12.11.2014

12.11.2014: Der Mauerfall und das EU-Parlament

Heute hat auch das EU-Parlament in Brüssel an den Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren erinnert. Der deutsche Botschafter Eckart Cuntz und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, haben dazu eine Gedenktafel vor dem Parlament enthüllt. Auch ein Stück der Berliner Mauer steht nun vor dem Gebäude.

1.) „Es waren die Völker Europas selbst, die ihre eigene Geschichte schrieben und den Lauf der Welt veränderten.“ Am Nachmittag hat Parlamentspräsident Martin Schulz in einer Rede an die Ereignisse im Jahr 1989 erinnert. „Dass wir, die Repräsentanten dieser Völker Europas, hier gemeinsam arbeiten können, das verdanken wir dem Mut der Menschen, die für ihre Überzeugungen auf die Straße gingen“, sagte er.

2.) Wie hat sich die deutsche Einheit am 9. November 1989 im Europäischen Parlament ausgewirkt? Antworten gibt diese Studie. Sie zeigt, wie die europäische Gemeinschaft auf die Wiedervereinigung reagiert hat und welche Folgen die Einheit hatte – zum Beispiel für den Haushalt.

3.) Wie einige EU-Abgeordnete den Tag des Mauerfalls erlebt haben, erzählen Sie in diesem Video:

 

 

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03.11.2014

03.11.2014: Mehrheiten im Rat

François Hollande, Angela Merkel, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz beim EU-Gipfel im Oktober 2014 © European Union, 2014

François Hollande, Angela Merkel, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz beim EU-Gipfel im Oktober 2014 © European Union, 2014

Seit dem Wochenende (1.11.) hat sich in Europa etwas verändert: die Definition der „qualifizierten Mehrheit“. Sie spielt eine wichtige Rolle in den Abstimmungen des Ministerrats der Europäischen Union. Neben den Entscheidungen, bei denen die einfache Mehrheit genügt, und den ganz tiefgreifenden, die Einstimmigkeit erfordern, ist die qualifizierte Mehrheit das Kriterium im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.

Nun wurde die qualifizierte Mehrheit in der Definition des Vertrages von Nizza (einfache Mehrheit der Staaten, sowie 74% der Einwohner) abgelöst durch die Version des Lissaboner Vertrages (55% der Staaten und 65% der Einwohner). In beiden Fällen geht es um eine doppelte Mehrheit: nach Mitgliedsstaaten und Einwohnern. Die den Einwohnerzahlen unproportionale Verteilung der Stimmgewichte auf die Mitgliedsländer sorgt oft für Befremden. Es gilt jedoch zu bedenken, dass souveräne Staaten, mögen sie klein oder groß sein, die Verhandlungen führen und als „dramatis personae“, also als handelnde Akteure betrachtet werden.

1) Jürgen Habermas formulierte die grundsätzliche Kritik, beim Europäischen Rat handele es sich um Exekutivföderalismus (Minister, also Mitglieder der Exekutive, bilden in einem supranationalen Organ plötzlich die Legislative), der der Gewaltenteilung zuwiderlaufe.

2) Eric Meyer von der Uni Münster untersucht in seiner Studie die Macht der Mitgliedsstaaten im Ministerrat der EU.

3.) Rainer Hofmann beleuchtet die rechtliche Stellung der Unionsorgane, ihre institutionellen Abhängigkeiten und die Frage der Gewaltenteilung in einem Skript zum Europarecht.

Die Gewinner des Verfahrens von Nizza – Länder mit überproportionalem Stimmgewicht – waren Spanien und Polen. Sie gönnen sich noch ein kleines Rückzugsgefecht: Die neue Version der „qualifizierten Mehrheit“ gilt bis zum 1.11. 2017 unter Vorbehalt. Ein Mitgliedsstaat kann bis dahin die Anwendung der Nizza-Regeln verlangen.

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Martin Schulz und Jean-Claude Juncker
22.10.2014

22.10.2014: Neue EU-Kommission

Schon bei der „Spitzenkandidaten“-Prozedur hatte das Europäische Parlament eine größere Rolle gespielt – oder, wie viele Beobachter meinen: sich angemaßt.  Nun wurde in Straßburg über das gesamte Kollegium abgestimmt. Junckers Team erhielt die Zustimmung der „Großen Koalition“ (dafür  423, dagegen 209, bei 67 Enthaltungen). Ein Blick auf Webangebote der europäischen Institutionen, die diesen Vorgang dokumentieren:

1) Eine entsprechende Pressemeldung erschien gleich nach der Abstimmung auf der „rapid“-Nachrichtenwebseite der Europäischen Kommission.

2) „Europe by Satellite“, der Videokanal der Kommission, übertrug live: über den in Mitteleuropa eigentlich weniger populären aber preiswerten Satelliten Eutelsat 9A, sowie als Stream von EbS+ im Internet.

