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13.04.2016

Kommentar: Den Riester-Murks überdenken

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Wieder einmal Rentenalarm. Jedem zweiten Rentner droht demnächst angeblich Altersarmut, will der WDR in Erfahrung gebracht haben. Die Berechnungen, die der Sender vorlegt, sind zwar reichlich nebulös. Aber egal: Die Gruselmeldung kommt zur rechten Zeit. Die Bundestagswahl gerät in Sichtweite und die gebeutelte SPD zunehmend in Panik. Erstmals wurde sie jetzt unter 20 Prozent verortet. Die Not ist also groß. Und so hat Parteichef Sigmar Gabriel auf der verzweifelten Suche nach einem Rettungsring gleich beherzt zugegriffen und die große Rentenwende angekündigt.

Eine schlechte Idee ist das nicht. Denn die gesetzliche Rente hat sich zwar als erstaunlich krisenresistent gezeigt, ganz sorgenfrei ist sie aber nicht. Die Altersarmut, bislang erfreulicherweise noch ein Randphänomen, wird steigen, weil schon die Not im Berufsleben zunimmt. Die Zahl der Geringverdiener wächst, viele Beschäftigte, vor allem Frauen, bleiben in der Teilzeitfalle stecken, viele müssen sich mit einem oder mehreren Minijobs durchschlagen. Entsprechend karg ist der Lohn. Wer aber im Berufsleben nur wenig verdient, und daher auch nur wenig in die Rentenkasse einzahlt, bekommt am Ende auch nur ein geringes Altersgeld heraus. Das ist schlichte Rentenlogik.

Erste Maßnahmen zur Stabilisierung der Rente müssen daher am Arbeitsmarkt ansetzen. Wer verhindern will, dass immer mehr Ruheständler auf staatliche Leistungen angewiesen sind, muss verhindern, dass der Arbeitsmarkt weiter erodiert, dass sich der Niedriglohnsektor ausweitet. Und er muss vor allem mehr in Bildung investieren. Denn das ist das beste Rezept gegen Arbeitslosigkeit und schlechte Bezahlung. Wird aber nach wie vor fahrlässig ignoriert. Jahr für Jahr verlassen Zehntausende Jugendliche ohne Abschluss die Schulen – sie sind die Arbeitslosen von morgen und die Altersarmen von übermorgen.

Aber auch in der Rentenpolitik müssen Weichen neu gestellt werden. Allzu rabiat haben vergangene Regierungen an der gesetzlichen Rente rumgeschnippelt, haben gekürzt und gedämpft, um die Ausgaben und damit die Last für die Beitragszahler im Zaum zu halten – Stichwort: demografischer Wandel. Die Folge: Das Rentenniveau sinkt, Ruheständler bekommen künftig für die eingezahlten Gelder weniger Rente raus. Das wäre verschmerzbar, wenn das Kalkül der Reformer aufginge, dass die gerissenen Lücken in der gesetzlichen Rente durch privates Sparen aufgefangen würden. Tun sie aber nicht.

Und deshalb ist es höchste Zeit, den Riester-Murks zu überdenken, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken und das Rentenniveau zumindest nicht weiter absacken zu lassen. Die Rente ist zu wichtig, um sie planmäßig herunterzuwirtschaften. Gut, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel diese Debatte nun anstößt. Auch CSU-Chef Horst Seehofer scheint sensibilisiert. Dumm nur, dass die Große Koalition die Gelder, die sie für eine große Reform bräuchte, mit der Mütterrente und der Rente ab 63 schon längst verprasst hat.

tb