Berlin, Digitalpolitik, Parteien
Die Jamaika-Koalitionäre in Spe wollen das Internet aus dieser unscheinbaren schwarzen Kiste herausholen und unter die Menschen bringen.
Die Jamaika-Koalitionäre in Spe wollen das Internet aus dieser unscheinbaren schwarzen Kiste herausholen und unter die Menschen bringen.
30.10.2017

Sondierungen: Zwischenstand Digitalpolitik – Re: AW: AW: Antworten?

Von

„Digital First, Bedenken Second“ plakatierte die FDP, die Bundeskanzlerin wollte im TV-Duell eigentlich lieber über die großen, anstehenden digitalen Herausforderungen reden. Da könnte man glatt denken, dass bei Sondierungsverhandlungen bereits große Pflöcke eingerammt würden. Ein erster Blick auf die vorläufige Einigung der Sondierer.

Die Eckdaten für die Digitalpolitik, auf die sich die vier Parteien einigen konnten, twitterte am frühen Abend der FDP-Chef Christian Lindner. Anhand dieser soll nun weitersondiert werden.

Etwas umfangreicher und einfacher zu lesen ist das Ganze bei der CDU. Natürlich wäre noch einiges in den eigentlichen Koalitionsverhandlungen zu erledigen. Aber: vieles ist erstaunlich oberflächlich – und sollte es in einem Koalitionsvertrag nicht sehr, sehr viel klarer gefasst werden, wird es entweder wieder nichts mit dem Digitalisierungsschub. Oder aber es wird ein Fest für den künftigen Koalitionsausschuss, die offenen Fragen noch zu klären. Eindeutig ist aber bei dem Zwischenstands-Papier: hier finden sich vor allem Union und FDP wieder – die Grünen kommen programmatisch bei diesen Leitplanken ziemlich unter die Räder. Doch von vorne.

Breitbandausbau

Flächendeckender Breitbandausbau in Gigabitgeschwindigkeit bis 2025. Über Art und Weise des Breitbandausbaus sowie seine Finanzierung ist zu sprechen.

 

Zudem: Funklöcher sollen kurzfristig zugespachtelt werden, Vorreiterrolle beim Ausbau der nächsten Generation des mobilen Datenfunks (5G).

Klingt ganz gut, nur baut die Bundesregierung keine Funkmasten. 5G ist eine Technologiebeschreibung, momentan in Testläufen – und die derzeit potentesten Ausrüster für diese Technologie kommen aus China und Südkorea. Was das braucht: Frequenzzuteilungen, einen Markt, Frequenzen, Endgeräte, Standorte für Masten, die müssen mit Glasfaserkabeln angebunden werden. Politisch kein Hexenwerk, den Großteil der Umsetzung wird die Wirtschaft übernehmen.

Schwieriger: Gigabitgeschwindigkeits-Breitbandausbau flächendeckend. Gedrückt haben sich die Koalitionäre-in-Spe um jede Konkretisierung. Was soll flächendeckend heißen? Ist 5G für Jamaika auch Gigabit? Sollen alle Technologien oder nur Glasfaser dieses Ziel erreichen helfen? Fragen über Fragen – und bei der Finanzierung geht es auch darum, wie viele Milliarden man hier ausgeben will. Glasfaser ist teuer, vor allem das physische Aufmachen des Bodens und verlegen von Rohren macht knapp 80 Prozent der Gesamtkosten aus. Und die Fortschritte, die sei 2013 gemacht wurden, sind eher überschaubar – viel ist zuletzt im Bereich der Regulierung dafür geschehen, hat aber praktisch noch kaum Wirkung gezeigt.

Wenn die Sondierer nun also schreiben, dass Art und Weise und Finanzierung zu klären seien, handelt es sich de facto also bloß um eine Absichtserklärung mit Zieldatum 2025. Ich hoffe, man hat für diese Weisheit nicht zu lange verhandeln müssen und findet vielleicht doch noch etwas mehr, was man als gemeinsames Ergebnis finden könnte.

Digitalstaatsministerkabinettsausschuss

Klärung der Art und Weise der Organisation der Digitalkompetenzen in der Bundesregierung.

Hätte man dafür sondieren müssen? Natürlich lässt sich erst mit einem Kompetenzzuschnitt sinnvoll sagen, welche Digitalkompetenzen wo angesiedelt werden sollen. Aber: Wenn es kein eigenes Digital-Ministerium gibt, und dafür spricht bislang nichts, hatten sich alle für einen Staatsminister im Kanzleramt ausgesprochen, vielleicht zusätzlich einen ständigen Staatssekretärsausschuss. Daher ist dieses Sondierungsergebnis, dass man Art und Weise klären müsse schon überraschend schwach und unkonkret. Auch hier: hoffentlich dauerte dieses Zwischenergebnis nicht zu lang.

Marktregulierung

Wie umgehen mit den neuen Marktgegebenheiten? Wie umgehen damit, wenn die digitalen Infrastruktur-Konzerne Apple, Google, Amazon, Huawei, ZTE, Facebook und Co. auch in traditionellen Branchen künftig noch mehr Macht entwickeln, auch in Bereichen, an die man heute vielleicht noch gar nicht denkt? Die Antwort der Sondierer ist die:

Ergebnisoffene Überprüfung der europäischen wettbewerbs- und kartellrechtlichen Rahmenbedingungen

Das ist offen. Sehr offen. Ergebnis: Offen. Uff.

