Brüssel, EU-Kommission
Passkontrolle auf dem Brüsseler Flughafen Zaventem © European Union 2011 PE-EP
Passkontrolle auf dem Brüsseler Flughafen Zaventem © European Union 2011 PE-EP
15.04.2016

EU droht mit Ende der Visafreiheit

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Mit der gegenseitigen Befreiung von der Visumpflicht soll EU-Bürgern eigentlich das Reisen erleichtert werden. Die USA, Kanada und Brunei spielen dabei aber nicht mit und verlangen für Bürger mancher EU-Staaten ein Visum. Die Kommission hat nun reagiert und mit dem Ende des visafreien Reisens gedroht.

Wer aus den USA, Kanada oder dem südostasiatischen Brunei stammt, kann – ohne ein Visum beantragen zu müssen – in die EU einreisen (was natürlich auch für andere Staaten gilt). Umgekehrt wird es allerdings schwierig, denn die genannten Länder gewähren nicht jedem EU-Bürger so einfach ein Visum. Die gegenseitige Befreiung von der Visumpflicht (visa waiver) ist allerdings fester Bestandteil der EU-Vorschriften (das Vereinigte Königreich und Irland nehmen nicht an der gemeinsamen Visapolitik teil).

Die Kommission hat folgende Verstöße gegen die gegenseitige Befreiung festgestellt:

  • Die USA verlangen Visa für Bürger aus Bulgarien, Kroatien, Zypern, Polen und Rumänien. Außerdem benötigen seit Dezember 2015 EU-Bürger ein Visum, die beispielsweise die französische und die iranische Staatsbürgerschaft zugleich besitzen.
  • Kanada verlangt ein Visum von Bürgern aus Bulgarien und Rumänien.
  • Brunei verlangt Visa für Kroaten, obwohl diese Anforderung nach Kommissionsangaben bereits vergangenes Jahr abgeschafft wurde.

Seit 24 Monaten sind die Verstöße gegen die Visa-Gegenseitigkeit bekannt. Am 12. April lief die Frist für die EU-Kommission ab, darauf zu reagieren. Was also tun? Einfach im Gegenzug die Visumpflicht für US-Amerikaner, Kanadier und Bruneier wieder einführen?

Kommission befürchtet Milliardenverluste für EU

Der Schaden wäre wohl immens, nicht nur auf rein wirtschaftlicher Ebene. Politisch würde viel Porzellan zu Bruch gehen, was sich die EU beispielsweise angesichts der schleppend verlaufenden TTIP-Verhandlungen mit den USA nicht leisten könnte. In einem Papier an das Parlament und den Rat hat die Kommission nun zusammengefasst, welche Folgen das Ende der gegenseitigen Visa-Freiheit haben könnte:

Die Visumpflicht für die USA hätte umgehend eine Visumpflicht für alle EU-Bürger zur Folge. So würde sich die Situation für Bulgarien, Kroatien, Zypern, Polen und Rumänien nicht verbessern und für alle anderen EU-Staaten verschlechtern. Nach der Kommissions-Schätzung wären damit Kosten von 2,5 Mrd. Euro für die EU-Bürger verbunden. Sollte Kanada ebenfalls wieder Visa verlangen, entstünden damit weitere Kosten von 375 Mio Euro.

Die Kommission befürchtet des weiteren, dass die EU-Staaten die Menge der dann beantragten und zu erteilenden Visa nicht schnell genug bearbeiten könnten. Da beispielsweise US-Bürger lange Wege auf sich nehmen müssten, um persönlich beim nächsten Konsulat zu erscheinen und ihr Visum dort zu beantragen, geht man davon aus, dass die Zahl der Reisenden aus den USA, Kanada und Brunei sinken würde. Einen Rückgang der Besucher aus Kanada und den USA um 5% beziffert die Kommission mit einem finanziellen Verlust für die EU von 1,8 Mrd. Euro.

Auch die externen Beziehungen der EU könnten nach Ansicht der Kommission unter einer Aufhebung des Visa-Waiver-Verfahrens leiden. Die an sich guten Beziehungen zu Kanada, mit dem ein Strategic Partnership Agreement (SPA) und das Freihandelsabkommen CETA umgesetzt werden sollen, könnten darunter leiden. Die noch viel engeren Beziehungen zu den USA könnten, auch mit Blick auf die TTIP-Verhandlungen, ebenfalls unter dem Ende der gegenseitigen Visabefreiung leiden, so die Kommission. Oder wie die EU-Behörde es selbst zusammenfasst:

„The impact on our external relations with two strategic partners in a year where important agreements in the trade area are at a crucial stage or should be finalised would thus be substantial.“

Parlament und Rat entscheiden

Nun sollen zunächst EU-Parlament und Rat aktiv werden, „Gespräche einleiten“ und sich innerhalb von drei Monaten einig werden, wie man reagieren will. Gleichzeitig fordert die Kommission Kanada, die USA und Brunei auf, Bürgern aller EU-Staaten das visafreie Einreisen zu ermöglichen. Denn das Ende des gegenseitigen Visa-Verzichts steht zur Disposition: Parlament und Rat könnten sich darauf verständigen, zunächst für 12 Monate die Visumpflicht für US-Amerikaner, Kanadier und Bruneier wieder einzuführen.