Außenpolitik, Berlin, Kommentare
Frank Capellan am Arbeitsplatz im HSS / Foto: Ansgar Rossi Deutschlandradio
30.03.2016

Berlin kuscht vor Ankara – Deutliche Worte gegenüber Erdogan wären angebracht!

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Welch ein diplomatisches Geschwurbel! Welch eine Ängstlichkeit! „Der deutsche Botschafter in Ankara wurde zu einem Gespräch eingeladen,“ erklärt uns allen Ernstes die Sprecherin von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, wohl wissend, dass Martin Erdmann gleich zwei  Mal dort antanzen musste.

„Er wurde einbestellt“, ja so könne das auch genannt werden, sagt sie erst auf Nachfrage. Eine „schärfere Form der Terminvereinbarung“ sei das gewesen, die akuteren Gesprächsbedarf signalisiere. Ein Satz mit Heute-Show-Qualitäten, die Satire kann weitergehen. Akuter Gesprächsbedarf…

Erdogan hat wie ein Rumpelstilzchen getobt, das war öffentlich zu sehen, als der deutsche Botschafter dem Prozess gegen zwei präsidentenkritische Journalisten beiwohnte. Berlin aber schwieg. Bis heute. „Es gibt diplomatische Wege, auf denen die Bundesregierung ihre Haltung zur Presse- und Meinungsfreiheit darlegt“, kontert Merkels Vize-Sprecherin auf den Vorwurf, gegenüber Ankara gekuscht zu haben. Genau dieser Eindruck aber wird heute noch einmal gestärkt. Es reicht einfach nicht zu erklären, Merkel und Steinmeier hätten doch immer wieder das Thema Presse- und Meinungsfreiheit auf die Tagesordnung gebracht. Wenn der Autokrat vom Bosporus zu immer abstruseren Attacken ansetzt, kann das nicht oft genug gebrandmarkt werden – öffentlich, laut und deutlich.

Erdogan führt Berlin und Brüssel vor, nur Tage vor dem EU-Türkei-Gipfel lässt er die Oppositionszeitung Zaman besetzen, er schert sich einen Dreck um europäische Werte, er will sein Land nicht an Europa heranführen, sucht allenfalls wirtschaftliche Vorteile, auch und gerade über die Flüchtlingsvereinbarung. Wenn wir uns gezwungenermaßen darauf einlassen, sollten wir wenigstens den Mumm haben, uns deutlich von seinen kläglichen Versuchen der Einflussnahme zu distanzieren. Ginge es nicht um Leib und Leben türkischer Journalisten, könnte man diese einfach als lächerlich abtun.

Zu glauben, ein deutscher Botschafter könnte auf seine Anweisung hin eine Satire-Sendung absetzen, demonstriert Erdogans Selbstüberschätzung. Wie gut, dass Martin Erdmann gegenhält, dass Deutschland einen besonders mutigen Botschafter in der Türkei sitzen hat, der Zeichen setzt und sich nicht einschüchtern lässt. Schade nur, dass er aus der Heimat zu wenig Rückendeckung erhält.

Übertriebene Rücksichtnahme gegenüber einer Türkei steht hier im Vordergrund. Ankara wird gebraucht, damit die Flüchtlingszahlen nicht wieder anschwellen. Warum eigentlich wurde der türkische Botschafter in Deutschland nicht einbestellt, als Erdogan gegen Zaman-Redakteure prügeln ließ?,  wurde heute völlig zu Recht gefragt. Zumindest eines hätten wir in den letzten Tagen erwarten dürfen:

Mehr Klartext und weniger Ängstlichkeit! 

(ar)

 

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. D.Schade | 6. April 2016, 0:07 Uhr

    stimme vollkommen zu. Wir lassen uns auf der Nase herumtanzen und zahlen auch noch dafür horrendes Geld. Nur das ist für die Katz. ‚Morgen‘ kommen noch mehr Flüchtlinge via Italien,
    das Wetter wird besser.
    Habe mir das lange überlegt: aber – es ist besser, keine Rettungsschiffe für ALLES einzusetzen. Wenn Flüchtlinge auf echten Schiffen in Seenot geraten – o.k. Hilfe. Wenn sie auf Schlauchbooten kommen, kennen sie ihr Risiko und können nicht mit Handy ‚Seenot ‚reklamieren. Entweder sie landen oder kannten ihr Risiko vorher..