Brüssel, EU-Kommission
Günther Oettinger im Videomitschnitt seiner Rede im Hamburg. Quelle: Sebastian Marquardt
Günther Oettinger im Videomitschnitt seiner Rede im Hamburg. Quelle: Sebastian Marquardt
28.10.2016

Günther Oettinger fürchtet die „Pflichthomoehe“

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Dass Günther Oettinger gern mal einen flotten Spruch bringt und am liebsten Fußball-Metaphern verwendet, ist nichts Neues. Auf einer Veranstaltung in Hamburg hat der EU-Digitalkommissar vor Unternehmern nun aber ganze Lachsalven verschossen, von „Pflichthomoehe“ gesprochen und sich über Chinesen lustig gemacht.

Mittwoch, 26. Oktober 2016, Europaabend des AGA Norddeutscher Unternehmensverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e. V. Günther Oettinger ist als Festredner geladen. Er spricht über Europa, Digitalisierung, die Gefahren von Nationalismus und Populismus.

Der Verleger Sebastian Marquardt ist auch auf der Veranstaltung und verfolgt Oettingers Rede. Als Oettinger plötzlich von „Schlitzaugen“ gesprochen habe, habe Marquardt sein Smartphone gezückt und den Rest der Rede aufgezeichnet, erklärt er in einem Facebook-Post. Den Zusammenschnitt von Oettingers Auftritt hat er auf youtube veröffentlicht. Hier nun einige der rhetorischen Highlights des Kommissars:

Bezogen auf den Besuch einer chinesischen Delegation in Brüssel:

„Neun Männer, eine Partei, keine Demokratie. Keine Frauenquote, keine Frau – folgerichtig. Alle: Anzug, Einreiher, dunkelblau. Alle: Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt.“

Als Vergleich zu internationalen Streitschlichtungsverfahren:

„So wie Gerhard Schröder jetzt Tengelmann und Kaiser’s retten soll. Hat ja auch Zeit. North Stream 2 wird nicht gebaut, die Frau ist weg.“

Und auch die Schwesterpartei CSU kommt bei Oettinger nicht gut weg. Parteichef Seehofer bezeichnet er als „Populist light“. Bundesverkehrsminister Dobrindt bekommt indirekt einen mit, indem Oettinger von der „komischen Maut, die nicht kommen wird“ spricht.

Zugegeben: Der Mann weiß zu provozieren und manch einen auch zu unterhalten. Als Oettinger sich warm geredet hat und das Publikum auf seiner Seite wähnt, greift er selbst ganz tief in die populistische Trickkiste: Bezogen auf die seiner Ansicht nach ungenügende politische Tagesordnung in Deutschland fürchtet er:

„[…] bald noch mit der Pflicht-Homoehe, wenn sie eingeführt wird.“

Nach Sebastian Marquardts Beschreibung habe es zwar auch empörte Reaktionen auf Oettingers Äußerungen gegeben. Die seien auf der Veranstaltung aber in der Minderheit gewesen.

Man kann Oettingers Äußerungen kritisieren, als rassistisch und homophob und eines EU-Kommissars unwürdig bewerten. In jedem Fall hat Günther Oettinger unter Beweis gestellt, dass er – hätte es ihn nicht in die Politik verschlagen – ein hervorragender Bierzelt-Alleinunterhalter geworden wäre.

Nachtrag: Ob Oettingers Qualitäten als Stimmungskanone dazu beigetragen haben, dass er nun zum Vize-Kommissionspräsidenten ernannt wird, ist nicht bekannt.

Kommentare zu diesem Beitrag (9)

  1. Christoff Weise | 28. Oktober 2016, 23:35 Uhr

    Unterirdisch

    Herr Oettinger outet sich einmal mehr als populistischer, dumpfer, weißer heterosexueller Suprematist. Damit kommt man nach wie vor weit in Europa.

  2. Inkorruptus | 29. Oktober 2016, 11:42 Uhr

    Wo er Recht hat, hat er Recht.

    Wieso soll es rassistisch ein, einmal pointiert auf gravierende kulturelle Unterschiede aufmerksam zu machen?

    Warum ist es homophob, überzogene Forderungen der LGBT-community, die in Deutschland mit dem LPartG längst reichlich gesetzliche Gleichstellung erreicht hat, einmal zu karikieren? Warum soll man Ehe nennen müssen, was keine ist, weil sie nie Keimzelle einer Familie zur Sicherung des Nachwuchses auch für den Staat sein kann, mit all den damit auch verbundenen Belastungen?