3) Das Europäische Parlament unterhält natürlich ein umfangreiches audiovisuelles Portal, wo Livestreams, Informationssendungen und ein lückenloses Archiv sich reichlich unübersichtlich ergänzen. Die heutige Rede Junckers, die anschließende Debatte und Abstimmung finden Sie während der laufenden Plenartagung hier (in Text, Ton und Bild), danach rückt das Angebot in den „Video auf Anforderung“-Bereich mit guter Suchfunktionalität.

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21.10.2014

21.10.2014: Gasverhandlungen

Wenn heute hier in Brüssel die ukrainischen und russischen Energieminister Prodan und Nowak mit dem EU-Kommissar Oettinger über eine Einigung im Gasstreit beraten, dann hofft nicht nur die Bundesregierung, dass eine Regelung dieser ökonomisch so wichtigen Frage auch zu einer politischen Stabilisierung führen möge. Sicher ist das keineswegs: Am Wochenende wählen die Ukrainer unter OSZE-Beobachtung ein neues Parlament, während es im Osten des Landes weiter gärt und der militärische Konflikt nur mühsam angehalten erscheint.

1) Eine profunde Studie des aktuellen Konflikts (es ist ja durchaus nicht der erste) im Spannungsfeld von Gaspreisformel und politischem Druck legt Dr. Roland Götz in den Ukraine-Analysen 136 ab S. 16 vor.

2) „Mit offenen Karten“, das sehenswerte wöchentliche geopolitische Magazin von ARTE, schildert in diesem Video die Bedeutung des Rohstoffs Erdgas, dessen Reserven noch für etwa 65 Jahre reichen.

3) Das Gaspipelineprojekt Nabucco, dessen Facetten die österreichische Zeitschrift profil sehr spannend erzählt, sollte an Russland und der Ukraine vorbei führen und den Markt diversifizieren. Die Brüsseler Denkfabrik Carnegie Europe meinte zum Ende dieses Projekts schlicht: „Victory for Russia“.

 

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20.10.2014

20.10.2014: Außenministerrat

Heute tagt in Luxemburg der Rat für Auswärtige Angelegenheiten. Dazu treffen sich die Außenminister der 28 EU-Mitgliedsstaaten unter dem Vorsitz von Catherine Ashton als nicht stimmberechtigter Präsidentin. Die europäischen Ratstagungen auf Fachministerebene finden im April, Juni und Oktober in Luxemburg und nicht in Brüssel statt. (Möglicherweise wird dieses Wissen mal als Antwort bei Günther Jauch bares Geld wert sein?)

1)  Auf der (hier kommentierten) Tagesordnung finden sich u. a. politische Krisengebiete wie die Ukraine, Gaza und Libyen, der Komplex Irak/Syrien und IS, sowie die Bekämpfung der Seuche Ebola.

2) Eine Frau steht diesem Rat vor, die auch Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaaten und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission ist: Catherine Ashton. Es ist ihr letztes Außenratstreffen. Wie hat sie sich geschlagen, sie, die sich nach dem Vertrag von Lissabon ihre eigene Behörde, den European External Action Service erst aufbauen musste? Unsere Korrespondentin in Brüssel, Annette Riedel, zog anlässlich der Diskussion um die Ashton-Nachfolge Bilanz.

3) Wolfram Weimer, Cicero-Herausgeber und ehemaliger Chefredakteur der „Welt“, ist hingegen gar nicht milde gestimmt. In seiner Abrechnung erscheint Catherine Ashton geradezu als das Paradebeispiel der kompetenzfreien Amateurin, die in Brüssel auf eine Position gehoben wurde, in der sie durchaus außenpolitische Gefahren heraufbeschwören statt abwehren kann.

 

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13.10.2014

13.10.2014: Staatliche Beihilfen

Staatliche Beihilfen sind in der EU aus wettbewerbsrechtlichen Gründen prinzipiell untersagt – mit Ausnahmen, die im Artikel 107 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) benannt werden. Marktversagen (oder auch ein Wahlversprechen, wie ein Kommissionsbeamter schmunzelnd hinzufügte) ist die notwendige Voraussetzung, die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe bei der EU-Kommission zu beantragen, diese Maßnahme zu „notifizieren“. Auch die Nichtexistenz eines Marktes könnte als Marktversagen eingestuft werden.

1.) Unzählige Beihilfefälle, häufig im Interesse von kleinen und mittleren Unternehmen, ziehen unbeachtet von der Öffentlichkeit vorbei. Gerade erregt aber ein spektakulärer Fall  Aufmerksamkeit:  Einem Antrag der britischen Regierung wurde – nach langer Prüfung und zähen Nachverhandlungen – stattgegeben, ausgerechnet zur Finanzierung einer Nuklearanlage. Die Geschichte zu Hinkley Point C erzählt Marlies Uken.

2.) Mitarbeiter der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft und der unlängst vom Brüsseler Büro einer internationalen Anwaltskanzlei zur EU-Kommission gewechselte Spezialist für Wettbewerbsrecht Thomas Wiese schildern in diesem Praxisleitfaden des europäischen Beihilferechts viele auch für  den Nichtjuristen und Nichtantragsteller interessante Aspekte.

