Berlin
Nadine Lindner im Deutschlandradio-Hauptstadtstudio / Foto: Ansgar Rossi
27.04.2016

Die Atom-Kommission: keine reine Lehre

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

 
Nein, die reine Lehre ist das nicht.

Aber es ist wenigstens ein tragfähiger Kompromiss. Es wurde schnell klar, dass heute bei der Vorstellung der Ergebnisse der Atom-Kommission die Stunde der Pragmatiker schlug und nicht die der Dogmatiker.

Das Votum der Kommission fiel einstimmig aus. Eine erfreuliche Überraschung, weil es ein Zeichen für die breite Akzeptanz ist.

Es sieht eine Zweiteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Unternehmen und Staat vor. Unternehmen kümmern sich um Stilllegung und Abriss, der Staat betreibt Zwischen- und Endlagerung finanziert aus den Rückstellungen der Konzerne.

Die reine Lehre wäre hier die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips gewesen. Das heißt, die Konzerne sind zeitlich unbegrenzt für die Folgekosten des Atomzeitalters verantwortlich. Sie haben schließlich daran verdient. So will es das Atomgesetz. Mit einer Ausnahme, das Endlager hätte der Staat finden müssen.

Das ganze Dilemma der deutschen Atompolitik ist heute noch einmal in Reinform deutlich geworden. Denn jahrelang wurde die Frage verdrängt, was eigentlich passieren soll, wenn die Konzerne schlicht das Geld nicht haben, um die Folgekosten zu tragen.

Die gesetzlichen Regelungen im Atomgesetz waren da – auf dem Papier, aber es gab keinen wirkungsvollen Kontrollmechanismus.

Erst mit der wirtschaftlichen Schieflage der Energiekonzerne und ersten Versuchen, sich via Unternehmens-Ausgründungen aus der Verantwortung zu stehlen, wurde der Politik schlagartig der Handlungsdruck deutlich.

Denn: Was nützt ein Schuldschein, wenn der Schuldner pleite oder juristisch nicht mehr zu belangen ist?

Ja, das alles hätte schon viel früher passieren müssen. Gelegenheiten, das zu regeln hätte es genügend gegeben, spätestens beim Atom-Konsens 2000/2001. Doch damals scheiterte es an Widerständen in Politik und Wirtschaft.

Nun also musste die Atom-Kommission ran.

Bei allen finanziellen Härten gewinnen die Atomkonzerne mit dem Kompromiss nun Entscheidungssicherheit. Das Damoklesschwert der unbegrenzten Nachhaftung hängt nicht mehr über ihren Köpfen. Das kann ihre Kreditwürdigkeit steigern.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Energie-Unternehmen jetzt den Schuss gehört haben, und von Zauderern zu wirklichen Partnern bei der Umsetzung der Energiewende werden. Erste Anzeichen gibt es schon, es ist dringend Zeit dafür.

Die Teilung der Verantwortlichkeit bei den Folgekosten des Atomzeitalters ist nicht die reine Lehre, aber um es simpel zu sagen: Besser wird’s nicht.

 

(ar)