Berlin, Brüssel, Europäischer Rat
Viele EU-Staaten haben bisher kaum Plätze für die Flüchtlingsverteilung bereitgestellt. Screenshot: Google Maps
Viele EU-Staaten haben bisher kaum Plätze für die Flüchtlingsverteilung bereitgestellt. Screenshot: Google Maps
08.12.2016

EU sitzt Flüchtlingsverteilung einfach aus

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Einigkeit ist in der EU gerade in vielen Bereichen ein scheues Reh. Viel zu oft blockieren nationale Interessen gemeinsame Lösungen. Besonders die Flüchtlingskrise hat das unter Beweis gestellt. Wenigstens bei der solidarischen Verteilung der Flüchtlinge aus Italien und Griechenland zeigt sich nun ungewohnte Einigkeit: Statt zu handeln wird das Problem einfach ausgesessen – gemeinsam.

Wieder einmal stellt die EU-Kommission den aktuellen Stand der Flüchtlings(verteilungs)krise vor. Wieder sind es traurige Zahlen, die EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos präsentieren muss: Insgesamt 8.162 Flüchtlinge wurden aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten umverteilt. Im vergangenen Jahr hatten sich die EU-Staaten noch darauf verständigt, insgesamt 160.000 Menschen aus Griechenland und Italien aufzunehmen, um diese beiden Länder zu entlasten. Passiert ist seitdem wenig. Nicht nur, weil es viel zu lang gedauert hat, bis die Flüchtlingszentren in Italien und Griechenland mit ihrer Arbeit beginnen konnten. Auch, weil die Mitgliedsstaaten bisher viel zu wenige Aufnahmeplätze bereitgestellt haben. Dabei ist deren Zahl keineswegs strittig, haben die Staaten dieser Verteilung doch vergangenes Jahr zugestimmt.

 

(Das Vereinigte Königreich und Dänemark sind nicht Teil des Abkommens aufgrund ihrer Sonderrolle, sich nicht an allen EU-Entscheidungen beteiligen zu müssen. Griechenland und Italien fallen ebenfalls aus der Betrachtung heraus, da sie im Rahmen des „Relocation“-Programms keine Flüchtlinge aufnehmen, sondern Flüchtlinge von dort aus verteilt werden.)

Und so sind es nicht nur die Flüchtlings-aversen Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, die bisher kaum bzw. gar keine Plätze bereitgestellt haben. Auch Deutschland ist nicht gerade ein Vorreiter in der Erfüllung seiner Verpflichtungen und hat gerade einmal für knapp 12% der aufzunehmenden Menschen Plätze bereitgehalten. Ganz anders Litauen, Malta und Irland, die über 70% der notwendigen Plätze bereits nach Brüssel gemeldet haben.

Avramopoulos macht Druck auf EU-Staaten

Auch Flüchtlingskommissar Avramopoulos geht das zu langsam. Er will nun Druck auf die Staaten machen, ihre Zusagen auch einzuhalten. Zwar betont Avramopoulos, dass in den vergangenen Monaten bereits Fortschritte gemacht wurden. So konnte unter anderem ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingestellt werden. Dabei ging es um Fehler bei der Registrierung der Flüchtlinge. Um aber bis September 2017 alle für eine Umsiedlung infrage kommenden Flüchtlinge zu verteilen – dieses Ziel hat Avramopoulos heute ausgegeben – müssten die Staaten pro Monat 3.000 Menschen aus Italien und Griechenland aufnehmen. Und dann wären gerade einmal knapp 40.000 weitere Flüchtlinge verteilt. Und das, wo allein in Italien in diesem Jahr bisher rund 175.000 Menschen angekommen sind und der Flüchtlingsdeal mit der Türkei keineswegs in Stein gemeißelt ist. Ganz zu schweigen davon, dass von den 160.o00 Relocation-Plätzen in der EU für über 60.000 noch gar nicht klar ist, welcher Staat davon wie viele bereitstellen wird. Diese Frage wird seit über einem Jahr offen gelassen. Bisher gab es einfach keinen Druck, sie zu beantworten.

 

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos © European Union 2016

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos © European Union 2016

Keine legalen Wege in die EU

Und dieser Druck wird auch nicht steigen, solange das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei funktioniert. Seitdem die Menschen von Griechenland aus wieder direkt in die Türkei abgeschoben werden können, kommen kaum noch Flüchtlinge auf den griechischen Inseln an. Im Gegenzug dafür erhielten bisher nur 2.761 Menschen durch diesen „1:1-Mechanismus“ die Chance, legal von der Türkei aus in die EU einzureisen und Asyl zu beantragen. Dabei hatte Angela Merkel nach Abschluss der Abkommens mit der Türkei noch angekündigt, dass man jetzt legale Wege in die EU schaffen müsse, um den Schleusern das Handwerk zu legen. Das stimmt nur auf dem Papier, denn den 2.761 aus der Türkei Umgesiedelten steht ein Vielfaches an Flüchtlingen gegenüber, die diese Chance nicht bekommen.