Berlin, Brüssel, EU-Kommission
Das Mauerstück "Kennedy Piece" wird vor der Kommission enthüllt. Foto: Jenny Genzmer
Das Mauerstück "Kennedy Piece" wird vor der Kommission enthüllt. Foto: Jenny Genzmer
10.11.2015

Am Thema vorbei

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Brüssel hat ein neues Berliner Mauerstück. Es trägt den restaurierten Konterfei von John F. Kennedy und soll an die Wiedervereinigung von Ost und West erinnern. Trotz hochkarätigem Podium und ebenso hohen Männerstimmen, die die Zeremonie untermalten, fehlte aber etwas Entscheidendes, findet unsere Autorin Jenny Genzmer.

Ein Männerduo schmettert die Europa-Hymne. Die Europaflagge hinter dem Glaskasten reflektiert das Bild von Jean-Claude Juncker, Kristalina Georgieva und Günther Oettinger. Der Einzige, den man auf dem Spiegelbild nicht erkennen kann, ist Wolfgang Schäuble. Auch er ist auf dem Podium und schaut andächtig zu, wie die Flagge das „Kennedy-Piece enthüllt“. Das restaurierte Mauerstück mit dem JFK-Konterfei steht ab jetzt vor dem Berlaymont, dem Gebäude der Europäischen Kommission, um an die Wiedervereinigung Deutschlands und an den Frieden in Europa zu erinnern.

An dieser Veranstaltung klingen aber nicht nur die Stimmen der beiden Sänger disharmonisch. Auch die Botschaft der Veranstaltung will nicht ganz überzeugen. Hatte nicht heute Morgen noch ein dpa-Interview mit Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn für Aufsehen gesorgt? Er befürchte, die Europäische Union könne angesichts der Flüchtlingskrise auseinanderbrechen; der „falsche Nationalismus“ könnte gar zu einem richtigen Krieg führen. Dazu kein Wort? Wäre die Enthüllung eines europäischen Friedenszeichens, das für das Zusammenwachsen von Nationen steht, nicht ein richtiger Moment gewesen, hier ein deutliches Signal für die Haltung Europas in der Frage auszusenden, die den Kontinent im Moment am meisten herausfordert? Zumindest eine Reaktion Jean-Claude Junckers auf die Äußerungen seines luxemburgischen Außenministers? Hier wurden persönliche Geschichten aus der Zeit der deutsch-deutschen Teilung erzählt. Schäuble findet besonders diesen Mauer-Ausschnitt gut gewählt – weil er nicht nur an die Europäische Union, sondern auch an die atlantische Allianz erinnert. Man ruht sich aus auf den Schultern der Geschichte und bleibt angesichts der gegenwärtigen Frage – wie Europa eine erneute Teilung verhindern kann – kommentarlos.

Als die Herren, schon spät dran, zum Treffen der Eurogruppe eilen, bleibt mir nur noch die bulgarische Vize-Kommissarin für ein Statement. Es sei ein guter Moment, sagt sie mir, und ein guter Ort, um daran zu erinnern, was es heißt, Krieg auf unserem Kontinent zu haben, was es heißt, zusammenzustehen und die Einheit von Europa zu schützen.

 

 

Aber auf meine Frage, wie sie zu Asselborns Befürchtungen stehe, kann sie nur diplomatisch antworten. Es seien harte Zeiten für Europa. Sie kenne kein Land in der Welt, das eine Million Menschen in einer so kurzen Zeit aufgenommen hat, ohne unter Druck zu geraten. Die Kommissarin glaubt daran, dass Europa stark genug ist, mit der Krise umzugehen. Ein wichtiger Punkt sei dabei, auf die Nachbarländer zu schauen, in denen die meisten Flüchtlinge landen. Jordanien, Libanon, Türkei. Ihnen zu helfen, bedeute uns selbst zu helfen.

 

 

Wären das keine Worte für das Podium gewesen?