Brüssel, Europaparlament
Jean-Claude Juncker im Europäischen Parlament © European Union 2017
Jean-Claude Juncker im Europäischen Parlament © European Union 2017
04.07.2017

„Sie sind lächerlich!“

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Da musste sogar Kabinettschef Martin Selmayr mit den Augen rollen: Weil nur eine handvoll Zuhörer gekommen war, hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Europäische Parlament als „lächerlich“ bezeichnet. Die Kritik mag berechtigt sein, allerdings drückt sich Juncker selbst gern um so manchen Termin.

Dienstagmorgen im Europäischen Parlament: In einer Aussprache soll ein Fazit der gerade zu Ende gegangenen maltesischen Ratspräsidentschaft gezogen werden. Anwesend sind neben dem maltesischen Premier Joseph Muscat und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nur eine Handvoll Abgeordneter. Dem Kommissionspräsidenten geht das gegen den Strich. Statt seine eigentliche Rede zu halten, macht er seinem Ärger Luft:

 

 

Das Parlament sei lächerlich, nur 30 Abgeordnete seien gekommen. Würden Angela Merkel oder Emmanuel Macron sprechen, wäre das Haus voll, so Junckers Kritik.

Auch als Parlamentspräsident Antonio Tajani Juncker um einen angemesseneren Ton bittet, lässt Juncker sich nicht von seiner Kritik abbringen und droht, nie wieder an „solch einer Sitzung“ teilzunehmen.

Keine Zeit fürs Plenum?

Die Kritik an Junckers Wutrede ließ nicht lange auf sich warten: Der grüne Abgeordnete Sven Giegold forderte eine Entschuldigung. Juncker habe als Kommissionspräsident die Pflicht, dem Parlament zu berichten, seine Weigerung sei selbstgerecht gewesen und arrogant, so Giegold in einem schriftlichen Statement.

Der sozialdemokratische Fraktionschef Gianni Pittella hingegen zeigte Verständnis und kritisierte ebenfalls die kleine Zahl anwesender Abgeordneter. Er wies aber zugleich darauf hin, dass es parallel zur Plenarsitzung noch viele weitere Termine gäbe. Er selbst habe sich während der Aussprache mit einem Vertreter der Kommission getroffen – weil dieser zu keinem anderen Zeitpunkt Zeit gehabt hätte.

Tatsächlich haben Abgeordnete neben den Plenarsitzungen viele weitere Termine während der Plenarwoche: Da gibt es Fraktionssitzungen, Pressebriefings, Interviewtermine, Ausschusssitzungen oder Treffen mit Interessenvertretern. Das kann allerdings keine Erklärung dafür sein, dass von 751 Abgeordneten nur so wenige erscheinen, wenn die Arbeit des vergangenen Ratsvorsitzes ausgewertet werden soll. Oder liegt es vielleicht an der frühen Uhrzeit? Es zeigt jedenfalls, dass die meisten Abgeordneten diesem Tagesordnungspunkt nur wenig Bedeutung beimessen.

Juncker muss sich an eigene Nase fassen

Dass es nun gerade Jean-Claude Juncker ist, der diese Kritik ausspricht, ist allerdings auch in gewisser Weise ein Treppenwitz. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Juncker den Brüsseler Journalisten versprochen, dass seine Kommissare und er selbst regelmäßig im Pressesaal der Kommission Rede und Antwort stehen würden. Was die Kommissare angeht, stimmt das auch: Jede Woche erklären sie selbst ihre Vorhaben und Berichte, die sie vorstellen. Der Kommissionspräsident drückt sich aber um diese Auftritte.

Danach gefragt, weisen seine Sprecher darauf hin, dass Juncker doch regelmäßig vor der Presse Fragen beantworte, zum Beispiel bei jedem EU-Gipfel. Der Unterschied: In solch einem Setting kann Juncker jede unbequeme Frage abweisen mit dem Argument, dass dieses Thema auf dem Gipfel keine Rolle spiele und es jetzt gerade doch um die Themen des Gipfels gehe. In seinem eigenen Pressesaal geht das nicht so leicht.