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Falk Steiner (c) Bettina Straub / Deutschlandradio
Falk Steiner (c) Bettina Straub / Deutschlandradio
12.04.2016

Kommentar: Nebenkriegsschauplätze zum Weißbuch

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Das Verteidigungsministerium hat einen ersten Entwurf eines neuen Weißbuchs fertiggestellt. Doch die Debatte um eine Aufwertung des Bundessicherheitsrates und den Einsatz im Inneren lenkt von den eigentlichen großen Fragen ab, meint Falk Steiner.

Inhaltlich ist an der Debatte um eine Aufwertung des Bundessicherheitsrates und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren nichts grundsätzlich neu. Doch der Erstentwurf eines neuen Weißbuchs der Sicherheitspolitik, den das Bundesministerium der Verteidigung unter Ministerin Ursula von der Leyen erstellt hat, ist dennoch bemerkenswert. Die eigentliche Frage ist, warum genau diese Debatten nun wieder angestoßen werden.

Die einfachste Erklärung lautet: veränderte Bedrohungslage. Insbesondere mit Blick auf den international vernetzten Islamismus, der über Konvertiten, Heimkehrer und vielleicht auch über einzelne, die mit den Flüchtlingen ins Land kamen, eine Bedrohung darstellt, wird jede mögliche Anstrengung erfordert.

Der zweite, komplexere Erklärungsansatz wäre: die Bundeswehr soll auch in Zukunft in einer Vielzahl an Auslandseinsätzen aktiv sein. Diese Einsätze für sich benötigen Schutz im Ausland, können aber auch zu Reaktionen führen, die die Sicherheitslage hierzulande unmittelbar betreffen. Deutschland ist eben nicht mehr unbeteiligt, ist aus der Phase der Wehrpflicht-Landesverteidigungs-Scheckheft-Verteidigungspolitik unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Geschichte final ausgetreten.

Doch vieles davon benannte bereits das bis heute gültige Weißbuch von 2006, fünf Jahre vor der Aussetzung der Wehrpflicht. Die Formulierung „Armee im Einsatz“ beschrieb den Auftragswandel, sprach von ressortübergreifenden Netzwerkstrukturen, vom Schutz der Bevölkerung und der Infrastruktur vor Terrorismus, von einer Verknüpfung von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Auch eine weitere internationale Einbettung und Integration der Bundeswehr war schon vorgesehen – und scheiterte nicht am Weißbuch.

Doch dann gäbe es da einen dritten Ansatz, die Motivation der Verteidigungsministerin zu verstehen: Im Wissen darum, dass weder der Koalitionspartner noch die von ihm geführten Ressorts bei der Grundsatzfrage der Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren noch bei dem Umbau des Bundessicherheitsrates mitgehen können und wollen, hat die Ministerin nun Zank in der Koalition vorprogrammiert. Die Union, in Person von Ursula von der Leyen, würde wollen.

Ein zu einfacher Streit. Denn diese beiden Fragen – bei all ihren Problemen – sind in Zeiten, in denen gefragt werden muss, ob diese Bundeswehr überhaupt das leisten kann, was sie jetzt schon leisten soll, eher Nebenkriegsschauplätze.
Alte Positionen, neu markiert, ohne echte neue Argumente. Die eigentlichen Fragen heißen vielmehr: teilautomatisierte Kriege per Drohnen, digitale Angriffe und Verteidigung, neue, altbekannte Bedrohungslagen im Osten Europas… was soll die Bundeswehr können dürfen? Wie soll was gerüstet werden? Gegen wen? Bloß sind diese Debatten, auf die das Weißbuch ebenfalls Antwort geben muss, noch heikler – für das Verteidigungsministerium und Ursula von der Leyen.