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Sicherlich keine Fake News: Zeitungen vor dem Bundestag.
, , , , , , 09.03.2017

Hate Speech und Fake-News Debatte: Der Brief von Brigitte Zypries

In den kommenden Wochen wird es noch mehrfach um die Frage gehen, ob und wenn ja, wie ‚Fake News‘ und ‚Hate Speech‘ im Netz und insbesondere von den soziale Netzwerke genannten Plattformen behandelt werden sollen.

Hierzu gibt es unterschiedliche Ideen – das Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion, das der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die noch nicht öffentlich vorgestellten Ideen des Justizministers Heiko Maas sowie erneut Forderungen von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Und manches davon wäre europarechtlich schwierig. Weshalb vergangene Woche Brigitte Zypries, Restlaufzeitswirtschaftsministerin und schon vorher als Parlamentarische Staatssekretärin für Digitalthemen zuständig, einen Brief an den zuständigen EU-Kommissar Andrus Ansip schickte. Der steht eigenmächtigen Initiativen der Mitgliedsländer grundsätzlich skeptisch gegenüber – und Brigitte Zypries bekräftigte ihn darin, forderte aber auch ein, klarere Vorgaben für die Selbstregulierung der Unternehmen zu machen.

Hier der Brief im Volltext:

Sehr geehrter Vizepräsident, (handschr.) lieber Herr Ansip,

im öffentlichen Raum wird vom – nationalen wie europäischen – Gesetzgeber ein entschlossenes Handeln gegen Hate Speech und Fake News gefordert. Dabei ist ein rasanter Wettlauf unterschiedlicher Vorschläge zu beobachten.

Mein Ansatz ist zunächst, die Diskussionen zu versachlichen und eine Differenzierung im Umgang mit Hate Speech, Fake News und Social Bots anzumahnen. Wichtig sind mir dabei vor allem zwei Aspekte: wir müssen erstens zwingend sicherstellen, dass fundamentale Grundrechte gewahrt bleiben. Dazu gehören insbesondere die Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Informationsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung. Diese Rechte sind der Garant für Freiheit und Demokratie und nicht zuletzt der „Quell“ des Internet. Dabei müssen wir zweitens aber unverhältnismäßige Belastungen für europäische Internet-Service-Provider verhindern, denn sie sind die Innovationstreiber in unserer digitalisierten Welt.

Leiter gehen nach meinem Eindruck viele Forderungen in die Richtung, die Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber derart auszuweiten, dass sie einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung gleichkommt. Dies halte ich ökonomisch, vor allem aber gesellschaftspolitisch für besorgniserregend.

Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung über Online-Plattformen die Auffassung vertreten, dass sie keine Änderungen am Haftungsregime der E-Commerce-Richtlinie vornehmen wird. Dies halte ich für richtig, denn diese fundamentalen Regelungen sind das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen aller Beteiligten, der Rechteinhaber, der Nutzer und der Internetwirtschaft. Diese Balance sollte unverändert fortbestehen.

In der Mitteilung über Online-Plattformen wurde bereits eine Studie zur Anwendung des Notice & Action-Verfahrens angekündigt. An dieser Stelle möchte ich an Sie appellieren, auch mit konkreten Maßmahmen dazu beizutragen, dass der Missbrauch der digitalen Medien zur Verunglimpfung, Verletzung der Menschenwürde und Diskriminierung rasch und wirkungsvoll eingedämmt werden kann. Ich denke hier insbesondere an die Anwendung von Artikel 14 der E-Commerce-Richtlinie. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der Rechtswidrigkeit, der Kenntnis und des unverzüglichen Entfernens oder Sperrens führen, wie wir wissen, zu großer Rechtsunsicherheit bei den Plattformbetreibern. In der Folge werden Inhalte gelöscht, obwohl diese die Schwelle der Rechtswidrigkeit nicht überschreiten und umgekehrt.

Um dies zu verhindern, bedarf es aus meiner Sicht dringend einer weiteren Konkretisierung der Verfahrenskriterien auf europäischer Ebene. In diesem Zusammenhang könnte die Europäische Kommission verdeutlichen, welche freiwilligen Maßnahmen ein Plattformbetreiber ergreifen kann, ohne seine neutrale Rolle als Vermittler aufzugeben.

Mir ist bewusst, dass dies keine triviale Aufgabe ist. Eine Präzisierung hin zu einem einheitlichen europäischen Beschwerdeverfahren könnte als horizontaler Ansatz aber die drohende Fragmentierung des Rechts und der Märkte verhindern. Diese Fragmentierung würde aus möglichen nationalen Gesetzgebungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten aber auch aus sektorspezifischer Regulierung auf EU-Ebene resultieren und dem einheitlichen Europäischen Binnenmarkt widersprechen. Mit sektorübergreifenden, EU-weit harmonisierten Notice & Action-Verfahren schaffen wir nicht nur Rechtssicherheit, sondern verhindern zugleich, dass das für die Digitalisierung so elementare Haftungsregime de-facto unkontrolliert ausgehöhlt wird. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein.

Mit freundlichen Grüßen

(handschr.) Ihre Brigitte Zypries

Ob das aber auch die Linie des Justizministers ist? Man darf gespannt sein – Minister Heiko Maas wird in den kommenden Tagen oder Wochen einen eigenen Vorschlag unterbreiten. Sollte der auch das EU-Recht betreffen, müsste er der EU vorgelegt werden. Die Legislaturperiode in Berlin aber ist nicht mehr lang…

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