Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue während seiner Einführungsrede zur Konferenz "Formate des Politischen"
09.11.2017

Politischer Journalismus in Krisenzeiten

Medien und Politik befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel, und die Beunruhigung darüber sitzt tief. Denn ein Teil der Bürgerschaft scheint jedes Vertrauen in Politik und Medien verloren zu haben, so wie umgekehrt auch Journalisten Politikern misstrauen und diese wiederum den Medien. Wie lässt sich das Vertrauen wieder herstellen? Und was können Journalisten dafür tun?

Der politische Journalismus auf der Suche nach seiner Rolle

Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue rät Journalisten zur Selbstbescheidung. Gerade in Krisenzeiten sei die Versuchung für Journalisten besonders groß, sich gleichsam zur vierten Gewalt im Staat zu erklären und vermeintliche Lösungen anzubieten oder zu unterstützen, sagte Raue während der Konferenz „Formate des Politischen“ am 9.11. in Berlin. Eine solche Selbstermächtigung der Medien gebe die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit aber nicht her.

„Wir politischen Journalisten sind kundige Zeitgenossen, Beobachter, Analytiker. Wir geben in den besten Fällen unseren Mitbürgern die Argumente und Fakten an die Hand, die sie in der politischen Diskussion nutzen können oder auch nicht“, so der Deutschlandradio-Intendant. „Nicht mehr und nicht weniger.“

Medien sind oft das erste Opfer der Aushöhlung von Demokratie

Deutschlandradio-Chefkorrespondent Stephan Detjen

Stephan Detjen, Deutschlandradio-Chefkorrespondent und Vorstandsmitglied der Bundespressekonferenz, betonte, Journalisten wollten sich der Frage stellen, welchen Anteil Verantwortung sie am Vertrauensabriss zwischen Medien, Politik und Bürgern trügen. Gleichzeitig verwahrte er sich gegen eine pauschale Diskreditierung der Medien. Wo immer Demokratien ausgehöhlt und liberale Verfassungen eingeschränkt würden, gerieten neben der Justiz als erstes Journalisten unter Beschuss, warnte Detjen. „Wir registrieren, wenn Politiker aus ganz verschiedenen Parteien noch am Wahlabend als in der Gemeinsamkeit zusammenfinden, die Schuld für ihr schlechtes Abschneiden vor allem Journalisten zuweisen“, sagte der Deutschlandradio-Chefkorrespondent. „Und wir nehmen wahr, wenn ein Jargon von den Rändern der Gesellschaft in ihre Mitte vordringt, indem freiheitliche Medien in die Nähe ’nordkoreanischer Staatspresse‘ gerückt oder als ‚unheimliche Macht‘ dämonisiert werden.“

„Allein mit moralischen Appellen ist es nicht getan“

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, sieht in der Vertrauenskrise zwischen Medien und Politikern auf der einen und einem Teil der Bürger auf der anderen Seite auch die „sogenannten Etablierten“ in der Pflicht, in einen ernstgemeinten Dialog mit den Enttäuschten zu treten, die sich abgewandt und in die Echokammern des Internets zurückgezogen haben. „Allein mit moralischen Appellen und breitenwirksamen Volkstherapiestunden ist es nicht getan“, mahnte Krüger in seiner Eröffnungsrede zur Konferenz „Formate des Politischen“ in Berlin. Er plädiert für einen analytischen Zugang zu diesen Fragen: „Zu einem emanzipatorischen Ansatz gehört es auch, gesellschaftliche Machtverhältnisse zu thematisieren. Über was sprechen wir etwa, wenn wir über Deutschland als Einwanderungsland sprechen? Über die die Angst vor Überfremdung? Über die Erosion traditionaler Gesellschaftsformen? Über die Schwächung eines solidarischen Miteinanders?“, so der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. „Welche dieser Fragen wir im öffentlichen Raum für relevant halten, welchen wir die Tiefe geben, das stellt sich für unsere Profession.“

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

Zentrales Thema der „Formate des Politischen“

Mit dieser Vertrauenskrise zwischen Politik, Bürgern und Medien beschäftigen sich mehrere Veranstaltungen im Rahmen der Konferenz „Formate des Politischen“. Am 9.11. um 11 Uhr spricht die Sozialwissenschaftlerin Silke van Dyk (Universität Jena) über „Der globale Wandel des Politischen und die Versuchung des Autoritären“. Um 13.30 Uhr geht es im Vortrag von Konstantin Vössing (Humboldt-Universität) um die digitale Spaltung der Gesellschaft. Und um 16 Uhr referieren Jost Müller-Neuhof (Der Tagesspiegel, Berlin) und Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien über Vertrauen und Vertraulichkeit im Verhältnis von Politikern und Journalisten.