    Die „political correctness“ in Deutschland ist allmählich unerträglich.

    • Inkontinentus | 30. Oktober 2016, 15:40 Uhr

      Zwei fragen dazu

      Ist die ehe zu einer unfruchtbaren frau eine ehe?

      Ist eine Tanne überhaupt ein Baum? Die hat ja gar keine Blätter.

      • hardy | 2. November 2016, 0:34 Uhr

        der war gut

        ich finde zwar eigentlich, daß das mal wieder die wöchentliche sau war, die zwanghaft durchs erregungswellendorf getrieben werden muss, der manchmal wirklich saudämliche öttinger ein unfassbares talent hat, das richtige sagen zu wollen, aber untrüglich ins nächste fettnäpfchen trampelt … aber ich finde es schon auch irgendwie traurig, wie bei dieser rosinenpickerei zur generierung eines neues „skandals“ der rest dessen was er sagen _wollte_ gleich mit baden gehen muss: ich bin seit 30 jahren mit computern zugange, 20 im netz … aber ich weigere mich, mir eines von diesen daddelgeräten zuzulegen, für jeden überall erreichbar zu sein und in einer blase von (nur virtueller) wischdischkeit durch die welt zu schleichen.

        vielleicht bemerkt man das ja nur, wenn man ohne den ganzen mist groß geworden ist („wir sind helden“ style). und vielleicht kann man so einen trottel wie ötti mit seinem verunglückten jokus „schlitzohr/auge“ leichter ertragen, wenn man mit strauß, filbinger und konsorten leben musste.

        „skandal“ sieht anders aus und vielleicht würden sich die dinge ändern, wenn weniger „skandal“ gekreischt würde und auf das geachtet, was gerade mit uns passiert.

        ein paar nette anregungen finden sich btw. in der serie „black mirror“ …

  3. Metsch | 29. Oktober 2016, 13:07 Uhr

    Oettinger 26.10. AGA-Rede

    Nein, lieber Herr Otto, ich bin überzeugt, wir Normalbürger haben diesen hochintelligenten Mann nur nicht verstanden. Denn höchstwahrscheinlich gehören wir lediglich der Gattung „Pack“ an oder der Fraktion der „BürgerEsel“, die die freiheitlich-demokratischen Grundwerte der EU, wie sie von Herrn Öttinger so medienwirksam vertreten werden, nicht verstanden haben! Nachdem Herr Öttinger uns eine Lektion in Sachen Asiaten erteilt hat, vielleicht mag er uns verraten, wie wir mit dieser Einstellung den Flüchtlingen begegnen sollten??

    Herzliche Grüße von einer minderbemittelten Bürgerin,
    Dr. Jutta Metsch

    (Der Doktortitel ist übrigens nicht geguttenbergt, ich habe ihn wahrscheinlich durch eine rein zufällige Ansammlung unverschämten Glücks gewonnen…)

  4. Bernd Gaiser | 29. Oktober 2016, 20:09 Uhr

    Oettinger ungeschminkt!

    Schwachsinn in Reinkultur!

  5. Vannessa | 30. Oktober 2016, 17:24 Uhr

    Erfrischend

    Das Video fand ich sehr erfrischend und unterhaltsam!

    Vielleicht manchmal etwas grenzwertig, was aber den Unterhaltungswert steigert.

    Die Aufregung verstehe ich nicht!

  6. Sportsmann | 1. November 2016, 8:33 Uhr

    Gibt es noch eine Steigerung

    Zuerst wird der Nazirichter Filbinger als lupenreiner Demokrat ernannt, dann „Schlitzaugen“, dann „Pflichthomoehe“, dann Wallonen als Kommunisten und hinterher „ich habs nicht so gemeint“…
    Unterstützung auch noch von ZDF-Kleber und Wolfgang Monitor von den Stuttgarter Nachrichten mit „Sie sollten einfach nur mal die Schnauze halten (die Kritiker).
    Am schlimmsten aber finde ich den Beifall von vielen die bei dem Vortrag anwesend waren.
    Wenigstens haben einige den Saal verlassen.

  7. Jens | 5. November 2016, 19:44 Uhr

    Na ja zum Blumengieser reicht es