10.11.2017

Tom Wheeler: „Wahrheit braucht Transparenz“

Große Hoffnungen verbanden sich mit dem Internet und den sozialen Netzwerken, dass diese den politischen Diskurs demokratischer und aufgeklärter machen würden – und dass es Diktatoren und Despoten künftig nicht mehr möglich sein würde, die Meinungsfreiheit in ihren Ländern unterdrücken, weil sich Kommunikation nicht mehr zentral steuern lassen würde.

„Das großartigste Demokratisierungswerkzeug, das je entwickelt wurde“

Ein Vierteljahrhundert später scheint von dieser Hoffnung wenig übrig zu sein. Wenn es um die Wirkung von sozialen Netzwerken geht, ist weniger von Demokratisierung die Rede als von Fake News, Filterblasen und Echokammern. „Wir halten das großartigste Demokratisierungswerkzeug in den Händen, das je entwickelt wurde, meint Tom Wheeler, unter Präsident Obama Vorsitzender der Federal Communication Commission (FCC) und einer der Pioniere der Kabelnetzwerke in den USA. „Doch diese einzigartige Technologie ist auch zu einem Werkzeug geworden, das Vertrauen und Wahrheit untergräbt“, so Wheeler am Freitag im Rahmen der Konferenz „Formate des Politischen“ in Berlin.

Facebooks problematisches Selbstverständnis

Ex-FCC-Chef Tom Wheeler und der Medienwissenschaftler Wolfgang Hagen (Foto: Deutschlandradio / Marius Schwarz)

Für den ehemaligen FCC-Vorsitzenden ist das vor allem eine Folge der technischen Entwicklung, dass Algorithmen darüber bestimmen, was jemand in den sozialen Netzwerken zu sehen bekommt und was nicht. Er kritisiert das Selbstverständnis von Facebook als Technologiekonzern und nicht als Medienunternehmen. „Genau wie die Mainstream-Medien trägt Facebook Inhalte zusammen, um Anzeigen zu verkaufen“, so Wheeler. Nur tue Facebook das mit Maschinen und mit einer Targeting-Strategie.

Eine technologische Lösung für ein technologisches Problem

Die Lösung für das Problem sieht Wheeler in Technologie: „Software-Algorithmen haben uns in diese Situation gebracht, und es sind auch Software-Algorithmen, die uns daraus wieder befreien können.“ Konkret plädiert Wheeler dafür, dass Soziale Netzwerke wie Facebook ihre Programmierschnittstellen offenlegen, also mit Open Access API arbeiten sollten. Damit wäre der eigentliche Algorithmus weiterhin geschützt, aber es ließe sich Transparenz herstellen etwa bezüglich Reichweite, viralen Trends oder Löschung von Inhalten. Und unabhängige Programmierer könnten ‚public interest‘-Algorithmen kreieren, um die Wirkung der Verbreitungsmechanismen der Sozialen Netzwerke zu verstehen.

„Mit ‚public interest‘-API könnte der Schutz demokratischer Normen erreicht werden, ohne Bürokratie oder politische Regulierung“, betont Wheeler. „Es waren offene Netzwerke, die die Social-Media-Unternehmen groß gemacht haben. Nachdem sie inzwischen zu Pseudo-Netzwerken geworden sind, ist es an der Zeit, dass sie sich öffnen.“