Brüssel, Europaparlament
Viele Abgeordnete werden mit Anfragen nach Gesprächsterminen bombardiert. Foto: Thomas Otto
Viele Abgeordnete werden mit Anfragen nach Gesprächsterminen bombardiert. Foto: Thomas Otto
04.12.2015

Lobby-Transparenz per Plugin

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Abgeordnete treffen sich regelmäßig mit Lobbyisten und lassen sich über deren Positionen informieren. Was prinzipiell völlig legitim und teilweise auch notwendig ist, findet aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. All diese Treffen zu veröffentlichen, würde auch unnötig viel neue Bürokratie mit sich bringen, fürchten Kritiker. Diese Ausrede gilt nun nicht mehr, denn einige Abgeordnete haben nun eine Software vorgestellt, mit der sämtliche Lobbyisten-Meetings automatisch publiziert werden können.

Welcher Abgeordneter des Europaparlaments hat sich wann mit welchem Interessenvertreter getroffen? Diese Informationen sind bisher geheim – oder besser gesagt: Es liegt in der Hand der Abgeordneten, sie zu veröffentlichen. Damit würden die Politiker ihre Arbeit deutlich transparenter machen und dem Vorbild der EU-Kommissare folgen (die – wenn auch sehr versteckt und für den Außenstehenden kaum zu überblicken – ihre Treffen ins Netz stellen). Zwar ist es eher unwahrscheinlich, dass so mögliche Skandale und Verstrickungen ans Tageslicht kämen. In erster Linie würde so aber für jeden Bürger sichtbar, aus welchen Quellen sich Abgeordnete informieren, wer ihnen gegenüber seine Interessen vorträgt und wie das Zahlenverhältnis der Treffen mit Vertretern von Industrie- und Bürgerinteressen aussieht.

Zumindest ein Verzeichnis der Brüsseler Lobbyisten gibt es schon – womit die EU vielen Hauptstädten, einschließlich der Berliner Politik-Blase, um Einiges voraus ist. Auch wenn dieses Verzeichnis nicht verpflichtend ist. Und auch, wenn die Angaben im Transparenz-Register nicht überprüft werden. Nach der vergangenen Europawahl sind 180 Abgeordnete ins Parlament eingezogen, die die Kampagne „Politics for People“ der lobbykritischen NGO Lobbycontrol unterstützen und damit versprochen haben, Transparenz im Parlament voran zu bringen.

Nun machen die Grünen zusammen mit der Piraten-Abgeordneten Julia Reda einen weiteren Schritt in Richtung Transparenz: Wie Reda auf ihrem Blog beschreibt, hatte sie zunächst begonnen, all ihre Lobby-Meetings händisch zu erfassen und zu veröffentlichen. Händisches Erfassen führt bei einem Digital Native zu folgendem Reflex: Das muss sich doch automatisieren lassen. Daraus ist ein Tool entstanden, dass die Abgeordneten in ihre digitalen Terminkalender integrieren und mithilfe dessen sie mit zwei Klicks jegliche Termine ihres Kalenders als Treffen mit Lobbyisten markieren und veröffentlichen können. So können bereits jetzt alle Treffen der Abgeordneten der Grünen-Fraktion, die das Tool nutzen, hier eingesehen werden.

Bisher nutzt nur eine Handvoll Abgeordneter das Tool, um ihre Treffen mit Interessenvertretern transparent zu machen. Nach allem, was man aus dem Parlament hört, liegen die größten Vorbehalte aber nicht etwa darin, dass Abgeordnete Treffen nicht veröffentlichen zu wollen. Vielmehr müsse nun Überzeugungsarbeit geleistet werden, dass die Technik keine signifikante Mehrarbeit für die Mitarbeiter der Abgeordneten bedeute, heißt es von Seiten der Initiatoren.


Auch der Deutschlandfunk setzt sich für Transparenz ein und will mit gutem Beispiel voran gehen. Deshalb folgt nun die Liste der Termine des Autors aus dieser Woche*:

 

30.11.2015:

  • Jahresend-Pressekonferenz der Vereinigung belgischer Chocolatiere; Vorstellung und Verkostung des Adventskalenders „Trüffel in 24 Variationen“
  • Informationsabend mit Vertretern der Energiewirtschaft; Sektempfang und Häppchen

 

01.12.2015:

  • Besuch bei Maison Antoine; Information über kulinarische Spezialitäten aus Belgien
  • Arbeitsgruppe „Chemtrail“, Seminar: Vertuschen für Fortgeschrittene; Bewirtung: Windbeutel mit einem Hauch geheimer Substanzen
  • Galaabend des Verbandes Belgischer Friture-Gastronomen – Wahl zur Fritte des Jahres; leichte Kost: zweifach in Rindernierenfett gebackene Kartoffelstäbchen, serviert mit diversen mayonnaisehaltigen Soßen

 

02.12.2015:

  • Informationsfrühstück im EU-Parlament; Kaffee und Croissants
  • Treffen des Freundeskreises „Neue Weltordnung“; Es wird serviert: heiße Gerüchte (seinen Senf bringt jeder selbst mit)
  • Besuch bei Maison Antoine; Information über kulinarische Spezialitäten aus Belgien

 

03.12.2015:

  • Frühstücks-Talk im Parlament; Kaffee, Obst, Pain au chocolat
  • Advents-Empfang der belgischen Bierbrauer; diverse lokale Hopfen-Kaltschalen, insbesondere Trappisten-Biere, Lambic-Spezialitäten und Triple-Biere.

 

04.12.2015:

  • Arztbesuch, Überweisung zur Hepatologie
  • Freitags-Briefing der US-Botschaft: Vorgaben zur Berichterstattung der kommenden Woche; ohne Verköstigung
  • Besuch bei Maison Antoine; Information über kulinarische Spezialitäten aus Belgien

*Satire