Berlin, Kommentare, Wirtschaftspolitik
Gudula Geuther im Hauptstadtstudio von Deutschlandradio / Foto: Bettina Straub
22.09.2016

Kommentar: Erbschaftssteuer

Von

Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Man könnte verleitet sein, sich bei der Erbschaftsteuer die ganz großen Fragen gesellschaftlicher Gerechtigkeit zu stellen – so wie die Mütter und Väter der Bayerischen Landesverfassung. „Die Erbschaftsteuer“, so heißt es darin „dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern.“ Auch eine Minderheit der Richter am Bundesverfassungsgericht hat sich diese ganz großen Fragen gestellt.

Drei von ihnen rechneten vor, wie rasant die Konzentration des Vermögens in Deutschland auf immer weniger Menschen voranschreitet. Sie zogen deshalb auch das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes heran um die Idee einer Erbschaftsteuer – im Zweifel auch für Unternehmenserben – zu stützen. Nur: Es ist bezeichnend, dass auch diese Richter keine weiteren praktischen Konsequenzen aus ihrem Votum ziehen. Denn es gibt schlicht tatsächliche Grenzen. Weder um den Preis der Abwanderung von Unternehmen noch um den Verlust von Arbeitsplätzen lohnt die Steuer.

 Umso mehr muss bei der Erhebung der Steuer auf die Gerechtigkeit im Kleineren geachtet werden. Es kann nicht sein, dass das Aufkommen fast ausschließlich aus dem Erbe von Grundstücken, von Wertpapieren und Geldbeträgen kommt – und dass Unternehmenserben, vor allem die Erben von Familienunternehmen, ganz systematisch leer ausgehen. So war es bisher – wenn denn der Unternehmer und sein Erbe gut beraten waren. Was mit den Arbeitsplätzen geschah, das ließ sich je nach Größe des Unternehmens durchaus gestalten. Wie viel Privatvermögen sich im Unternehmen versteckte, das blieb im Prinzip der Kreativität des Finanzberaters überlassen. Zeichen für die Unsinnigkeit der alten Regel ist auch, dass bei der Abstufung nach Wert nicht etwa auf das Unternehmen abgestellt wurde – das wäre ja ein Hinweis auf mögliche Buchhaltungs-Überforderung oder Bagatellgrenzen – sondern auf die Größe des Erbteils beim einzelnen Nachkommen. Solche Beispiele gab es viele. Und um das gleich vorwegzunehmen: Solche Beispiele gibt es weiterhin eine ganze Menge. Beim Abstellen auf den einzelnen Erben etwa hat sich nichts getan. Nach wie vor gilt: Wer gut beraten ist, kann sich weiterhin arm rechnen. Interessant ist, wer das kritisiert: Es sind auf der einen Seite die Grünen. Auf der anderen Seite aber erheben die FDP und das Münchener ifo-Institut dieselbe Kritik. Die beiden Lager vertreten ansonsten zur Erbschaftsteuer gegenteilige Positionen.

 Dabei ist der jetzt gefundene Kompromiss in jedem Fall besser als der frühere Vorschlag des Bundestages. Nicht zuletzt in einem plakativ immer wieder genannten Punkt: Luxusgüter wie Oldtimer oder Yachten sollen nicht mehr im Firmenvermögen versteckt werden können. Auch in den großen Linien ist der Kompromiss weniger angreifbar als der Vorgänger-Vorschlag. Trotzdem, es bleibt beim Grundprinzip: Bei einer exorbitant hohen Steuerdrohung mit vielen, unübersichtlichen Ausnahmen. Die Chance einer echten Neuregelung – zum Beispiel mit einer niedrigen Flatrate, die nur wenige gut begründete und überprüfbare Ausnahmen kennt – wurde verpasst. Das ist kein Wunder. Die CSU und Teile der CDU waren von Anfang an mit dem Ziel angetreten, möglichst nichts zu verändern. So wird Recht immer komplizierter – und Gerechtigkeit im Großen und Kleineren schwerer erkennbar.

(tb)

Kommentare zu diesem Beitrag (3)

  1. wentges | 2. Oktober 2016, 20:48 Uhr

    Erbschaftssteuer

    Den großen Vermögen verdanken wir unseren Wohlstand. Man stelle sich vor, kleine Handwerksunternehmen könnten versuchen, VW, Daimler-Benz, BMW, GM, Ford u.a. „Konkurrenz“ zu machen, indem sie wöchentlich einen PKW herstellten, um die „Anssammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner“ zu verhindern“, dann hätten wir Autos wie in der DDR den Trabant, technischer Stand der dreißiger Jahre und 15 Jahre Lieferfrist. – Wer das schön findet – bitte. Mir ist es egal, in wessen Händen sich VW und Konsorten befinden: Ich brauche ein zuverlässiges Auto zu erschwinglichem Preis und zwar nicht in erst in 15 Jahren, sondern sofort!

  2. Thomas Richter | 16. Oktober 2016, 13:19 Uhr

    Wir brauchen mehr Steuern

    Wir verdanken dem großen Vermögen unsere Armut. Handwerk und „Mittelstand“ werden Geld und Einfluss verlieren . In eine Leistungsgesellschaft passt das steuerfreie Erben von Milliarden nicht. Denn Erben ist keine Leistung. Unsere Gesellschaft ist , was Oben und Unten angeht erstarrt.
    Übrigens bei zuverlässigen Autos kann ich nur herzhaft lachen. Welche Milliardäre haben uns die Betrugssoftware i.S. Abgas serviert? Letztlich betrifft der Betrug unsere Gesundheit und nicht nur den Geldbeutel.

  3. Clarissa Smith | 18. Januar 2017, 22:32 Uhr

    Bundesverwaltungsgericht als Entscheider zur Parteienfinanzierung

    Hallo Frau Geuther,
    wie wäre es, wenn im Bundestag die gesetzliche Option geschaffen würde, daß das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden könne, um einer mutmaßlich gefährlichen Partei die staatliche Finanzierung zu entziehen.
    Ich finde das Gegenargument der Unbedeutenheit paradox. Wartet man bis eine gefährliche Partei bedeutend wird, ist es zu spät, so wie 1933.
    Gruß
    Clarissa Smith