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"Wumm" macht der Panzer der griechischen Armee. Im Online-Journalismus sind Symbolbilder unerlässlich. Und Panzer klicken sich immer gut! Auch, wenn sie mit dem Thema gar nichts zu tun haben. Foto: army.gr.
"Wumm" macht der Panzer der griechischen Armee. Im Online-Journalismus sind Symbolbilder unerlässlich. Und Panzer klicken sich immer gut! Auch, wenn sie mit dem Thema gar nichts zu tun haben. Foto: army.gr.
10.02.2016

10 Tage, die jeder Journalist kennen muss!

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Es gibt Ereignisse, nach denen können wir Journalisten die Uhr stellen:  der Internationale Frauentag am 8. März, der Tag der Arbeit am 1. Mai – und der Safer Internet Day, in diesem Jahr am 9. Februar. Wir verraten die geheimen Tricks, wie routinierte Kalender-Journalisten ohne viel Mühe ihre Sendungen und Seiten füllen. Nummer 8 wird Sie total umhauen!

Gut geplant ist halb gewonnen – nach diesem Motto planen Redaktionen oft schon lang im Voraus ihre Berichterstattung der kommenden Wochen und Monate. Oft ist das ja auch sinnvoll: Die Live-Schalten am Wahlabend einer Landtagswahl wollen journalistisch wie auch technisch gut vorbereitet sein. Ein hintergründiger Bericht zum Jahrestag eines bestimmten Ereignisses braucht Zeit und muss deshalb mit entsprechendem Vorlauf geplant werden. Manche Journalisten übertreiben das Vorbereiten aber, oder planen – vielleicht auch aus Einfallslosigkeit – Sendungen/Zeitungsseiten/Online-Artikel generell nach dem Kalender. Um es unseren Kollegen also etwas leichter zu machen, hier nun unsere

 

Top-10-Liste der wichtigsten, sich wiederholenden Termine, die jeder Kalender-Journalist kennen muss!

 

1. Safer Internet Day (2. Tag der 2. Woche des 2. Monats)

Safer-Internet-Day-Symbolbild: Irgendwer, der irgendwas an irgendeinem Rechner im Netz macht © European Union

Safer-Internet-Day-Symbolbild: Irgendwer, der irgendwas an irgendeinem Rechner im Netz macht © European Union

Beginnen wir mit dem heutigen Safer Internet Day. Unter dem feschen Motto „Play your part for a better internet“ wird mal wieder für die Gefahren im Netz sensibilisiert. Ein Nerd, der erklärt, wie leicht man seine E-Mails verschlüsseln kann, findet sich in jedem Archiv. Dazu vielleicht noch ein Statement einer Jugendschützerin, die vor Cybermobbing, Cybercrime und Cybersex warnt – Hauptsache ganz viel Cyber – und fertig ist die Laube!

 

2. Earth Hour (letzter Samstag im März)

Auf einer Baustelle befindet sich diese stromlose Glückbirne. Aufgenommen in Köln am 06.04.2015. Foto: Maximilian Schönherr

Auf einer Baustelle befindet sich diese stromlose Glückbirne. Aufgenommen in Köln am 06.04.2015. Foto: Maximilian Schönherr

Überall auf der Welt versammeln sich Menschen vor hell erleuchteten Stadt-Silhouetten, reisen dafür von weit her mit dem Flieger oder ihrem SUV an und „feiern“ die Rettung der Erde. Denn für eine Stunde gehen alle Lichter aus. Den Fernsehredakteur freut’s, gibt das doch schöne Bilder. Und zwar jedes Jahr aufs Neue. Wozu da teuer Material aus aller Welt einkaufen? Fix ins Archiv geschaut und eine NiF (Fernseh-Sprech für „Nachricht im Film“) zusammengeschraubt – wieder sind 30 Sekunden kostengünstig gefüllt. Der Haken: Würde über die Earth Hour nicht berichtet und stattdessen Stille gesendet und die Zeitungsspalte weiß gelassen werden: Man könnte so ein Vielfaches an CO2 einsparen.

 

3. Welttag des geistigen Eigentums (26. April)

Aus Urheberrechtsgründen kann dieses Bild nicht angezeigt werden.

Aus Urheberrechtsgründen kann dieses Bild nicht angezeigt werden.

Ein wahrer Feiertag für alle Inhalteanbieter, auf Denglisch die „Content-Industrie“. Die sympathische Kampagne „Raubkopierer sind Verbrecher“ hat nicht gereicht.  Ihrem Kampf gegen Urheberrechtsverletzer haben die Medien-Konzerne sogar einen „Feiertag“ gewidmet. Gut, den Begriff „Raubkopierer“ gibt es weder im deutschen Strafrecht, noch gilt Urheberrechtsverletzung als Verbrechen. Und ein Kopiergerät, das alten Damen unter Anwendung von Gewalt die Handtaschen stiehlt, ist auch schwer vorstellbar. Aber darum soll es heute auch gar nicht gehen, sondern darum, dass Urheberrechtsverletzung unsere Kultur kaputt macht. Leider wird an diesem Tag nicht berichtet, wie viel Geld bei den eigentlichen Kreativen am Ende des Verwertungsprozesses ankommt.

