Berlin, Brüssel
Unter Donald Trump könnten sich die EU-US-Beziehungen entscheidend verändern. Foto © European Union 2015 EP
Unter Donald Trump könnten sich die EU-US-Beziehungen entscheidend verändern. Foto © European Union 2015 EP
20.01.2017

Wie Europa von Trump profitieren könnte

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Zugegeben: Es fällt leicht, Donald Trump jegliche Eignung zum US-Präsidenten abzusprechen. Aber vielleicht kommt es ja ganz anders, und der 45. Präsident der USA bringt doch nicht den Weltuntergang mit sich. Wie könnten wir in Europa von einem Präsidenten Trump profitieren?

Natürlich ist jede Prognose ein reiner Blick in die Glaskugel. Das ist schon deshalb gar nicht anders möglich, weil Trump selbst sich im Wahlkampf oft genug widersprochen hat. So rätseln Regierungen auf der ganzen Welt, mit was für einer zukünftigen US-Politik sie es zu tun haben werden. Und welche von Trumps Ankündigungen sich als heiße Luft entpuppen werden.

Schauen wir also in diese Glaskugel. Seien wir ganz optimistisch, setzen wir die rosarote Brille auf und lassen wir die vielen „Aber!“ beiseite, die uns vielleicht in den Kopf kommen. Was hat Europa von Präsident Trump?

1. Frischer Wind

Dass sich mit Donald Trump im Präsidentenamt die Politik in den USA verändern wird, hat der Wahlkampf bereits bewiesen. Trump hält nicht viel von politischen Gepflogenheiten, feuert lieber von der Bettkante aus noch einen scharfen Tweet ab, als sich mit seinem Pressestab zu beraten und eine offizielle Pressemitteilung zu veröffentlichen. Frischer Wind  kann dem Politikbetrieb gut tun und „verkrustete Strukturen aufbrechen“, wie es Journalisten gern nennen. Warum soll sich das nicht auch positiv auf den politischen Zirkus in Europa auswirken?

2. Entspannung mit Russland

Unter Präsident Trump könnte sich das Verhältnis zu Russland wieder entspannen. Russlands Vorgehen auf der Krim scheint für Trump keine große Rolle zu spielen. Er hat sogar angekündigt, die US-Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Möglicherweise könnte so der Dialog mit Russland wieder intensiviert werden.

3. Weniger neue Kriege

Trump hat im Wahlkampf erklärt, dass er aufwändige Militäreinsätze wie in Afghanistan oder dem Irak ablehne. Zwar will er mehr ins Militär investieren. Die Rolle als „Weltpolizist“ sollen die USA unter Trump aber nicht mehr spielen. So dürfte unter Trump auch ein stärkeres Eingreifen der USA in den Syrien-Konflikt unwahrscheinlich sein. In Anbetracht dessen, wie viele Nationen mit wie vielen (gegensätzlichen) Interessen in Syrien kämpfen, eine gute Nachricht.

4. Europa rückt zusammen

Europa könnte enger zusammenrücken. Sollten die USA sich einer protektionistischen „America first“-Außen- und Wirtschaftspolitik zuwenden, würde damit automatisch der Druck auf die EU-Staaten steigen, besser und enger zusammenzuarbeiten. Ein weltweiter Rückzug der USA aus der internationalen Politik könnte außerdem der EU mehr außenpolitisches Gewicht zukommen lassen.

5. TTIP ist tot

Von Globalisierung und Freihandel hält Trump nicht viel. So will er, dass die USA aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen TPP am ersten Tag seiner Amtszeit aussteigen. Alle Freihandels- und Globalisierungskritiker dürfen sich deshalb freuen: Das EU-USA-Abkommen TTIP dürfte in seiner jetzigen Form endgültig tot sein. Auf die Verhandlungen um das Dienstleistungs-Handelsabkommen TiSA (an denen u.a. auch Australien, Kanada und Mexiko mitarbeiten) würde sich ein Verhandlungsstopp der USA ebenfalls negativ auswirken.

