Berlin, Brüssel, Bundesregierung, EU-Kommission, Europäischer Rat
Brüssel auf Pause. Foto (bearbeitet) © European Union, 2017
Brüssel auf Pause. Foto (bearbeitet) © European Union, 2017
12.10.2017

Brüssel wartet auf Berlin

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Während in Berlin sondiert wird, unter welchen Voraussetzungen eine Jamaika-Koalition zustande kommen könnte, steht in Brüssel der Betrieb still. Ohne neue Bundesregierung stehen die großen Projekte auf Pause.

Natürlich wird auch ohne neue Bundesregierung in Brüssel gearbeitet: Parlamentsausschüsse tagen, die Kommission hütet die Verträge, und auch der Rat, also die Vertreter der Mitgliedsstaaten, trifft sich wie geplant. Ganz ohne Regierung steht Deutschland momentan auch nicht da, immerhin ist die „alte“ Bundesregierung im Amt, bis eine neue vereidigt wird. Aber: Alle politischen Entscheidungen, in die die Mitgliedsstaaten involviert sind, liegen zur Zeit auf Eis. Im Moment wird nur abgearbeitet, was eh schon beschlossen ist.

Beispiel Zukunft der EU: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte in der Rede zur Lage der Union seine Reformvorschläge konkretisiert. Ihm folgte der französische Premier Emmanuel Macron mit seiner Rede vor Studenten der Sorbonne, wo er seinen Katalog mit Ideen präsentierte. Vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs am 19. und 20. Oktober will Ratspräsident Donald Tusk seinen Zeitplan für die anstehenden Reformvorhaben vorlegen. Viele Politiker haben bereits ihre Meinung zu den genannten Vorschlägen dargestellt. Allein es wird auf dem kommenden Gipfel dazu keine politische Entscheidung geben. Wer weiß, welchen Aspekt eine neue Bundesregierung mittragen würde oder auch nicht? Bundeskanzlerin Merkel hat genug politisches Feingefühl, die sowieso schon schwierig zu werden drohenden Koalitionsverhandlungen nicht noch durch einen Schnellschuss in Brüssel zu torpedieren. Ähnlich hatte sich schon Wolfgang Schäuble am Montag positioniert, vor Beginn seines letzten Finanzministertreffens:

 

„Wir werden ein wenig auf der Grundlage des Berichtes von Präsident Juncker und natürlich auch der Rede von Präsident Macron, auch in der Vorbereitung die Diskussion im Europäischen Rat über die Weiterentwicklung/Vertiefung der Währungsunion insbesondere diskutieren. Aber Entscheidungen werden wir ganz sicher nicht treffen. Ich habe auch in vorbereitenden Gesprächen natürlich darauf aufmerksam gemacht, dass wir in Deutschland im Augenblick auch in einer gewissen Übergangssituation sind. Wir haben eine gute Regierung voll im Amt, aber wir haben eine Wahl hinter uns und sind in den Bemühungen, eine neue Regierung zu bilden. Und in einer solchen Phase trifft man nicht grundlegende Entscheidungen.“

Beispiel Glyphosat: Seit über zwei Jahren können sich die EU-Mitgliedsstaaten hier nicht einigen, ob die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in der EU verlängert wird. Der Patt kommt unter anderem dadurch zustande, dass auch die bisherige Bundesregierung gespalten ist. Während Agrarminister Christian Schmidt die Zulassung gern verlängern würde, ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks strikt dagegen. Deshalb hat sich Deutschland bei den Abstimmungen bisher enthalten. Nun wurden weitere Abstimmungsversuche zunächst verschoben, solange es keine neue Bundesregierung gibt. Dabei drängt die Zeit: Bis zum 15. Dezember soll eine Entscheidung her, denn dann läuft die von der Kommission vorübergehend verlängerte Zulassung aus.

Dass sich an der jetzigen Situation so schnell etwas ändert, davon ist nicht auszugehen. In Berlin rechnet man damit, dass sich mögliche Koalitionsverhandlungen noch bis Ende des Jahres hinziehen werden. So lange werden dann auch in Europa keine wichtigen politischen Entscheidungen fallen, an denen die Bundesregierung beteiligt ist.