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Horst Seehofer (CSU, l-r), Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) / Foto: Wolfgang Kumm/dpa
22.11.2015

Alles eine Frage des Wordings?

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CSU-Parteitag am Wochenende und alle schauen vor allem auf einen Satz: „Wir brauchen eine Obergrenze“ steht da im Leitantrag der Christsozialen.

Die Kanzlerin hat dem am CSU-Parteitag eine Absage erteilt. Und Horst Seehofer hat ihr wiederum klar gemacht: Die CSU will eine Obergrenze.

Auch die SPD hat sich daraufhin zu Wort gemeldet.

Die Debatte, die sich jetzt entspinnt, wirft die Frage auf, ob die drei Koalitionsparteien – CDU, CSU und SPD – tatsächlich so weit voneinander entfernt sind, wie es so mancher darstellt. Ein Blick in die Argumentationen:

 

Schaut man zunächst auf den Leitantrag der CSU, dann  steht da tatsächlich dieser eine Satz. Aber das ist nur die Überschrift. Denn im Text dazu kommt das Wort „Obergrenze“ kein einziges Mal mehr vor. Dort steht:

„Die Staatengemeinschaft muss gemeinschaftlich Kontingente festlegen und Flüchtlinge fair verteilen. In der EU muss es feste Flüchtlingskontingente und feste Quoten der Verteilung geben. Für dieses Jahr hat Deutschland sein Soll mehr als erfüllt. Wir sind in Vorleistung getreten. Deshalb soll Deutschland für nächstes Jahr ein Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend seiner leistbaren Kapazitäten festlegen.“

 

Also: Kontingente, erstmal nur für das kommende Jahr, sollen festgelegt werden. Und zwar am besten nicht nur von und für Deutschland, sondern für und mit den Staaten der EU. Interessant ist auch der Verweis auf die Bürgerkriegsflüchtlinge, der wohl zeigen soll, dass die CSU hier nicht das Grundrecht auf Asyl an sich in Frage stellt. Eine Zahl nennt die CSU nicht. Zu den „leistbaren Kapazitäten“, nach denen dieses Kontingent festgelegt werden soll, zählt unter anderem die Integrationsfähigkeit Deutschlands. So zumindest erklärt es der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, vor wenigen Tag im Deutschlandfunk.

Nun zur CDU. Innenminister Thomas de Maiziere greift nun seine alte Idee von vor wenigen Monaten wieder auf: In einem Spiegel-Interview sagte er im September, er habe eine Vision:

„Der richtige Weg wäre, dass wir uns in der EU zu festen großzügigen Kontingenten für die Aufnahme von Flüchtlingen verpflichten.“

Jetzt spricht er in der Bild am Sonntag wieder von der Kontingenten:

„Ein Kontingent bedeutet automatisch eine Begrenzung der Anzahl von Flüchtlingen“

Und Bundeskanzlerin Merkel: Die spricht auch von Kontingenten. Der Weg geht aus ihrer Sicht zunächst über Verhandlungen mit der Türkei und die Frage, wie viele Flüchtlinge Europa von der Türkei übernehmen könnte, um diese dann über einen Schlüssel in der EU zu verteilen.

 

Und dann ist dann noch die SPD. Lehnte die noch vor einiger Zeit Kontingente ab, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nun im Tagesspiegel: 

 

„Der Deutsche Bundestag sollte in Abstimmung mit der Europäischen Union und dem UNHCR jedes Jahr aufs Neue über die Größe der Kontingente von Flüchtlingen entscheiden, die wir aufnehmen können. Dabei  sollten wir immer im Auge behalten, wie viele Menschen wir integrieren können und wie gut unsere Integrationsmaßnahmen sind.“

 

Also ebenfalls, wie bei der CSU: Kontingente, festgelegt für ein Jahr – und der Maßstab dafür: Die Integrationsleistung. Was in Oppermanns Interview sogar fehlt: Die Forderung, dass alle EU-Staaten zu Kontingente akzeptieren sollen, was aber mit dem Verweis auf die Abstimmung mit der EU gemeint sein könnte.

