Digitalpolitik, Innenpolitik, Parteien, Wirtschaftspolitik
Programm für Deutschland? Wir schauen es uns Stück für Stück an.
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29.05.2016

Die Digitalpolitik der AfD: Wenig und widersprüchlich

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Die Alternative für Deutschland hat nun, nach fast einem Monat, ihr Grundsatzprogramm veröffentlicht, dass sie am 30.04. und 01.05. in Stuttgart auf einem Mitgliederparteitag beschloss. Eine Analyse der digitalpolitischen Standpunkte. 

Die AfD ist keine ausgesprochene Digitalpartei. Und insofern mag es nicht sonderlich überraschen, wenn in ihrem Programm in der Digitalpolitik deutliche Lücken klaffen und vieles sehr pauschal gehalten ist. Schauen wir einfach einmal hinein:

Breitbandausbau

Die AfD zählt in ihrem Programm Breitband-Kommunikation zur Daseinsvorsorge.

Schnelles Internet für alle ist in jedem Fall anzustreben.

Subventionen lehnt sie im Grundsatz ab, aber:

Sofern im Einzelfall Subventionen wirtschaftspolitisch sinnvoll erscheinen, sind sie zeitlich zu befristen.
Jenseits der Daseinsvorsorge darf der Staat nur in Ausnahmefällen unternehmerisch tätig sein.

Das Problem, dass der Internetausbau in ländlichen Regionen sich eben wirtschaftlich nicht rechnet, dass seit zehn Jahren über den „richtigen“ Ansatz zum Ausbau (durch Kommunen unter Förderung von Ländern, Bund und EU; durch Private unter Förderung; technologieoffen oder technologiebeschränkt) diskutiert wird, wird nicht weiter erörtert.

Freies WLAN

Sieht die AfD in öffentlichen Bibliotheken vor. Sonst findet sich zu dem Thema nichts.

Urheberrecht, Digitale Werke

Das Wort Urheberrecht taucht im Programm nicht auf. Auch Urheber kennt das Programm nicht. Das einzige, was sich dazu im weiteren Sinne findet, ist 10.10.3:

Die Digitalisierung der deutschen Literatur ist eine von Deutschland zu leistende, hoheitliche Aufgabe. Sie geht über den rein technischen Vorgang hinaus, und bedarf ähnlich wie der Umgang mit historischen Artefakten in einem Museum der professionellen Fürsorge, die durch Experten für deutsche Sprache und Literatur zu leisten ist. Möglichen Lizenzzahlungen an ausländische Unternehmen zum Lesen digitalisierter deutscher Literatur ist durch Gesetzgebung vorzubeugen.

Sich stellende Urheberrechtliche Fragen dazu werden nicht erörtert.

Vorratsdatenspeicherung

Das Wort und seine Verwandten („Speicherung auf Vorrat“, „Mindestspeicherfristen“) oder Alternativen dazu („Quick Freeze“/“Einfrieren“) existiert im AfD-Grundsatzprogramm nicht, das Thema wird nur indirekt angesprochen.

Datenschutz

Die AfD beginnt ihr Kapitel zur Innneren Sicherheit und Justiz mit einigen Vorbemerkungen. So heißt es dort:

Die AfD fordert daher einen „sicherheitspolitischen Befreiungsschlag“, um den Schutz der Bürger an erste Stelle zu setzen. Andere Belange haben sich dem unterzuordnen.

Gemeint ist offenbar der Schutz der Bürger durch den Staat, nicht der Schutz der Bürger vor dem Staat. Denn in Unterpunkt „3.6 Kein Datenschutz für Täter“ heißt es:

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist für uns ein wichtiges Gut. Die Grundsätze des Datenschutzes müssen gewährleistet werden. Gleichwohl ist zu überprüfen, ob die Sicherheit der Bürger sowie von Wirtschaft und Industrie vor Spionage bei dieser Frage angemessen berücksichtigt wird. Im Zweifel ist das Recht der Bürger auf Sicherheit höher zu bewerten als das eines Straftäters auf informationelle Selbstbestimmung. Bei der Implementierung von Datenschutzmaßnahmen ist immer der Mehraufwand für die Ermittlungspersonen und die Justiz zu berücksichtigen und sinnvoll abzuwägen. Ziel muss es sein, die Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bürger zu verbessern. In der Vergangenheit hat ein ideologisch motiviertes übertriebenes Maß an Datenschutzmaßnahmen die Sicherheitsbehörden gelähmt und unverhältnismäßig bürokratisiert. Die Folge ist mangelnde Sicherheit für rechtschaffene Bürger und Datenschutz für Täter. Die Grundsätze des Zeugnisverweigerungsrechtes aus beruflichen und persönlichen Gründen bleiben unberührt.

Wie das gehen soll, hat die AfD jedoch nicht verraten – beim Datenschutz sind grundsätzlich alle erst einmal gleich. Widersprüchlich wird das vor allem, weil an anderer Stelle im Parteiprogramm festgeschrieben wird:

Die Digitalisierung ist aus der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Sie bestimmt fast alle Lebensbereiche, übernimmt an vielen Stellen Regelaufgaben und mobilisiert die Kommunikation in hohem Maße. Aus diesem Grund ist entgegen anderer Bestrebungen dem Datenschutz ein hoher Stellenwert einzuräumen und sein Wirkungsbereich auf alle personenbezogenen Merkmale auszuweiten. Die freie Meinungsäußerung und die freie Entfaltung der Persönlichkeit brauchen einen starken Datenschutz.

