Bundesregierung, Bundestag
Das Atomkraftwerk (AKW) Biblis / Foto: Boris Roessler dpa
08.04.2016

„Bezahlen sie zusammen oder getrennt?“

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Wie Atomkonzerne und Staat um die Finanzierung der Kosten des Atomausstiegs ringen….

Es ist ein altbekanntes Problem: Die Party ist vorbei, der Veranstaltungsraum muss aufgeräumt werden, und der Kellner bringt die hohe Rechnung. Dann bricht der große Streit aus, die weniger verantwortungsvollen Gäste versuchen sich davonzustehlen.

So ähnlich sieht es gerade im Verhältnis zwischen den deutschen Energie- bzw. Atomkonzernen und der Bundesregierung aus. Der Atomausstieg ist längst beschlossene Sache. 2022 soll der letzte Meiler in Deutschland vom Netz gehen.

Das ist in sechs Jahren. Es ist also offensichtlich, dass die Zeit drängt, um zu klären, wer was beim Aufräumen nach dem Atomzeitalter bezahlt und wie lange. Und wie überhaupt die Lagerung des radioaktiven Mülls organisiert werden soll, die unweigerlich bei der Stromproduktion anfällt.

In Deutschland gibt es dazu bis zu Sommerpause im Juni zwei entscheidende Weichenstellungen.

Rechnen und Pokern – Die Atom-Kommission

„Atom-Kommission“ ist eigentlich nur der „Rufname“ des Gremiums. Offiziell heißt sie „Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs“, abgekürzt „KFK“. Sie wurde von der Bundesregierung am 14. Oktober 2015 eingesetzt.

Ihr Auftrag: sie soll einen Vorschlag machen, wie verschiedene Kostenpunkte des Atomausstiegs finanziert werden können. Auf der Rechnung stehen vier Posten:

Stilllegung und Rückbau der Atomkraftwerke, Zwischenlagerung sowie Endlagerung von radioaktiven Abfällen.

Eine Liste der 19 Mitglieder finden sie hier:

https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/ergaenzende-informationen-zur-kommission-zur-ueberpruefung-der-finanzierung-des-kernenergieausstiegs,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

Geleitet wird sie vom ehemaligen grünen Umweltminister Jürgen Trittin. Er ist in diesem Zusammenhang eine interessante Personalie. Denn es war der grüne Umweltminister, der vor 15 Jahren mit dem damaligen Atomkonsens den ersten Anstoß zum Ausstieg gab. Damals konnte die Frage der Finanzierung nicht geklärt werden. Es ist also eine zweite Chance. Und die will er ergreifen und gegen den Widerstand der Energiekonzerne das Verursacherprinzip durchsetzen. Die Überlegung dahinter: die Konzerne haben an der Atomkraft verdient, jetzt sollen sie für die Kosten aufkommen. Zudem, und dieser entscheidende Punkt gerät in der finanzzentrierten Diskussion etwas ins Hintertreffen: dass die Konzerne bezahlen müssen ist Rechtslage. So steht es im Atomgesetz. Unter §9a Abs.1 S.1 AtG heißt es: „Die Betreiber von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität haben nachzuweisen, dass sie zur Erfüllung ihrer Pflichten nach Absatz 1 für angefallene und in dem unter Berücksichtigung des § 7 Abs. 1a und 1b vorgesehenen Betriebszeitraum noch anfallende bestrahlte Kernbrennstoffe einschließlich der im Falle der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe zurückzunehmenden radioaktiven Abfälle ausreichende Vorsorge getroffen haben (Entsorgungsvorsorgenachweis).“

Nachlesen geht hier:

http://www.gesetze-im-internet.de/atg/__9a.html

Die anderen beiden Ko-Vorsitzenden sind Ole von Beust, CDU, und Matthias Platzeck, SPD. Als ehemalige Regierungschefs in Hamburg und Brandenburg, sind sie gut vernetzte Landespolitiker, erfahrene Mediatoren unter anderem in Tarifverhandlungen.

Bislang ist offen, ob es gelingt, dieses Verursacherprinzip zu 100 Prozent umzusetzen. Denn die Konzerne (RWE, E.on, EnBW, Vattenfall sowie die Münchner Stadtwerke) halten dagegen und verweisen auf ihre schlechte Wirtschaftslage. Ihre Drohung: Im Falle einer Pleite könnten die Kosten ganz am Steuerzahler hängen bleiben.

Es geht also um viel Geld und dementsprechend groß ist der Diskussionsbedarf. Der Bericht, der eigentlich schon Ende Februar vorliegen sollte, ist nun für den 13. April angekündigt und wird sich vielleicht noch mal auf den 21. April verschieben.

(Hinweise in eigener Sache: am 12. April plant der Deutschlandfunk einen ausführlichen Hintergrund zu diesem Thema 12.April 18:40 Uhr)

Die Arbeit von einem der drei Vorsitzenden, Jürgen Trittin, haben wir schon am 07.April im DLF-Magazin näher unter die Lupe genommen.

Nachhören und Nachlesen hier:

http://www.deutschlandfunk.de/atomausstieg-energiekonzerne-unter-druck.862.de.html?dram:article_id=350630

Suchen und Finden: die Endlager-Kommission

Zum Anderen tagt seit gut zwei Jahren die sogenannte Endlager-Kommission. Sie soll ein Verfahren zur Suche des bestmöglichen Standorts für ein Endlager für hochradioaktive Stoffe in Deutschland erarbeiten. Dabei geht es nicht nur um komplexe geologische Fragen, sondern auch um völlig neue Formen der Bürgerbeteiligung. Es ist eine historische Aufgabe, denn mehrere Generationen werden von den Entscheidungen betroffen sein.

Die nächsten Wochen werden entscheidend:

Am 29. und 30. April gibt es zwei Tage lang ausführliche Konsultationen in Berlin.

Spätestens Ende Juni soll der umfassende Bericht vorliegen. Schon jetzt können die Berichtsteile, die fertig sind, im Internet gelesen und kommentiert werden.

https://www.endlagerbericht.de/de/

Fazit:

Die Klärung der Finanzierungsfragen und die Endlagersuche. Das sind die offenen Baustellen, die es noch zu bewältigen gibt. Fünf Jahre nach der Katastrophe von Fukushima und dem folgenden deutschen Atom-Ausstieg sind die Arbeit von Atom-und Endlagerkommission Schritte in die richtige Richtung. Auch wenn sie wie bei der Atom-Kommission und ihrem Ringen um die Finanzierung des Atom-Ausstiegs auf den wirklich allerletzen Drücker kommen.

Es kommen entscheidende Wochen beim Ende des Atomzeitalters in Deutschland auf uns zu.

(ar)