 

4. Welt-Fischbrötchen-Tag (1. Samstag im Mai)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem Heringsbrötchen im Sassnitzer Hafen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem Heringsbrötchen im Sassnitzer Hafen. Foto: Andreas Küstermann dpa/lmv +++(c) dpa – Report+++

In einer Region, in der die Menschen sonst nichts haben, als ihre harte tägliche Arbeit, da muss man sich auch mal einen „Feiertag“ ausdenken. So geschehen mit dem Welt-Fischbrötchen-Tag. Was heute morgen noch fröhlich durch die Ostsee schwamm, wird nun zwischen zwei pappige Brötchenhälften gepresst und von gierigen Touristen verschlungen. Wohl bekomms! Der perfekte Anlass, um über die Überfischung der Meere und die Schwermetallbelastung der maritimen Fauna zu berichten. Fürs Fernsehen besonders reizvoll: Ein Beitrag über Plastikmüll im Meer mit schönen Bildern dessen, was Umweltschützer so alles in Fischmägen finden. So schließt sich der Kreis und das, was wir achtlos ins Meer kippen, kommt zu uns wieder zurück.

 

Sommerloch

Nun ist (leider) Kreativität gefragt, denn im Sommerloch machen sich auch die „Feiertage“ rar. Hier heißt es: Frühzeitig planen! Denn im Juni macht auch der Kollege vom Archiv Urlaub. Glücklicherweise stehen die Semesterferien vor der Tür. Das heißt: willige Praktikanten so weit das Auge reicht. So gelingt dann der X-te Aufguss der alten Sommerlochthemen vom Vorjahr. Und mit etwas Glück findet sich auch ein(e) ausgebüchste(s) Schnappschildkröte/Wasserschlange/Krokodil im nächstgelegenen Baggersee.

 

5. Tag des offenen Denkmals (2. Wochenende im September)

Doornkaat-Denkmal am Ortseingang der Stadt Norden.

Doornkaat-Denkmal am Ortseingang der Stadt Norden. Ob am Tag des offenen Denkmals die Pulle geöffnet wird?

Die alte Mühle am malerischen Bach, das historische Wohnhaus am Marktplatz oder das große Kriegsdenkmal aus napoleonischer Zeit: Heute macht die Familie einen Ausflug. Und wer keinen Ausflug macht, muss das Ganze medial über sich ergehen lassen. Der große Vorteil von Denkmälern: Sie laufen nicht weg. Und so kann auch der alte Beitrag aus der letzten echten Schmiede in Kleinkleckersdorf noch einmal gesendet werden. Achtung an alle TV-Kollegen: Das Alter eines Beitrages fällt auf, wenn alle im Bild zu sehenden Personen Vokuhila oder Minipli (oder beides in Kombination) tragen.

 

6. Welt-Ei-Tag (2. Freitag im Oktober)

Ein aufgeschlagenes Ei liegt zwischen anderen weißen Eiern in einem Karton

Schlicht und überzeugend: Ein aufgeschlagenes Ei liegt zwischen anderen weißen Eiern in einem Karton. Foto: Armin Weigel

Wieder so ein Termin aus der Kategorie „Sowas können sich auch nur PR-Agenturen ausdenken“. Am Welt-Ei-Tag soll für Eier geworben werden. Nicht mehr und nicht weniger. „Nimm ein Ei mehr!“ hieß es schon in der DDR der 60er Jahre, als es zumindest davon mehr als genug gab. Und seit es in Deutschland keine Käfighaltung mehr gibt, können wir mit gutem Gewissen am Welt-Ei-Tag über gutes und schlechtes Cholesterin, die geheimnisvollen Aufdrucke auf den Eiern und die neueste „Zwei-Dutzend-Eier-Omelett-High-Protein“-Diät aus Hollywood berichten. So wird das eine runde (oder besser ovale, hihihi) Sache – wahrlich das Gelbe vom Ei. Ein wahrer Freudentag für Wortspiel-Fetischisten! Allerdings: Für solch einen Beitrag braucht es schon die entsprechenden…

 

7. Internationaler Tag der Elektromobilität (25. Oktober)

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Eröffnungsrundgang auf der Hannover Messe 2010. Foto: Marcus Brandt dpa/lni

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Eröffnungsrundgang auf der Hannover Messe 2010. Foto: Marcus Brandt dpa/lni

Bald fahren wir alle nur noch mit Elektroautos. Wirklich, können Sie glauben! So hat es uns die Kanzlerin versprochen. Im Jahr 2020 soll es eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen geben. Am heutigen Internationalen Tag der Elektromobilität lässt sich doch bestimmt eines davon finden, oder? Vielleicht hat die Kommune ja probehalber eines im Betrieb? Nein? Oder bei einem Autohändler? Auch nicht? Aber so eine Ladestation gibt es doch bestimmt irgendwo…ach vergessen Sie es, das Thema ist gestorben. Den „Internationalen Tag der Elektromobilität“ hat es übrigens seit 2010 auch nicht mehr gegeben.

