27.11.2015

Formate des Politischen: Eröffnungsrede Stephan Detjen

Formate des Politischen

Begrüßung durch Stephan Detjen
26.11.2015, Bundespressekonferenz

 

Der Begriff der Formate im Titel dieser Tagung bezieht sich auf Politik und Medien gleichermaßen. Er taucht hier wie da immer häufiger auf, um neue Verfahren, Methoden und Darstellungsweisen politischer Prozesse und Diskurse zu beschreiben. In der Politik beobachten wir vor allem auf internationaler Ebene, wie von neuen Entscheidungs-, Gespräch- und Diskussions- „Formaten“ die Rede ist.

  • Die Ukraine Krise soll im „Normandie Format“ gelöst werden.
  • Das G8 Treffen schrumpft zum G7 Format.
  • In der Euro-Krise wurde die „Frankfurt Dinner Group“ zu einem geheimnisumwobenem Gesprächsformat der mächtigen Akteure in Politik und Finanzwelt, die bei abendlichen Zusammenkünften angeblich über das Schicksal ganzer Staaten entscheiden.

Aber auch auf nationaler und lokaler Ebene sucht die Politik nach neuen Wegen, Entscheidungen zu treffen, mit den Bürgern jenseits von Wahlkämpfen ins Gespräch darüber zu kommen und gesellschaftliche Akteure einzubinden:

  • Die Kanzlerin lädt zum Bürgerdialog.
  • Der Innenminister gründet die Islamkonferenz.
  • Der Bürgermeister beauftragt professionelle Moderatoren, um ein Forum für die Debatte über ein kommunales Bauprojekt zu schaffen.

Solche neuen Formate der Politik treten neben die hergebrachten Entscheidungsverfahren des demokratischen Rechtsstaats. Die Frage ist: Ergänzen sie die Repräsentative Demokratie? Oder treten sie in Konkurrenz zu Parlamenten, Regierungen, Gerichten und verdrängen konstitutionell geregelte und legitimierte Verfahren? Der Begriff der Formate bezieht sich aber auch auf uns, auf die Medien und unser Repertoire an Darstellungsformen.

Wir suchen nach neuen Formaten, um Politik zu erklären, verständlich zu machen, um neue Zielgruppen zu erschließen, den Anschluss an junge Mediennutzer zu finden oder, um auch in Zukunft mit politischem Journalismus Geld zu verdienen. Eine der erfolgreichsten Format-Innovationen im deutschen Fernsehmarkt war in den letzten Jahren die heute show. Werden junge Fernsehzuschauer dadurch für Politik begeistert? Oder werden die Akteure der parlamentarischen Demokratie nur noch zu Witzfiguren degradiert wenn politische Positionen durch ironische Distanz ersetzt werden? Und warum eigentlich ist es dem deutschen Fernsehen nie gelungen, eine politische Serie wie Westwing, Borgen oder House of Cards zu entwickeln? Welche Formate des politischen Journalismus entwickeln wir in den digitalen und sozialen Medien? Ein originelles künstlerisches Format des Politischen können Sie ebenfalls unten im Foyer besichtigen: Die Klima/Anlage, ein Projekt der Hörspielredaktion von Deutschlandradio Kultur, ein Kommentar der modernen Radiokunst zu Klimakonferenz in Paris.

Diese Tagung ist eine Premiere an dieser Stelle. Sie setzt aber zugleich die Diskussionen fort, die wir vor drei Jahren bei einer ähnlichen Konferenz im Kölner Funkhaus des DLF geführt haben. Sie hatte den Titel „Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt“.
Dieser Raum ist ein zentraler Ort des Politischen in Deutschland. Wir, der DLF, sind diesem Ort besonders verbunden. In der sechsten Etage des Gebäude befindet sich unser Hauptstadtstudio in dem wir die politische Berichterstattung aus Berlin für die drei Programme des nationalen Hörfunks, den DLF, DKultur und DWissen produzieren.

Wir glauben, dass gerade politische Medien in unserer Zeit die Fähigkeit haben müssen, aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurückzutreten, das eigene Tun zu reflektieren und sich der Beobachtung durch andere Akteure des politischen Diskurses – Bürger, Politiker, Wissenschaft, andere Medien – auszusetzen. Nur wenn wir die Beobachtung der Politik mit der Fähigkeit zur kritischen Selbstbeobachtung verbinden, können wir Vertrauen in Politik und Medien erhalten oder – da wo es Risse bekommen hat und brüchig geworden ist – wieder herstellen. Das wird das Thema im ersten Teil unserer Tagung sein.