 

Am Ende bleibt der Eindruck, die SPD und die CSU und auch Teile der CDU sind sich tatsächlich offenbar nicht allzu fern, was die jeweiligen Forderungen betrifft. Die Frage ist hier vor allem das Wording. Denn die CSU will vom Wort „Obergrenze“ nicht Abstand nehmen, selbst wenn sie eigentlich Kontingente meint und auch schon einmal mit „Reduzierung“ der Zahl der Flüchtlinge einverstanden war, nämlich als Merkel und Seehofer sich Anfang November auf ein gemeinsames Papier geeinigt hatten. Die SPD hingegen will von einer Obergrenze nichts hören, bleibt bei den Kontingenten. Grundsätzlich scheint die Differenz inhaltlich zur CSU in dieser Frage allerdings – zumindest was Thomas Oppermann betrifft – nur marginal zu sein. Und der Unterschied zur CDU, vor allem zu Merkel? Der scheint vor allem die Reihenfolge zu sein. Denn sowohl Merkel als auch de Maiziere betonen die EU-Kontingente. Der erste Schritt für Merkel sind sogar die Verhandlungen mit der Türkei. Während es vor allem bei der CSU so klingt, als wäre es egal, ob nun zuerst ein nationales Kontingent festgelegt wird oder sich die EU einigt. Hauptsache es geht schnell.

Kommentare zu diesem Beitrag (2)

  1. Norbert Strauch | 24. November 2015, 1:54 Uhr

    Handeln statt Reden

    Frau Merkel hat in ihrer Trauerrede Helmut Schmidt ein Vorbild genannt.
    Es wäre schön wenn Frau Merkel endlich auch im Stil von Helmut Schmidt regiert. Während der Flutkatastrophe in Hamburg hat er gehandelt und das Notwendige eingeleitet. Über politische Grenzen und Gesetze hinweg.
    Der RAF hat er nicht nachgegeben, auch wenn es Menschenleben gekostet hat. Er hat sich über Widerstände hinweggesetzt und im nachhinein immer richtig geahndelt.
    Also bitte ich sie, Frau Merkel, handeln sie, unternehmen sie etwas. Und es ist mir und den vielen Flüchtigen egal ob es Trabsitzonen oder Einreisezentren, Obergrenzen oder Kontingente gibt. Ist im Prinzip das gleiche und über den Namen zu streiten ist angesichts der Lage fast schon Menschebverachtend.

  2. k.-h. andresen | 30. November 2015, 16:34 Uhr

    Ablenkungsmanöver

    Politiktypisch wird abgelenkt von der Tatsache, daß kein Asylbewerber ein Recht hätte, hier einen Antrag zu stellen. Art. 16a,II GG wird mit allen Methoden unterdrückt, damit bloß niemand bemerkt, daß keiner von den großzügig Eingeladenen hier bleiben darf.
    Merkel würde sich schwerst blamieren – und der Rest der Koalition ebenso.

    Auch die diversen Gesetzesverstöße der Bundesregierung und der Länder angesichts der Duldung rechtswidrigen Eindringens der sogenannten Flüchtlinge sollen unter den Teppich gekehrt und vergessen gemacht werden.
    Seit der Gründung der BRD gab es wohl kaum eine Summe derartiger Rechtsverstöße seitens der Regierungen in Bund und Ländern wie gerade jetzt.

    So ist es eben, wenn die Regierungsspitze von purer Gesinnungsethik beseelt alle Bindung an Recht und Gesetz fallen läßt – entgegen jede Vernunft und die Verfassung.
    Soll sich nun die Bevölkerung daran ein leuchtendes Beispiel nehmen – und Recht und Gesetz ebenso links liegen lassen?