Berlin, Kommentare, Rechtspolitik, Sicherheitspolitik
Gudula Geuther im Hauptstadtstudio von Deutschlandradio / Foto: Bettina Straub
20.04.2016

Wert des Rechts in Zeiten der Bedrohung

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Deutschland steht im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus, das zu betonen werden Sicherheitspolitiker nicht müde. Paris und Brüssel führen vor Augen, was das heißt. Und das Bundesverfassungsgericht? Ja was wohl. Das Bundesverfassungsgericht prüft kühl, bleibt bei seinen Maßstäben und verlangt ein hohes Maß an rechtsstaatlichen Sicherungen. Und das ist auch gut so.

Dabei trügt der Eindruck: Trotz eines Urteils von mehr als 100 Seiten, trotz der großen Menge beanstandeter Regelungen, trotz der ganz grundsätzlichen Ausführungen – das Bundeskriminalamt darf nach wie vor sehr, sehr viel. Das Gesetz der Großen Koalition von 2008 macht die Wiesbadener Polizei zu einer anderen Behörde. Weit im Vorfeld dürfen die Ermittler bei Terrorverdacht operieren, Kritiker rücken sie damit in die Nähe von Geheimdiensten. Der Instrumentenkasten, dessen sie sich bedienen dürfen, umfasst alles, was damals Länderpolizeien durften und noch mehr. Späh- und Lauschangriffe auf die Wohnung, das Durchforsten der Festplatte, die Quellen-TKÜ, Observation mit V-Leuten und vieles mehr. Kein einziges dieser Instrumente haben die Richter genommen. Sie haben nur dort die Anwendung beschnitten, wo sie überbordend war – wie den Spähangriff im heimischen Wohnzimmer auf unbeteiligte bloße Bekannte eines Verdächtigen.

Was die Richter im Gegenzug verlangen, das ist vor allem ein angemessener Einsatz dieser Mittel, Transparenz und Kontrolle. Angemessener Einsatz heißt auch: Verdachts- und Wahrscheinlichkeitsschwellen müssen überprüfbar klar benannt werden. Transparenz heißt unter anderem: Wo möglich, müssen Betroffene informiert werden – wenn es nicht mehr schadet. Und zum Kontrolleur taugt nicht der Ermittler selbst, auch nicht sein Kollege. Das stärkt die Datenschutzbehörden. Und es ist der wohl umfassendste Grundgedanke dieses Urteils. Der CDU-Innenpolitiker und Ex-Polizist Armin Schuster beklagte heute im Deutschlandfunk, die Richter hätten den Ermittlern mehr Vertrauen entgegenbringen sollen. Eben nicht. Und zwar nicht etwa, weil das Bundeskriminalamt unter Verdacht stünde. Ein Polizist, der nicht bis an den Rand des Zulässigen ermittelt, ist kein guter Polizist. Und Kontrolle in eigener Sache überfordert wohl jeden. Welche Folgen das Urteil haben wird, ist noch nicht abzusehen. Klar ist nur: Sie gehen weit über das BKA-Gesetz hinaus. Die Entscheidung ist ein Kompendium der Checks und Balances im Sicherheitsrecht, eine Meilenstein des Datenschutzes, wie die Datenschutzbeauftragte zu recht lobt. Andere Gesetze werden sich danach richten müssen – und auch bloße Praktiken ohne Gesetz, wie vor allem der internationale Austausch von Daten. Die NSA lässt grüßen. In Zukunft wird auch der Bundesnachrichtendienst besser hinsehen müssen, wofür seine Informationen verwendet werden. Gerade was den Datenaustausch betrifft, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute schon klar gemacht, dass er bis an den Rand des Urteils, also der Verfassung gehen will. Es wäre dann Sache des Koalitionspartners, den Argumenten der Richter ein wenig mehr Achtung entgegenzubringen. Das wäre heute noch die SPD. Sie wird sich entscheiden müssen. Der Wert des Rechts zeigt sich gerade in Zeiten der Bedrohung.

tb

 

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