Berlin, Brüssel, EU-Kommission, Europäischer Rat
Staats- und Regierungschefs beim Sondergipfel im September © European Union
Staats- und Regierungschefs beim Sondergipfel im September © European Union
14.10.2015

Große Klappe und nix dahinter?

Von

Ende September hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs zum Flüchtlings-Sondergipfel  in Brüssel getroffen. Nach dem Streit um die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen, ging es dann erst einmal um Einigkeit. Die sollte auch im Abschlussdokument des Treffens demonstriert werden: Vom Geist der Solidarität und Verantwortung ist da die Rede. Schöne Worte. Wenn es aber darum geht, einen konkreten Beitrag zu leisten, dann drücken sich viele Mitgliedsstaaten bisher.

Viele Pläne hat die EU, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen und alle sollen gleichzeitig umgesetzt werden – so betonte es heute noch einmal der Erste Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans. In einem neuen Bericht fasst die Kommission den aktuellen Stand all dieser Pläne zusammen. An vielen Ecken hakt es noch, auch weil die Mitgliedsstaaten – trotz großer Versprechungen – bisher nicht mitziehen. Und so konnte man es Timmermans bei der Vorstellung des Papiers regelrecht anhören, dass er sauer ist:

 

„Es ist nun höchste Zeit, dass die Mitgliedsstaaten ihren Zusagen nachkommen. Das haben sie versprochen und deshalb sollten sie auch liefern. Die Kommission ist beunruhigt wegen der Kluft zwischen dem, worauf man sich im September geeinigt hatte und was bisher auf dem Tisch liegt.“

 

"Was soll das?" scheint Frans Timmermans seine Zuhörer zu fragen © European Union, 2015

„Was soll das?“ scheint Frans Timmermans seine Zuhörer zu fragen © European Union, 2015

Fachleute und Ausrüstung

In so genannten Hot Spots in Griechenland und Italien sollen Flüchtlinge aufgenommen, registriert und von dort aus auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Gleichzeitig soll der Schutz der EU-Außengrenzen verstärkt werden. Darauf haben sich die EU-Mitgliedsstaaten geeinigt. Für die verschiedenen dabei zu bewältigenden Aufgaben werden Experten benötigt, beispielsweise Grenzschützer oder Übersetzer. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO brauchen dafür insgesamt 1.145 zusätzliche Mitarbeiter. Bisher gibt es erst Zusagen, 129 Fachleute zur Verfügung zu stellen.

Die Missionen „Triton“ und „Poseidon“, mit denen Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet werden, sind laut EU-Kommission nicht ausreichend finanziert. Nur 17 bzw. 18 EU-Mitglieder tragen zur Finanzierung bei.

Für die Flüchtlinge, die aus den Hot Spots umgesiedelt werden sollen, muss es in jedem Mitgliedsstaat ein Aufnahmezentrum geben. Die Mitgliedsstaaten sollen der Kommission deshalb mitteilen, ob sie diese Kapazitäten bereits zur Verfügung stellen können. Lediglich sechs Staaten haben das bisher getan.

Mit dem EU-Katastrophenschutz-Mechanismus sollen Länder unterstützt werden, die besonders große Schwierigkeiten dabei haben, ankommende Flüchtlinge zu versorgen. Die Mitgliedsstaaten sollen der Kommission melden, was sie dazu beitragen wollen (Mitarbeiter, Ausrüstung, etc.). Bisher haben das nur acht Mitgliedsstaaten getan.

Es fehlen noch 2,5 Milliarden

Der größte Kritikpunkt der Kommission ist, dass zugesagtes Geld von den Mitgliedsstaaten bisher nicht geflossen sei. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Mitgliedsstaaten den gleichen Betrag leisten, der bereits aus dem EU-Haushalt beigesteuert wird. Bei ihrem Treffen im September hatten sich die Staats- und Regierungschefs geeinigt:

„Wir ersuchen die Organe der EU und unsere Regierungen, zügig an den von der Kommission vorgeschlagenen vorrangigen Maßnahmen zu arbeiten. Wir möchten, dass vor der Oktobertagung des Europäischen Rates in den dringendsten Fragen operative Entscheidungen […] getroffen werden.“

Vollmundig hatten die Staats- und Regierungschefs nach dem Gipfel eine Milliarde Euro für Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens angekündigt. Sie sollen unter anderem durch das Welternährungsprogramm und das UN-Flüchtlingshilfswerk unterstützt werden. 500 Millionen Euro kommen aus dem EU-Haushalt, der Rest von den Mitgliedsstaaten. Noch haben nur zehn Mitgliedsstaaten dazu einen Beitrag angekündigt. Es fehlen noch 225 Millionen Euro, wobei Großbritannien und Deutschland bisher den Löwenanteil stellen. Das ist besonders pikant, weil die EU-Länder in diesem Jahr ihre Hilfe für die Flüchtlingscamps teilweise drastisch heruntergefahren hatten – was als ein Hauptgrund für die gestiegenen Flüchtlingszahlen in der EU gilt.

Noch viel verheerender steht es bisher um den EU-Treuhandfonds für Syrien, mit dem Menschen im Land unterstützt werden sollen. Auch hier steuert die Kommission aus dem EU-Haushalt 500 Millionen Euro bei. Lediglich Italien (3 Mio) und Deutschland (5 Mio) beteiligen sich daran bisher. Es fehlen also noch 492 Mio Euro.

Um die Ursachen der Flucht in Afrika zu bekämpfen, hat die Kommission 1,8 Milliarden Euro in einen Notfall-Fonds für Afrika gesteckt. Einzig Deutschland, Luxemburg und Spanien haben dazu je drei Millionen Euro beigetragen.

Beitrag der einzelnen Mitgliedsstaaten

Beitrag der einzelnen Mitgliedsstaaten

Die Kommission liefert in ihrem Bericht gleich noch eine Auflistung mit, welche Staaten sich besonders engagieren, und welche bisher gar nichts beigetragen haben. Zu Letzteren zählen Estland, Irland, Slowenien und Ungarn. Spanien, Deutschland und Tschechien hingegen haben bereits in besonders vielen Bereichen einen Beitrag geleistet. Auch wenn zum Beispiel die Beteiligung mit Grenzschützern bei Frontex schwer mit einem Millionenbetrag für das UNHCR vergleichbar ist, so ist doch zumindest der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen signifikant.