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Christiane Habermalz / Foto: Ansgar Rossi
13.04.2016

Kommentar: Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde

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ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Die wichtigste Botschaft heute lautet: Die Stasi-Akten bleiben erhalten, sie werden weiter den Opfern zur Verfügung stehen. Auch wer sich in zehn Jahren erst dazu entschließt, herauszufinden, wer ihn damals bespitzelt hat und mit welchen Folgen, der wird dies uneingeschränkt tun können. Und die Erfahrung zeigt, dass viele sich erst im Rentenalter in die Abgründe der eigenen Biographie hinab wagen. Das klare Bekenntnis der Kommission zur Fortführung der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit scheint selbstverständlich, doch noch vor wenigen Jahren sprach sich der SPD-Politiker Egon Bahr für die baldige Schließung der Behörde aus. Sie vertiefe die mentale Spaltung der Deutschen, so sein Argument, nach 20 Jahren müsse es auch mal gut sein. Die Überführung der Akten in die Verwaltung des Bundesarchivs ist also keine Zerschlagung, sondern eine Existenzgarantie für die Zukunft. Das ist durchaus auch wörtlich zu verstehen. Denn die Spitzelberichte müssen konserviert und gegen Verfall und Säure geschützt werden, die Digitalisierung, mit der im Stasi-Archiv begonnen wurde, muss fortgeführt werden. All diese Dienste kann das Bundesarchiv mit seinem technischen Know-How besser leisten als die Stasi-Unterlagenbehörde – und sie sind Voraussetzung dafür, dass die Akten künftigen Generationen weiter zur Verfügung stehen.

Doch ebenso gibt es die Stimmen, die in jeder strukturellen Veränderung gleich das Aus für die DDR-Aufarbeitung sehen. Ohne Zweifel: Die Stasi-Unterlagenbehörde ist mehr als der Hort der Stasi-Akten. Die Behörde und das 1991 erlassene und seitdem mehrfach novellierte Stasi-Unterlagengesetz sind einzigartig in der Welt. Wo sonst ist es einer friedlichen Revolutionsbewegung gelungen, die Geheimdienstzentrale einer Diktatur, Symbol der Unterdrückung und staatlicher Allmacht, zu besetzen und zu erzwingen, dass die Akten offengelegt werden?

Bis heute sind regelmäßig Vertreter junger Demokratien bei Roland Jahn zu Gast, die sich abgucken wollen, wie so was funktioniert. Und auch das Amt des Bundesbeauftragten selbst hat politisches und symbolisches Gewicht. Doch 25 Jahre nach der Wende haben die Dinge sich verändert. Die Anträge auf persönliche Akteneinsicht werden absehbar weniger werden. Und das Stasi-Unterlagengesetz, das ausdrücklich den Fokus der Behörde auf die Aufarbeitung des Mielke-Apparates und die Stasi-Opfer festlegt, hat sich als zu eng erwiesen. Im Laufe der Zeit sind in der gesellschaftlichen Debatte um die DDR-Hinterlassenschaften neue Themen aufgetaucht – auch neue Opfergruppen wie die Heimkinder.

Von der Last der Akten und dem Nimbus des Behördenleiters befreit, kann ein Bundesbeauftragter für die „Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit und ihren Folgen“ am Bundestag möglicherweise viel freier und politischer agieren – sein Profil schärfen und den Blick weiten. Wenn diese neuen Möglichkeiten genutzt werden, dann wird die Stimme des Bundesbeauftragten nichts an Gewicht einbüßen. Veränderung kann auch Gewinn bedeuten. Das ist die zweite Botschaft.

tb