„Entgegen anderer Bestrebungen“, das könnte man auch als das im Kapitel innere Sicherheit geschriebene verstehen. Zusammen passt das zumindest nicht: wer ein hohes Datenschutzniveau fordert, kann nicht parallel „kein Datenschutz für Täter“ rufen.

Bemerkenswert weit ist auf jeden Fall der Weg, den die AfD seit ihrem Europawahlprogramm 2014 ging. Dort hieß es noch:

IV.12 Datenschutz in der globalen Digitalgesellschaft

Die Alternative für Deutschland fordert mit Nachdruck ein umfassendes Recht des Bürgers, über
seine personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Dieses Recht sichert jedem zu, selbst über
Preisgabe, Speicherung, Verwendung und Löschung seiner Daten zu verfügen.

Die AfD sieht es darüber hinaus als Aufgabe und vornehmsten Zweck des Staates an, die Freiheitsrechte und Souveränität der Bürger zu schützen und deren Ausübung zu gewährleisten. Die AfD fordert daher, dass Deutschland und die EU bei der Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen der digitalen Gesellschaft stets die Lösungen suchen und realisieren, die die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung möglichst nicht tangieren oder aber
bestmöglich schützen.

Cybersicherheit

In 10.10.1. fordert die AfD den Einsatz quelloffener und zertifizierter Software und eine „Inlandsmontage“ einzelner Komponenten zu Hardware für die öffentliche Verwaltung. Dies soll, zusammen mit zentralisierter IT-Beschaffung, die IT-Sicherheit erhöhen.

In 10.10.2 fordert die Partei:

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung darf nicht verboten oder anderweitig behindert werden. Die AfD sieht sichere Kommunikation als Bürgerrecht an.

Zudem heißt es in dem Punkt, dass „die Forderung nach nationalen Software-Entwicklungen
auch als Wirtschaftsvorteil für die Gesamtheit deutscher Unternehmen gesehen werden [könne], die durch Industriespionage jährlich viele Milliarden EURO verlieren“ – allerdings gibt es keine solche Forderung im Programm.

Autonomes Fahren, Industrie 4.0, Internet der Dinge, Zukunft der Arbeit

Nichts.

Fazit

In dem wenigen, was dort zu Themen wie Datenschutz, Cybersicherheit und Breitband formuliert ist, finden sich teils diametrale Widersprüche, kaum etwas kann inhaltlich überzeugen. Nun ist es nicht so, dass bei den anderen Parteien in diesen Punkten stets großartige Konzepte angeboten würden – aber so dünn und erratisch ist dann doch keine größere andere Partei.

Das hochtrabend so genannte „Programm für Deutschland“ ist zumindest digitalpolitisch eher eine Baulücke.

Kommentare zu diesem Beitrag (8)

  1. guntberta | 29. Mai 2016, 20:02 Uhr

    nur ein hinweis: das europa-wahlprogramm der afd stammt aus dem jahr 2014.
    beste grüße,
    berta

    • Falk Steiner | 29. Mai 2016, 20:04 Uhr

      Stimmt. Danke!

  2. Thomas | 31. Mai 2016, 16:39 Uhr

    Die Digitalpolitik bzw. das Programm dazu ist sicherlich „ausbaufähig“. Anscheinend bewegt die Wähler der AfD aus deren Sicht viel größere und drängendere Probleme:
    €uro und Asyl (Politik)

    • Falk Steiner | 31. Mai 2016, 17:49 Uhr

      Sie verwechseln Wähler und Mitglieder (die das Programm beschlossen haben). Natürlich ist es legitim, in dem einen oder anderen Thema zu schwächeln. Aber als Partei mit dem Anspruch Vollprogramm ist das etwas wenig. Und seien Sie unbesorgt: die anderen Teile schauen wir uns natürlich auch noch an.

      • Bernd Derksen | 2. Juni 2016, 21:20 Uhr

        Betrachtet der DLF nur eine Partei kritisch?

        Für mich ist die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des DLFs beim Betrachten der AfD ja sehr eingeschränkt.
        Glaubwürdiger würde es, wenn man auch die Programmatik der anderen größeren Parteien kritisch unter die Lupe nähe.

        Ist derlei geplant?
        Wenn nicht, warum nicht?

        • Falk Steiner | 6. Juni 2016, 18:29 Uhr

          Klar ist das geplant.

        • Falk Steiner | 6. Juni 2016, 18:29 Uhr

          Klar ist das geplant.

  3. Bernd Derksen | 2. Juni 2016, 21:17 Uhr

    Sie kennen schon den Unterschied zwischen Grundsatz- und jeweiligen Wahlprogrammen, Herr Steiner?
    Und Sie wissen, dass Programmentwicklung in demokratischen Parteien immer etwas Zeit braucht?
    Wie viele Jahrzehnte brauchte die CDU noch mal für Ihr Grundsatzprogramm? 😉

    Es mag sein (und warum sollte Ihre Darstellung unzutreffend sein), dass Ihre Programmkritik in diesem Punkt berechtigt ist.
    Aber ich bin mir sicher, dass ich bei Lust und Zeit auch bei jeder anderen Partei Themen finde, wo sie arg wenig programmatisch oder gar Widersprüchliches bieten. (Auch bei der AfD lässt sich da sicherlich noch einiges aufspüren…)
    (Ich habe früher mal die Grundsatzprogramme sämtlicher damals beim Bundeswahlleiter gemeldeter Parteien durchgelesen.)

    Angesichts den aktuellen Versagens der etablierten Parteien auf mir weit wichtiger erscheinenden Politikfeldern halte ich die Digitalpolitik für eine Nebensächlichkeit.
    Muss halt jeder für sich entscheiden, was für ihn wichtige bzw. entscheidende Themenfelder sind.