Berlin, Bundesregierung, Bundestag, Digitalpolitik
WLAN haben und WLAN teilen - zwei vollkommen unterschiedliche Dinge (c) Falk Steiner/Deutschlandradio Hauptstadtstudio
WLAN haben und WLAN teilen - zwei vollkommen unterschiedliche Dinge (c) Falk Steiner/Deutschlandradio Hauptstadtstudio
31.05.2016

WLAN und Störerhaftung: Nie wieder Abmahnungen?

Von

Die Bundestagsabgeordneten der großen Koalition haben sich auf eine Neuregelung der sogenannten Störerhaftung für Anbieter von WLAN-Zugängen geeinigt. Doch wird nun wirklich alles gut für arglose WLAN-Anbieter?

Seit Jahren wird in Deutschland um die sogenannte Störerhaftung debattiert – nicht zuletzt aufgrund eines umstrittenen BGH-Urteils. Die Bundesregierung hatte vor einigen Monaten einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der das Problem bereits lösen sollte: das politische Ziel, möglichst flächendeckend Internetzugänge für alle zu schaffen aber dabei gleichzeitig die Haftungsfrage zu klären, wenn darüber Urheberrechtsverstöße begangen werden.

Von diesem Entwurf ist kaum etwas übrig geblieben. Die Fachpolitiker von CDU, CSU und SPD haben sich nun auf Änderungen geeinigt, die das Problem tatsächlich lösen sollen. In Paragraf 8 des Telemediengesetzes wird ein Absatz eingefügt:

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

In der Begründung wird darauf verwiesen, dass die Haftungsbeschränkung „Horizontal jede Form der Haftung für rechtswidriges Verhalten jeder Art.“ umfasst. Gerichtliche Anordnungen blieben zwar möglich, aber ohne Haftungsfolgen für den Informationsvermittler, also den WLAN-Betreiber, und zudem nur in engen Grenzen. Europarechtlich ist das vorgeschrieben – selbst wenn sie gewollt hätten, hätten die Bundestagsabgeordneten das nicht ändern können.

„Das Ziel ist die Betreiber von WLAN sicher vor Abmahnungen zu schützen“, sagt Thomas Jarzombek, netzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Wir wollen der Verbreitung von WLAN einen echten Schub zu geben.“

Zwar können Rechteinhaber auch künftig eine Nutzerdatenherausgabe anfordern. Doch so wie bei großen geschäftlichen Anbietern dürfte diese künftig regelmäßig mit einer „Nullmeldung“ enden: „Nutzer unbekannt, da öffentlich zur Verfügung gestelltes WLAN“. Bürokratie kann also auf Betreiber auch in Zukunft zukommen.

Einiges hängt zudem von einem bald erwarteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs ab: der muss die Frage der Haftung eines WLAN-Betreibers europarechtlich klären – unter Umständen könnte sich dann bereits herausstellen, dass die alte deutsche Regelung bislang nur falsch vom Bundesgerichtshof ausgeurteilt wurde.

Die Koalitionäre haben sich zudem auf eine Evaluation drei Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung verständigt, welche Auswirkungen auf Urheberrechtliche und andere Rechtsverletzungen durch die Haftungsfreistellung eingetreten seien.

Zudem soll in einer zweiten Evaluation noch bis Ende durch die Bundesregierung geprüft werden, inwieweit es in den vergangenen zwei Jahren zu „Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Verletzungen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der letzten zwei Jahre durch Inhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle auf Plattformen im Internet“. Das bezieht sich auf eine Bundesratsinitiative zum besseren Schutz von Persönlichkeitsrechten im Internet vom vergangenen November und ein BGH-Urteil zu den Prüfpflichten durch Plattformbetreiber. Sollte nach dem Bericht, den nun das Bundesjustizministerium erarbeiten soll, ein Gesetzesvorschlag aus dieser Evaluation heraus notwendig scheinen, wollen die Koalitionspartner diesen noch in dieser Rest-Legislaturperiode verabschieden.

Vorerst komplett gestrichen wurde jedoch der Paragraf des Regierungsentwurfs, der Hostprovider, also Anbieter von Speicherplatz im Internet, stärker in die Haftung nehmen sollte – die Koalitionsfraktionen erachteten die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelungen als europarechtswidrig.

[Nachtrag: Unterschiedliche Rechtsansichten dürfen gerne auch in den Kommentaren zu diesem Text erläutert werden.]

Kommentare zu diesem Beitrag (3)

  1. Michel | 31. Mai 2016, 16:09 Uhr

    Offenenetze zum Entwurf

    Reto Mantz (Author WLAN und Recht) schreibt in seinen Blog dazu:

    Im Ergebnis ist der Gesetzesentwurf kein guter Kompromiss. Das Wort „Störerhaftung“ taucht nur in der Begründung auf, statt klar und deutlich im Gesetzestext das zu formulieren, was man sich anfangs auf die Fahnen geschrieben hatte: Die Abschaffung der Störerhaftung für Betreiber öffentlich zugänglicher WLANs. Das eröffnet weiterhin Spielraum für Auslegung und damit Rechtsunsicherheit, die leicht vermeidbar gewesen wäre.

  2. Bergener | 31. Mai 2016, 19:36 Uhr

    Kann man jetzt schon gefahrlos sein WLAN öffnen, oder muß man explizit warten, bis das Gesetz im Herbst durch ist?
    Manchmal werden überholte Gesetze bereits nicht mehr beachtet, wenn die Änderung schon auf dem Weg ist.
    Wie ist es jetzt?

    • Falk Steiner | 31. Mai 2016, 21:29 Uhr

      Rechtsberatung im Einzelfall ist Sache der Verbraucherzentralen oder der Rechtsanwälte. Ich würde meines allerdings weder heute noch nach dem Inkrafttreten ohne weiteres teilen – sondern stets nur ein davon virtuell abgeschottetes zweites, öffentliches… Muss sich ja niemand in meinem Heimnetzwerk zuhause fühlen.