Außenpolitik, Bundestag
Dies ist der Blick auf das "Haus der Bundespressekonferenz" im Spreebogen, wenn man Nachts um 23:20 auf dem Weg ins Studio ist. (c) Falk Steiner
Dies ist der Blick auf das "Haus der Bundespressekonferenz" im Spreebogen, wenn man Nachts um 23:20 auf dem Weg ins Studio ist. (c) Falk Steiner
16.10.2015

NSA-UA: Tarnmittelmaß

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Alle redeten von Selektoren, einige redeten von Drohnen. Und beides spielte im Bundestag am Donnerstag die Hauptrolle. Das eine rund um das Parlamentarische Kontrollgremium für die Nachrichtendienste, das andere im NSA-Untersuchungsausschuss, in dem der ehemalige US Air Force Drohnen-„Operator“ Brandon Bryant aussagte. Doch zu später Stunde gab eine Zeugin, die in einem anderen Kontext befragt wurde, Bemerkenswertes zu Protokoll.

Frau K. kam bereits zum zweiten Mal in den Ausschuss. Und Frau K. wird erneut kommen müssen. Denn Frau K. hat zwar beruflich früher viel mit Befragungen zu tun gehabt, aber selbst von den Abgeordneten – auch teils scharf – befragt, wirkte es nicht bloß wie Verunsicherung ob der ungewohnten Situation.

Frau K., Juristin, auberginefarbenes Haar, Brille, trat in einem hellgrünen Loden-Jackett auf. Ihre Aufgabe war bis 2014 die Leitung der Hauptstelle für Befragungswesen (HBW), einer „Behörde im Geschäftsbereich des Kanzleramts“. Oder wie Frau K. es ausdrückt: Sie war nicht Behördenleiterin, sondern „Leiterin des Tarnmittels“. Frau K. war nämlich eigentlich Referatsleiterin im BND – bis zur Abwicklung der Tarnorganisation HBW, die Flüchtlinge befragte.

Der Ablauf: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge suchte nach bestimmten Kriterien wie der Herkunft für den BND interessante Personen aus. Frau K.’s Mitarbeiter befragten diese dann, wenn die sich „freiwillig“ befragen ließen, „rezeptiv“, wie Frau K. es nennt. Was das heißen soll? Frau K. ist Spezialistin für nichtrezeptives Verhalten, denn „rezeptive Befragung“, so erklärt sie, sei die Abfrage dessen, was jemand freimütig ausplaudern wolle.

Ob dabei Handynummern erfragt wurden, wollten Abgeordnete aufgrund der vorangegangenen Befragung des Drohnen-Operators Brandon Bryant wissen. Die Antworten der Zeugin K.  schwankten von „Soweit ich weiß: nein“ über „Möglicherweise nicht“ bis hin zu „ich erinnere mich nicht“. Telefonnummern, IMSI und IMEI-Nummern: diese Merkmale scheinen maßgeblich für Drohnentötungen zu sein. Doch Frau K.’s Erinnerung, sie war gestern Abend selbst mit Auffrischung aus den Ausschussunterlagen wenig reanimierbar – ihr Antwortverhalten war alles andere als „rezeptiv“, offenbar wollte sie bloß nichts falsches oder Geheimes ausplaudern. Dabei schien die Rolle ihres Bereichs eigentlich vergleichsweise harmlos zu dem, womit andere Zeugen so hantierte.

Befragt wurde sie, weil die sogenannte HBW, einst von den Allierten gegründet, ein überaus enges Verhältnis mit einem befreundeten ausländischen Nachrichtendienst pflegte, dem militärischen Geheimdienst der US-Streitkräfte DIA. Die Defense Intelligence Agency durfte Flüchtlinge wohl teils alleine befragen – und noch besser für die US-Partner: sie durfte sich Befragungskandidaten wünschen und bekam wohl auch Ergebnisse der Befragungen. Und zwar auch Handynummern, scheint es, denn es gab vor Schluss der HBW-Tätigkeit eine Weisung, Handynummern zu verfremden, in dem sie verkürzt wurden.

Für die gemeinsame Befragung und die Datenweitergabe konnte die Juristin K. gestern die einschlägigen notwendigen Rechtsgrundlagen nicht genau benennen. Doch: immerhin ein Missverständnis ihrer ersten Vernehmung konnte Frau K. ausräumen: nein, bei der HBW durften nicht die Praktikanten die Flüchtlinge befragen. Nur einmal sei das vorgekommen. Ein gestandener Praktikant, so Frau K., sei das gewesen.