Brüssel
Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim Eintreffen in Brüssel © The European Union
Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim Eintreffen in Brüssel © The European Union
25.03.2016

SIS, VIS, EURODAC?

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Die Anschläge von Brüssel haben es endgültig bewiesen: So viele Datenbanken es für die nationalen Ermittlungsbehörden auch gibt, sie werden nicht richtig genutzt. Das soll nun alles besser werden, haben die EU-Innenminister bekräftigt. Ein Blick in den Datenbank-Dschungel.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte nach den Anschlägen von Brüssel unter anderem einen besseren Informationsaustausch zwischen den Ermittlungsbehörden der EU-Mitglieder gefordert. Falk Steiner hatte in seinem Artikel daraufhin dokumentiert, dass es diese Absichtserklärungen seit mindestens sieben Jahren gibt. Nun wird es etwas konkreter. Im Abschlussdokument ihres Treffens in Brüssel fordern die EU-Innenminister:

„Die systematische Dateneingabe, die einheitliche Verwendung und die Interoperabilität europäischer und internationaler Datenbanken in den Bereichen Sicherheit, Reisen und Migration müssen dringend verstärkt werden; dazu ist die uneingeschränkte Nutzung technologischer Entwicklungen und die Einbeziehung von Vorkehrungen für den Schutz der Privatsphäre von Anfang an erforderlich. Dies ist von besonderer Bedeutung für eine zuverlässige Identitätsprüfung. Die Kommission wird in den kommenden Wochen eine Mitteilung über intelligente Grenzen und Interoperabilität vorlegen. In diesem Zusammen-hang sollten die Arbeiten an der Entwicklung eines in das Schengen-Informationssystem (SIS) integrierten automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystems beschleunigt werden. Der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung, der Vorsitz, die Kommission, die einschlägigen Agenturen und Experten werden ihre Kräfte bündeln, um bis Juni 2016 konkrete Ergebnisse vorzulegen, insbesondere im Hinblick auf eine bessere Erhebung, Überprüfung und Verknüpfung von Informationen im Bereich der Terrorismusbekämpfung.“

Auf europäischer Seite sind mit den angesprochenen Datenbanken in den Bereichen Sicherheit, Reisen und Migration vor allem das Schengener Informationssystem, EURODAC und das Visa-Informationssystem gemeint. Mit Interoperabilität ist gemeint, dass diese Daten miteinander verbunden werden sollen. Das bringt nicht nur technische, sondern vor allem rechtliche Probleme mit sich. Denn aus Datenschutzgründen ist genau das bisher so nicht vorgesehen.

 

Schengener Informationssystem SIS

Das Schengener Informationssystem ermöglicht den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden der Schengen-Länder und Irlands und des Vereinigten Königreichs (letztere beide mit Ausnahmen), der europäischen Polizeibehörde Europol und der EU-Justizbehörde Eurojust. Im SIS werden Informationen über Personen und Gegenstände verwaltet. Die Details regelt die Verordnung über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II).

Die Gründe dafür, dass eine Person im SIS eingetragen wird, sind unterschiedlich: Eine Person wird gesucht, weil sie ausgewiesen werden soll; einem Drittstaatsangehörigen soll die Einreise in den Schengen-Raum verweigert werden; nach vermissten Personen wird gefahndet, weil für sie selbst gefährdet sind oder von ihnen für andere eine Gefahr ausgeht; nach Angeklagten oder Zeugen in einem Gerichtsverfahren wird gesucht; eine Person soll überwacht oder kontrolliert werden, weil es den begründeten Verdacht gibt, dass sie Straftaten begehen könnte.

Außerdem kann mithilfe des SIS nach folgenden Gegenständen gefahndet werden: Fahrzeuge, Anhänger und Wohnwagen, Waffen, Blankodokumente und Identitätspapiere, Banknoten.

Datensätze innerhalb des SIS können von Behörden miteinander verknüpft werden, wenn beispielsweise nach einer Mutter und ihrem Kind gesucht wird. Außerdem können „Zusatzinformationen“ mit Datensätzen verbunden werden. Mit Stand Januar 2013 waren im SIS 46,5 Mio Einträge erfasst.

Datenschutz

Der Zugang zu den Daten ist ist für jeden Benutzer darauf beschränkt, welche Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. Internationale Organisationen oder andere Staaten haben keinen Zugriff auf die Daten. Zwar werden Daten wie Fingerabdrücke, körperliche Merkmale oder der Grund des Eintrages erfasst. Ausgeschlossen sind allerdings Informationen über enthnische Zugehörigkeit, politische Einstellungen, religiöse oder weltanschauliche Einstellungen, Gewerkschaftsmitgliedschaften und Informationen zu Gesundheit und Sexualleben.

 

Fingerabdruck-Datenbank EURODAC

In der EURODAC-Datenbank werden alle Fingerabdrücke aufgenommen von Asylbewerbern, Personen, die bei der illegalen Einreise in einen EU-Mitgliedsstaat angetroffen werden und von Personen, die sich illegal in einem der Mitgliedsstaaten aufhalten (insofern diese Personen über 14 Jahre alt sind). Mithilfe der Datenbank soll die Umsetzung der Dublin-Verordnung erleichtert werden. Die Umsetzung der Datenbank in in der Verordnung 2725/2000 des Rates geregelt.

Datenschutz

Die Daten dürfen nur für die im Dubliner Übereinkommen vorgesehenen Zwecke verwendet werden: Zu prüfen, wer für einen Asylantrag zuständig ist, einen Asylantrag selbst zu prüfen und allen mit dem Übereinkommen verbundenen Verpflichtungen nachzukommen.

 

Visa-Informationssystem VIS

Im VIsa-Informationssystem werden alle Informartionen zu Visa-Anträgen für den Schengenraum erfasst. Damit sollen Anträge auf ein Visum leichter bearbeitet und Betrugsversuche besser bekämpft werden können. Die Datenbank umfasst neben herkömlichen Identitätsinformationen auch die Fingerabdrücke der Visumsinhaber.

Datenschutz

Zugriff auf die Daten haben nur Mitarbeiter der zuständigen Behörden, um Visumanträge zu bearbeiten, die Identität bei der Einreise festzustellen, illegale Einwanderer abzuschieben und bei der Entscheidung über einen Asylantrag zu helfen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen haben Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die Daten, wenn es beispielsweise um terroristische und andere schwere Straftaten geht.

 

Parlament soll PNR verabschieden

Die Innenminister fordern außerdem, Fluggastdaten zwischen den EU-Ländern auszutauschen. Also wer hat wann welches Flugzeug mit welchem Ziel betreten, wo gesessen, über welches Konto bezahlt, welche Speisewünsche angegeben oder welche sonstigen Informationen (wie flug-relevante Gesundheitsinformationen) angegeben? Für diesen, unter Datenschützern umstrittenen, Datenaustausch gibt es bereits eine Einigung zwischen Rat und Parlament. Nach jahrelangem Streit hatten die Charlie-Hebdo-Anschläge schließlich den politischen Druck mit sich gebracht, doch einen PNR-Daten-Austausch zu verabschieden. Nun muss nur noch das Parlament darüber abstimmen. Das hätte längst geschehen sein sollen, wird bisher aber verzögert. Auch, weil ein ähnliches Abkommen mit Kanada zunächst noch vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden soll.