In den kommenden Wochen und Monaten werden wir besser beurteilen können, wohin die Reise mit Donald Trump gehen wird – für uns alle. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass die Politik der USA globale Auswirkungen hat. Vor allem für einen Kontinent, der so eng mit den USA verbunden ist, wie Europa.

Dass der offenen und demokratischen westlichen Welt, wie wir sie kennen, mit Präsident Trump ein tosender Untergang bevorsteht, ist wohl ebenso übertrieben, wie die Heilsbringer-Erwartungen, die viele an Barack Obama zu Beginn seiner Amtszeit hatten. Am Ende wird auch die Amtszeit von Donald Trump irgendwo im Grau zwischen diesen beiden Extremen einzuordnen sein. So schmutzig Trump seinen Wahlkampf auch geführt hat, er verdient selbst von seinen größten Kritikern eine faire Chance, sich im Amt zu beweisen.

Kommentare zu diesem Beitrag (3)

  1. Ubikan | 20. Januar 2017, 17:54 Uhr

    Glaskugel

    Die ersten zwei Absätze noch vor Punkt 1 sind vernünftig, der Rest ist demnach auch überflüssig. Sie behinhalten die Worte „Glaskugel“ und „rosarote Brille“. Sehr zutreffend, auch die Begründungen (1. Widersprüche, 2. Wahlkampfrhetorik). Dabei hätte der Autor es belassen sollen.

    Neben diesen rein theoretischen positiven Seiten gibt es bereits jetzt ganz reale negative Seiten. Zunehmende Unsicherheit, zunehmende Verrohung von politischen Diskussionen, zunehmende Faktenresistenz.

    Für das Aufsetzen einer rosarote Brille gibt es also keinen Anlass.

  2. bernhard wening | 23. Januar 2017, 10:59 Uhr

    Chancen

    Es gibt soviele berechtigte Anlässe zur Kritik an diesem rassistisch, frauenfeindlich und polemisch …etc. auftretenden Narzisten.
    Es liegen aber auch Chancen für neu erweckten politischen und gesellschaftlichen Widerstand in der Bevölkerung hüben wie drüben aufgrund seines Verhaltens und seiner politischen Pläne.
    Europa hätte eine große Chance souveräner zu werden – Endlich !
    Dazu gehört dringend auch eine Annäherung an Russland ( nicht unbedingt an Putin ), eines der wichtigsten Ländern Europas.

  3. Jürgen Lenz | 21. Februar 2017, 9:55 Uhr

    Dauerschaden auch möglich

    Natürlich gibt es Fälle bei denen man aus einer schlimmen Krankheit gestärkt herauskommt. Aber die Möglichkeit von irreparablen Dauerschäden gibt es auch. Die wiederholten falschen Behauptungen Trumps sind entweder Kalkühl oder Realitätsverlust. Am Beispiel der angeblichen 3 Millionen gefällschten Wählerstimmen zeigt sich dann noch eine unglaubliche Bösartigkeit in der Behauptung, dass von diesen Stimmen keine einzige ihm, sondern alle Hillery Clinton zugefallen sind. Das allgemeine Fazit muss lauten: Selbst Politiker, die einen Minimalkonsens an Rationalität und Widerspruchsfreiheit in den (frischen) Wind schlagen können an die Macht kommen. Das hatten wir hier ja auch schon mit den bekannten Folgen. Dort wurden Gegner Volksverräter, die kritische Presse Lügenpresse genannt. Trump: Fake news media – Enemy of the people. Das ist die fast wörtliche Übersetzung. Was bleibt: Die Amerikaner müssen nun den Tiger reiten und auf die Checks and Balances hoffen. Bei uns muss mit ganzer Kraft gegen die Trump liebenden Populisten gegengehalten werden.