Berlin, Kommentare, Medien
Nadine Lindner / Foto: Ansgar Rossi Deutschlandradio
28.06.2016

140 Euro Strafe pro Wort – ein teurer Facebook-Kommentar für einen Pegida-Anhänger wegen eines Deutschlandfunk-Berichts

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Niemand muss meine Arbeit mögen. Viele Menschen haben meine Berichte aus Dresden nicht gemocht und haben mir das in Mails, Briefen oder Facebook-Nachrichten mitgeteilt.
Für sie war ich eine Lügnerin, eine Vertreterin der verhassten Systempresse, eine Denunziantin. Die meisten Zuschriften von Pegida-Anhängern habe ich gelesen und abgeheftet. Auf einige erboste Kommentare habe ich auch geantwortet, habe erklärt, warum ich zu dieser oder jener Schlussfolgerung komme, habe meine Quellen wie z.B. den Polizeibericht aus Dresden angehängt. Mit diesen Fakten konnte ich jedoch die wenigsten überzeugen. Ein hasserfülltes Grundrauschen gehörte fast schon zur Arbeit als Landeskorrespondentin dazu. Jeder Kollege, der in Dresden für Zeitungen, Radio oder Fernsehen arbeitete konnte aus Stapeln mit wütenden Zuschriften zitieren.
Irgendwann im vergangenen Frühjahr rief mich eine Kollegin aus Berlin an. Ob ich gesehen hätte, was auf dem Facebook-Profil von Tatjana Festerling so los sei. Die Ex-AfDlerin und damalige Pegida-Frontfrau hatte mich auf ihrer Profilseite an den digitalen Pranger gestellt und eine meiner Reportagen mit einer hämischen Bemerkung verlinkt.

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Für das DLF-Magazin hatte ich über die Verbindungen zwischen Pegida und dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders berichtet. Die Kommentar-Spalte darunter war – wenig überraschend – ein Sammelsurium aus wüsten Beschimpfungen. Irgendwann aber stieß ich auf ein Foto, das einen Mann mit Waffe zeigte und mit dem Kommentar versehen war: „Erschießt die Fotze“.

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Der Kommentator auf Facebook rief also dazu auf, mich wegen eines kritischen Berichts zu erschießen. Und er bekam dafür auch noch ein paar Likes von anderen Pegida-Fans auf Facebook. Keiner widersprach ihm oder rief zur Mäßigung auf.
Ich habe dann tatsächlich ein paar Tage gebraucht, bis ich mich entschieden habe, den Verfasser anzuzeigen. Denn da war die Befürchtung, noch mehr ins Visier der Fremdenfeinde zu rücken. Glücklicherweise ist das nicht passiert.
Der Verfasser war leicht zu identifizieren, denn er hatte unter seinem Klarnamen geschrieben. Ein Mario B. aus der Nähe von Bautzen, der laut seinem Facebookprofil Pegida, Tattoos und Motorräder mag. In den Ermittlungen wollte ihm die Polizei noch die Möglichkeit geben, sich bei mir zu melden und sich gegebenenfalls zu entschuldigen. Ein paar Tage lang wartete ich auf den Anruf, aber nichts passierte.
Fast hatte ich den Vorfall vergessen. Bis nun heute der Prozess in Dresden anstand. Nicht mal eine Stunde dauerte das Verfahren. Jetzt steht fest: Mario B. ein Hartz-IV-Bezieher mit drei Kindern muss 420 Euro bezahlen. Hinzu kommen Anwalts- und Gerichtskosten. Vor Gericht hatte er noch versucht, die Summe zu drücken. Sein Argument: er habe kein Geld. Am Ende stehen 60 Tagessätze à 7 Euro wegen Beleidigung. Etwas weniger als ursprünglich gefordert.
Den Link zum Bericht in der Dresdner Morgenpost finden Sie hier!

420 Euro – macht 140 Euro Strafe pro Wort. Ein teurer Facebook-Kommentar. Ob er seine Meinung ändert – schwer vorher zu sagen.
Niemand muss meine Arbeit gut finden. Aber offene Aufrufe zur Gewalt haben in dieser Gesellschaft keinen Platz. Dann ist es gut, wenn der Rechtsstaat Grenzen setzt und Strafen ausspricht. Denn zu oft kommen Hetzer und Pöbler auf Facebook straffrei davon.

 

(ar)

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. stefanolix | 19. Juli 2016, 9:34 Uhr

    Die 140 Euro pro Wort …

    sind eigentlich nicht das Entscheidende. Mancher Bürger bezahlt das aus der linken Hosentasche. Urteile und Strafen sollen sich aber immer am Täter orientieren.

    Für den Angeklagten und nun Verurteilten (ein ALG-II-Empfänger) bedeutet es umgerechnet: 60 Tage lang hat er einen signifikanten Einschnitt in sein Leben. Es wird ihm das abgezogen, was er über das absolut Notwendige hinaus zur Verfügung hat. Im Idealfall wird es ihm eine Lehre sein.

    Wenn ich der Richter gewesen wäre, hätte ich ihn bei vier Wochen gemeinnütziger Arbeit (die nach Leistung bewertet wird) über seine Tat nachdenken lassen. Dann wäre noch etwas Sinnvolles dabei entstanden.