesammelt. In der am 07. Oktober beginnenden zweiten Phase sollen Militärschiffe Flüchtlingsboote aufbringen und Schleuser festnehmen. Die Boote sollen anschließend entweder versenkt oder an Land gebracht und dort seeuntüchtig gemacht werden. Später ist geplant, diesen Einsatz auf die libyschen Küstengewässer auszudehnen und in einer dritten Phase Schleuser auch an Land zu verfolgen. Zur Zeit beteiligen sich 22 EU-Staaten an dem Einsatz. Neben einem italienischen Flugzeugträger und dem britischen Aufklärer HMS Enterprise sind momentan auch die Fregatte „Schleswig-Holstein“ und der Tender „Werra“ für EUNAVFOR MED im Einsatz.

 

Sophias Mutter wurde im Rahmen der EUNAFVOR MED-Operation Ende August im Mittelmeer gerettet. Foto: Petersen/Bundeswehr/dpa

Sophias Mutter (Mitte, lila Kleidung) wurde im Rahmen der EUNAFVOR MED-Operation Ende August im Mittelmeer gerettet. Foto: Petersen/Bundeswehr/dpa

 

EUNAVFOR MED, dieser Name ist wirklich zu sperrig. Vielleicht nicht für das entsprechende Militärjargon – für Pressemeldungen über gerettete Flüchtlinge und verhaftete Schleuser allerdings schon. Nicht so, wie die eingängigen Namen anderer Missionen: „Poseidon“, „Triton“ oder „Mare Nostrum“. Die Spin-Doktoren des Europäischen Auswärtigen Dienstes hatten deshalb eine besonders rührende Idee: „Mission Sophia“. Benannt nach dem kleinen Mädchen, das an Bord eines EU-Schiffes zur Welt gekommen ist, kurz nachdem seine Mutter von EUNAVFOR MED zusammen mit 452 anderen Flüchtlingen gerettet worden war. So rührend, dass es sich kein Drehbuchautor in Hollywood hätte ausdenken können.

Ob die kleine Sophia eines Tages darüber sonderlich glücklich sein wird, dürfte man bezweifeln. Ihre Mutter war aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu geflohen und hatte es bis nach Libyen geschafft. Fünf Monate nach dem Beginn ihrer Reise hatte sie ein Boot bestiegen und sich auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer gemacht. Hätte es einen anderen Weg aus dem Elend und der Gewalt in Somalia gegeben, hätte Sophias Mutter dafür bestimmt nicht tausende Dollar aufgebracht und vor allem ihr Leben riskiert.

Selbst dieser letzte Weg von Afrika aus in die EU soll mit der Operation „Sophia“ nun abgeschnitten werden. Natürlich ist es sinnvoll, gegen organisierte Schleuser vorzugehen, die fliehenden Menschen auch noch das letzte Hemd abnehmen, sie in marode Kähne pferchen und dann womöglich auf hoher See im Stich lassen. Gleichzeitig öffnet die EU aber auch keinen anderen, sicheren und vor allem legalen Weg, um auf der anderen Seite des Mittelmeers Asyl zu beantragen. So werden Schleuser Flüchtlingsboote schon am Rande internationaler Gewässer verlassen, um selbst kein Risiko einzugehen. Und so werden die Preise für die lebensgefährliche Überfahrt noch weiter steigen.

Den Flüchtlingen bringt Operation „Sophia“ vor allem eines: Viele kleine Mädchen wie Sophia werden keine Chance bekommen, in Frieden, Freiheit und ohne Armut aufzuwachsen. Aber auf diese Idee sind die zuständigen PR-Experten in Brüssel wohl nicht gekommen.