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Volker Finthammer im Hauptstadtstudio / Foto: Ansgar Rossi
28.04.2016

Sozialhilfe für EU Bürger

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

 

Unterschiedlicher hätten die Urteile kaum ausfallen können. Da hatte der europäische Gerichtshof erst im September des vergangenen Jahres geurteilt, dass EU Bürger, die nach Deutschland kommen und hier eine Arbeit suchen, von Sozialleistungen nach deutschem Recht ausgeschlossen sind und damit die Regeln bestätigt, die seit dem Inkrafttreten der Freizügigkeitsregeln der Europäischen Union gelten.

Erst wenn die EU Bürger für die Dauer eines Jahres sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, können sie das Arbeitslosengeld II, also den Hartz 4 Regelsatz, dauerhaft beanspruchen. Wer mehr als ein halbes, aber weniger als in ganzes Jahr beschäftigt ist, wird auch wird nur sechs Monate nach Hartz IV bezahlt. EU-Bürger die noch gar nicht in Deutschland gearbeitet haben, erhalten bislang kein Arbeitslosengeld und keine Sozialleistungen. Dieser Zusammenhang wurde vom Bundesozialgericht jedoch anders bewertet.

Die Kasseler Richter verwiesen in ihrem Urteil zu Beginn dieses Jahres auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und gestanden den in Deutschland wohnhaften EU Bürgern auch das Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums zu. Wenn sich demnach EU Ausländer ohne Job bei den Sozialämtern melden, müssten diese prüfen, ob Sozialhilfe also die Grundsicherung nach Hartz 4 als Ermessensleistung zu gewähren sei. Entscheidend für die Bewertung sei die Dauer des bisherigen Aufenthalts.

Und da seien nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des europäischen Fürsorgeabkommens sechs Monate Aufenthalt ausreichend, um einen Anspruch auf Sozialhilfe gewähren zu müssen. Was in der Logik des Rechts als richtige Entscheidung erscheinen mag, hätte in der Lebenswirklichkeit der EU erhebliche Folgen nach sich ziehen können. Denn dann gibt es vor dem Hintergrund der Freizügigkeitsregelungen der EU keinen Grund in den ärmlichen Verhältnissen von Rumänien oder Bulgarien zu verharren, wenn der Geldanspruch in Deutschland rechtlich abgesichert erscheint.

Deshalb ist die von Arbeitsministerin Andrea Nahles vorgelegte Klarstellung der gesetzlichen Regeln und die Wartezeit von fünf Jahren auch zu begrüßen. Denn die Freizügigkeit wegen zu erwartender sozialer Leistungen untergräbt die eigentliche Idee. Jeder darf sich das Land seiner Wahl aussuchen, wenn damit ein gleichwertiger oder besserer Job und bessere Lebensverhältnisse als in der Heimat einhergehen. Aber der bessere Job sollte das Motiv sein und nicht die Sozialleistungen auf Kosten anderer.

(ar)