3.) Das Beihilfeverfahren steht, siehe Hinkley Point, mit einem Bein immer in der Politik. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Wettbewerbskommissare ihrer Behörde, dem für seine hohen Anforderungen und exzessiven Arbeitszeiten bekannten Generaldirektorat Wettbewerb, eine politische Richtung geben müssen. Diese Seite schildert exemplarisch das Reformprogramm des scheidenden Kommissars Joaquín Almunia.

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22.08.2014

22.08.2014: Bildung der EU-Kommission

Die EU-Kommission ist das Exekutivorgan der Europäischen Union. Derzeit wird hinter verschlossenen Türen, aus denen aber dennoch vieles nach außen dringt, über die Zusammensetzung der kommenden Kommission unter Jean-Claude Juncker beraten. Was man über die Bildung der Kommission grundsätzlich wissen sollte fasst Bernd Hägemann zusammen:

1) Die Europäische Kommission ist die Hüterin der Verträge. Diese wohlklingende Charakterisierung hörte man oft vom scheidenden Kommissionspräsidenten Barroso und seinem Sprecherteam. Besonders dann, wenn es wieder nötig wurde, die Mitgliedsstaaten – die Herrinnen der Verträge – angesichts fragwürdiger politischer Entscheidungen oder eigennütziger Subventionen darauf hinzuweisen, dass sie diese ja selbst geschlossen hatten.

In den Verträgen ist auch die Bildung und der Auftrag der Europäischen Kommission beschrieben, im Art. 17 des Vertrages über die Europäische Union und im Art. 244 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wie der frühere „EG-Vertrag“ seit dem Vertrag von Lissabon heißt. Das Initiativrecht der Kommission in der Legislative wurde noch durch die neu geschaffene Kategorie der „delegierten Rechtsakte“ verstärkt,  die allerdings inzwischen von vielen Juristen kritisch betrachtet werden, weil sie der Kommission mehr Macht verleihen könnten, als beabsichtigt war. Eine Studie des European Institute of Public Administration schildert Ver- und Gefahren ausführlich.

2) Ein Whistleblower hat es auch im Umfeld der Europäischen Kommission nicht leicht, wie Paul Van Buitenen 1998/99 erfahren musste. Dabei whistleblowte er eigentlich gar nicht, sondern ging nur gewissenhaft seiner Aufgabe als Beamter im Controlling  der Kommission nach. Die dabei zu Tage getretenen Unregelmäßigkeiten meldete er, und als sich niemand dafür interessierte, wandte er sich an politische Kreise und gab so der gereizten Stimmung zwischen Europäischem Parlament und Kommission Nahrung. Misswirtschaft und Nepotismus waren die Vorwürfe.

Besonders der Fall der französischen Kommissarin Cresson, die schon in ihrer Zeit als Premierministerin die Öffentlichkeit mit anthropologischen und soziologischen Erkenntnissen verblüffte, die mit dem Ausdruck „politically incorrect“ sehr milde umschrieben sind, hatte es unter anderem durch die wohlbezahlte Beschäftigung ihres Zahnarztes für unerklärliche Beratungsleistungen in ihrem Kabinett übertrieben. Das Echo in der Öffentlichkeit war ebenso gewaltig wie der eigentliche Schaden gering. Das Europäische Parlament drohte der Kommission Santer mit einem Misstrauensvotum, worauf sie geschlossen (etwas anderes sahen die Verträge nicht vor) im März 1999 zurücktrat. Der belgische Wettbewerbskommissar Karel van Miert, ein Mann offener Worte, der kurz zuvor darauf hingewiesen hatte, dass die Leuna-Affäre „stinke“, ärgert sich über die Affäre in einem Interview mit der Zeit.

3) Inzwischen, nach Lissabon, kann der Kommissionspräsident bei Bedarf auch einzelne Mitglieder der Kommission entlassen, wie es im immer noch nicht befriedigend durchleuchteten Fall Dalli geschehen ist, in dem auch die Rolle des europäischen Betrugsbekämpfungsamtes OLAF umstritten bleibt. Der neue Kommissionspräsident steht fest. Nach einem Verfahren, in dem sich Menschen zwischen Malta und Kiruna in häufig mehr linguistischer als politischer Freude des Topos‘ „Spitzenkandidaten“ bemächtigten, wurde er vom Europäischen Parlament gewählt: Jean-Claude Juncker. Seinem Wunsch, mehr Frauen im Kollegium zu haben, scheinen die Mitgliedsstaaten mit ihren Vorschlägen nicht Folge zu leisten. Im Gegenteil: Während die Zahl der Kommissare (entgegen dem Vertrag von Lissabon – aber nach Vereinbarung der Mitgliedstaaten)  gleich bleibt: eine/r pro Mitgliedsland, stehen erst 5 bis 6 Frauen auf der Liste.

Eine von ihnen ist Federica Mogherini, die umstrittene Kandidatin Italiens für das Amt der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, in einer Person Vizepräsidentin der Kommission und Vorsitzende des Außenrates der Mitgliedsstaaten. Das Parlament muss die gesamte Kommission bestätigen.

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