Kommentare, Parteien
Stephan Detjen im Deutschlandradio-Hauptstadtstudio / Foto: Ansgar Rossi
10.05.2016

Kommentar: CSU – die dysfunktionale Macht

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Die CSU ist ein dysfunktionales Element im deutschen Parteiensystem. Sie spielt als bayerische Regionalpartei auf der Ebene der Bundes- und Europapolitik eine Rolle, die im Widerspruch zur Machtverteilung steht, wie sie das Grundgesetz eigentlich im föderalen Bundesstaat vorsieht. Denn der Ort für die Vertretung partikularer Interessen eines einzelnen Landes ist dort der Bundesrat.

Selbst die einstige PDS hat es geschafft, sich aus der Rolle einer ostdeutschen Regionalpartei zu lösen und bundesweit die Integration linker Wählergruppen von einstigen SED Kadern bis an den Rand des extremistischen Spektrums im Westen in die parlamentarische Demokratie zu übernehmen. Die CSU dagegen hat sich in einer Sonderrolle eingerichtet, die ihr in den Gründerjahren der Bundesrepublik zugewachsen ist. Damals ging es darum, die widerstrebenden Bayern überhaupt in den neuen Staatsverbund zu integrieren. Heute führt die aus der regionalen Beschränkung erwachsende Macht der CSU zu eigenartigen – mal eher folkloristischen, mal ernsthaft störenden – Verzerrungen im politischen System. Zu deren Symptomen gehört das CSU-typische Oszillieren zwischen der Regierungsverantwortung in Land und Bund einerseits sowie einem gleichzeitigen Oppositionsgehabe, das so tut, als habe man in München mit der Regierung in Berlin nichts zu tun. Franz Josef Strauß trieb diese politische Freischärlerei mit beleidigenden Sticheleien gegen Helmut Kohl und dem schnell wieder revidierten Trennungsbeschluss von Kreuth einst auf die Spitze.

Heute besinnt sich die Partei wieder auf diese Traditionen. Mit vielsagenden Blicken wird das Jahr 1976 und die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU zum Referenzpunkt der gegenwärtigen Entfremdung der Unionsparteien erklärt. CSU Politiker überbieten sich mit den Angaben, welche Stärke die unionsinternen Verwerfungen auf der nach oben offenen Kreuther-Skala schon erreicht haben: Verfassungsklage gegen die Bundesregierung, Bayern-Wahlkampf gegen Berlin, ein Spitzenkandidat Seehofer gegen Merkel – alles wird raunend in den Raum gestellt, nichts wird konkretisiert oder umgesetzt.

Aus der Logik der CSU geht es auch gar nicht in erster Linie darum, eine Politik für Deutschland oder gar Europa zu gestalten, sondern um die Wahrung von Interessen, die sich aus der beschränkten Perspektive eines einzelnen Bundeslandes definieren. Das passt auf fatale Weise in eine europäische Dynamik, in der die Verengung des Blicks auf nationale Interessen allerorten als vermeintlich Erfolg versprechende Reaktion auf globale Probleme und Herausforderungen empfohlen wird.

(tb)

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