 

8. Welt-Toiletten-Tag (19. November)

Ein Loch im Boden zwischen zwei für die Füße vorgesehenen Flächen sind Bestandteil einer Toilette in Charkiw (Ukraine). Foto: Soeren Stache/dpa

Ein Loch im Boden zwischen zwei für die Füße vorgesehenen Flächen sind Bestandteil einer Toilette in Charkiw (Ukraine). Foto: Soeren Stache/dpa

Endlich mal so ein richtig schönes Pipi-Kacka-Thema, mit dem auch seriöse Medien mal über etwas Schmuddeliges berichten können (muss ja nicht immer Pegida sein). Mit viel Hihi und Hoho kann der zuständige Redakteur das Thema auf der Redaktions-„Sitzung“ vorstellen und so das übliche Tages-„Geschäft“ etwas auflockern, hihihi. Ein Klassiker für die „Bunte Meldung zum Schluss“.

Dass es damit einen ernsthaften Hintergrund hat, weil  laut UN mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung keine ausreichend hygienischen Sanitäreinrichtungen haben, fällt dabei gern mal…hinten runter.

 

9. Welt-Orgasmus-Tag (21. Dezember)

Ob es für Gott ein besonderer „Höhepunkt“ war, als er den kleinen Jesus in Marias Schoß gelegt hat – wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Wenn es draußen stürmt und schneit, dann rückt man gern etwas näher zusammen. So kurz vor Weihnachten bietet der Welt-Orgasmus-Tag eine wunderbare Ausrede Gelegenheit, das auf die Startseite zu packen, was wirklich Klicks zieht: Titten! Eine kurze Google-Suche nach diesem Festtag der fleischlichen Freuden zeigt: „Bild“, der schweizer „Blick“, der „Berliner Kurier“ und der „Stern“ erfreuen sich ganz besonders an diesem Ereignis.

 

10. Welt-Jogginghosen-Tag (21. Januar)

Torwart Gabor Kiraly vom TSV 1860 München trägt auch auf Arbeit gern Jogging-Hose. Foto: Oliver Mehlis dpa

Torwart Gabor Kiraly vom TSV 1860 München trägt auch auf Arbeit gern Jogging-Hose. Foto: Oliver Mehlis dpa

An Belanglosigkeit kaum zu überbieten spricht der Welt-Jogginghosen-Tag doch jeden Leser/Hörer/Zuschauer bei einem ganz persönlichen Bedürfnis an: Heute darf man ungestraft im Schlabberlook ins Büro kommen. Der einfallsreichelose Journalist befragt fix einen „Mode-Experten“ aus der Reihe der Z-Promis zu dessen Jogginghosen-Styling-Tipps und schon ist sie fertig, die „Bunte Meldung zum Schluss“.

 

Disclaimer

Einen Vorteil hat der Kalender-Journalismus natürlich: Über ein „Ereignis“, das jedes Jahr mit gewohnter Routine eintritt, kann auch mit gewohnter Routine berichtet werden. Welcher Leser/Hörer/Zuschauer erinnert sich noch an den Text zum Safer Internet Day vom vergangenen Jahr? Und warum einen neuen Beitrag mit Tipps zum sicheren Surfen in Auftrag geben, wenn die Tipps des Experten von 2015 immer noch aktuell sind? Recycling ist das Stichwort! Der gute Kalender-Journalist spart seinem Arbeitgeber so viel Geld und sich selbst viel Arbeit.

Auch das Deutschlandradio kann sich nicht ganz davon frei sprechen, über solche feststehenden, künstlichen Ereignisse zu berichten. Und oft gibt es für diese Termine auch einen ernsthaften Hintergrund: Mit Veranstaltungen wie dem Welt-Nichtraucher-Tag oder dem Welt-Tollwut-Tag soll Aufmerksamkeit für ernstzunehmende Probleme geschaffen werden. Allein: Wenn sich für fast jeden Tag im Jahr ein solches Ereignis findet und wirklich wichtige Themen zwischen allerlei PR-Ereignissen untergehen, schwindet auch deren Wirkung.

Ein fester Termin, den jeder Kalender-Journalist fest eingeplant hat, fällt in diesem Jahr übrigens leider aus: Der Benzinpreis-Schock-vor-Ostern-Tag.