Berlin, Brüssel
David Cameron zu Besuch bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel © European Union, 2015
David Cameron zu Besuch bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel © European Union, 2015
22.06.2016

Nach dem Austritt

Von

Wenn sich aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen lässt, dann gibt es für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ausreichend Material, um die folgenden Monate relativ präzise zu beschreiben.

28. Juni 2016

Rascher als erwartet hat das Vereinigte Königreich einen Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union gestellt. Der neu ernannte Minister für Europäische Angelegenheiten Boris Johnson begründete die Eile damit, dass dem Land nach dem Referendum nur die Möglichkeit bleibe, den Austritt zu beantragen. Der amtierende Ratspräsident Donald Tusk erklärte, er werde sich dafür einsetzen, den Antrag des Vereinigten Königsreiches bald zu behandeln. Zwei Jahre sind der europarechtlich vorgesehene Rahmen für den Austritt, bei Bedarf kann er jedoch verlängert werden.

22. Januar 2017

Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag Gunther Krichbaum (CDU) sagt in einem Interview: „Eine Ausgrenzung des Vereinigten Königreiches überfordert die Europäische Union“.

04. Mai 2017

In einer Rede im Bundestag spricht Angela Merkel davon, dass die britischen Inseln geografisch immer ein Teil Europas bleiben werden.

13. August 2017

Die Austrittsverhandlungen gehen nur schleppend voran. In einem Interview sagt der EU-Erweiterungs-und-Verkleinerungskommissar Johannes Hahn:

Wenn wir uns aufführen wie die Erbsenzähler, riskieren wir, das eine oder andere Land auf dem weiten Weg zur europäischen Vielfalt zu verlieren. Vergessen Sie nicht: Den West-, Süd-, Mittel- und Osteuropäern fordern die Veränderungen enorme Opfer ab. Das lässt sich populistisch gegen das Vereinigte Königreich wenden. Deshalb brauchen unsere Partner in Europa Gewissheit.

Auch zu den wirtschaftlichen Aspekten eines baldigen Austritts äußert er sich. Zwar gebe es mit Übergangsfristen Möglichkeiten zur Dämpfung von Effekten, aber:

Wir werden Verlierer haben, bei sehr arbeitsintensiven Produkten etwa. Aber mal ehrlich: Ob ein Land EU-Mitglied ist oder nicht, hindert doch schon heute niemanden daran, seinen Betrieb in Cardiff oder Calais über die Grenze zu verlagern. Da kann ich nichts tun.

02. Februar 2018

Das Kapitel über die Rückabwicklung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit wird offiziell eröffnet. Erwartet werden mindestens fünfjährige Verhandlungen: andere Mitgliedstaaten wie Polen, die ihrerseits auf Sonderausnahmen bei der Anwendbarkeit von EU-Recht bestehen, haben Einwände angekündigt.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte Polen auf, den Weg für den Austritt schnell frei zu machen. Allerdings berichtet ein Korrespondent des Deutschlandfunks von einem zufällig mitgehörten Gespräch des Juncker-Kabinettschef Martin Selmayr am Maison Antoine: dieser soll dem polnischen ständigen Vertreter bei der Union dort die Interpretationshilfe geleistet haben, dass das luxemburgische schnell auf polnisch etwa so viel wie ‚powolny jak slimak‘ heiße – langsam wie eine Schnecke.

04. März 2019

Der hoffnungsvolle Nachwuchs-Historiker Neo-Alexander Eckler vertritt in einem Gastbeitrag für Die Zeit die These: „Die EU braucht das Vereinigte Königreich nicht. Aber aus der EU darf das Land deshalb noch lange nicht.“ Die Debatte um die Frage, wie viel Vereinigtes Königreich die EU braucht und andersherum wird von Separationsbestrebungen in Nordirland, Wales, Schottland und einer vom Bündnis „Revolving Doors“ angeführten Anti-Austritts-Bewegung in Portugal lebender englischer Rentner (ein Slogan: ‚Next x-mas you will receive neither money nor parcels‘) begleitet.

28. Juni 2020

Der Premierminister des Vereinigten Königreichs Jeremy Corbyn verkündet, dass die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens und ein Assoziierungsabkommen nach dem erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendum Schottlands neu gestartet werden müssen. Schottlands Premierministerin Nicola Sturgeon fordert Corbyn zur Eile auf: Die schottische Regierung hat ein Beitrittsgesuch bei der EU angekündigt, sobald das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetreten sei: „Leider müssen wir mit massivem Widerstand rechnen, so lange UK nicht endgültig ausgetreten ist.“

10. Juli 2030

Dänemark hat Schottland einen Assoziierungsabkommen nach Vorbild der dänisch-grönländischen Gemeinschaft angeboten. Bei den Austrittsverhandlungen des Vereinigten Königreiches zeichnet sich Bewegung ab: mit dem Tod von Queen Elizabeth wird das Vereinigte Königreich per Referendum abgeschafft. Aufgrund der damit einhergehenden Namensänderung in Vereinigtes Britannien wird entsprechend der Regeln der Europäischen Union ein Neustart der Austrittsverhandlungen notwendig.


Hinweis: Sollten Ihnen einige der Zitate bekannt vorkommen: sie sind – mit angepassten Akteuren – teilweise angelehnt an alte Interviews mit dem damaligen EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen, Gastbeiträge von Heinrich-August Winkler in der Zeit sowie in einigen Teilen frei erfundene eigene Zukunftsvorhersagen, deren Eintreffen überaus überraschend wäre.