Daten

Schaffung eines modernen Datenrechts unter Wahrung der digitalen Bürgerrechte und der Datensouveränität sowie Nutzung der Spielräume der Datenschutzgrundverordnung für datengetriebene Geschäftsmodelle und die Entwicklung der Plattformökonomie; Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Zwecken, staatlichen Sicherheitsinteressen und den Datenschutzinteressen der Bürger.

Es gibt Daten, für die gibt es Datenschutz – und es gibt andere Daten. Das Geburtsdatum, die Verhaltensweise eines Menschen – das sind personenbezogene Daten, vielleicht personenbeziehbare Daten. Aber es gibt auch die anderen Daten, die ohne Personenbezug. Zum Beispiel, wenn ein Container von A nach B be- und verladen wird, wenn die korrekten Komponenten für einen Hausneubau auf Geodaten basierend berechnet werden müssen, wenn Daten über Wetter, Wasser und Boden für die Landwirtschaft genutzt werden. Hier geht es stark um Dateneigentumsrechte.
Allerdings scheint die getroffene Formulierung vor allem hinter dem Semikolon für etwas anderes zu stehen: das Datenschutzinteresse der Bürger steht zuletzt – und nur gleichrangig mit wirtschaftlichen Zwecken (nicht weiter qualifiziert, FDP- und CDU/CSU-Position) und staatlichen Sicherheitsinteressen (traditionelle Unionsposition). Die nun vorerst getroffene Formulierung spricht dafür, dass die Grünen in den Sondierungen ziemlich mäßig um das Thema Bürgerrechte streiten.

Vernetzte Verwaltungsportale

Endlich vom Schreibtisch aus alles erledigen! Oder doch nicht? „Schaffung vernetzter Verwaltungsportale mit einheitlichem Online-Zugang“ klingt ambitioniert. Bloß: Ähem. Das ist bereits Gesetz – das Onlinezugangsgesetz trat am 18.08.2017 in Kraft. Und „über die bis 2022 alle hierfür geeigneten Verwaltungsleistungen auch online erledigt werden können“? Tja, das muss bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Inkrafttreten.. ach, rechnen Sie selbst nach. Sie werden kaum glauben können, was Sie dann herausfinden… Und die kleine Einschränkung, die die Sondierer noch drin haben? „Alle hierfür geeigneten Verwaltungsleistungen“ – übersetzt heißt das: bitte keine Angst, auch Jamaika droht Ihnen wirklich nicht mit Amtsentzug.

Soviel als kleiner Sprung in die digitalen Ambitionen der Jamaika-Sondierer an einem Montagabend.

Kommentare zu diesem Beitrag (2)

  1. A. Rebentisch | 31. Oktober 2017, 10:36 Uhr

    Alles fehlt bislang

    Vielen Dank für den Artikel.

    Die Frage ist, was fehlt, und die Antwort ist: alles.

    Also:

    – Breitbandausbau, ob die Regierung was tut oder nicht, passiert sowieso.
    – Modernes Datenrecht, da wird die Regierung ohnehin das neue EU-Recht umsetzen.

    Für die anderen Punkte gilt exakt das Gleiche. Es würde eine Nullrunde bisher sondiert, mit Aspekten, die ohnehin (seit mehr als 10 Jahren) getan oder demnächst passieren werden. Selbst eine zukünftige Regierung auf Autopilot wäre digital ambitionierter.

  2. Irene Latz | 31. Oktober 2017, 13:38 Uhr

    und Whistleblowerschutz

    … es fehlt alles – und Whistleblowerschutz!
    heute, amReformationstag, sagt sogar die Kirche, wie gefährlich es leider immer noch ist, auf Unrecht hinzuweisen, hier und jetzt:
    wenn also die Sondierung
    – mehr Polizei,
    – zentraleren „Verfassungschutz“ ( also Inlandsgeheimdienst) und
    – mehr Videoüberwachung ( im Zeitalter der biometrischen Erkennung )
    enthält, – wie unsere Radionachrichten gerade vermelden – ,
    dann ist doch die Frage:
    wo bleibt das Gegengift zum Schutz der Edward Snowdens und Alan Rusbridgers, David Mirandas in der Zukunft ???
    Wo sind dann Whistleblowerschutz und Entfernung des „Landesverrats“-StGB-§?
    Wo wird StGB 202 D / („Datenhehlerei“) wieder zurückgenommen ?
    Was wird getan, um Journalisten nicht auszuschließen wie zuletzt bei G20 in Hamburg aufgrund von irgendwelchen Gerüchteküchen unseres Geheimdienstes+“Freunden“?
    ( „russischer Agent“ gegen Snowden war fake-News, aber der Mann ist immer noch Chef des Inlandgeheimdienstes ) …
    Wo wird das Trennungsgebot ( Polizei / Geheimdienste ) verteidigt?
    Wie kann man in dem Gebäude, in dem die Sondierer sprechen, nur so geschichtsvergessen sein?