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22.08.2014

22.08.2014: Bildung der EU-Kommission

Die EU-Kommission ist das Exekutivorgan der Europäischen Union. Derzeit wird hinter verschlossenen Türen, aus denen aber dennoch vieles nach außen dringt, über die Zusammensetzung der kommenden Kommission unter Jean-Claude Juncker beraten. Was man über die Bildung der Kommission grundsätzlich wissen sollte fasst Bernd Hägemann zusammen:

1) Die Europäische Kommission ist die Hüterin der Verträge. Diese wohlklingende Charakterisierung hörte man oft vom scheidenden Kommissionspräsidenten Barroso und seinem Sprecherteam. Besonders dann, wenn es wieder nötig wurde, die Mitgliedsstaaten – die Herrinnen der Verträge – angesichts fragwürdiger politischer Entscheidungen oder eigennütziger Subventionen darauf hinzuweisen, dass sie diese ja selbst geschlossen hatten.

In den Verträgen ist auch die Bildung und der Auftrag der Europäischen Kommission beschrieben, im Art. 17 des Vertrages über die Europäische Union und im Art. 244 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wie der frühere „EG-Vertrag“ seit dem Vertrag von Lissabon heißt. Das Initiativrecht der Kommission in der Legislative wurde noch durch die neu geschaffene Kategorie der „delegierten Rechtsakte“ verstärkt,  die allerdings inzwischen von vielen Juristen kritisch betrachtet werden, weil sie der Kommission mehr Macht verleihen könnten, als beabsichtigt war. Eine Studie des European Institute of Public Administration schildert Ver- und Gefahren ausführlich.

2) Ein Whistleblower hat es auch im Umfeld der Europäischen Kommission nicht leicht, wie Paul Van Buitenen 1998/99 erfahren musste. Dabei whistleblowte er eigentlich gar nicht, sondern ging nur gewissenhaft seiner Aufgabe als Beamter im Controlling  der Kommission nach. Die dabei zu Tage getretenen Unregelmäßigkeiten meldete er, und als sich niemand dafür interessierte, wandte er sich an politische Kreise und gab so der gereizten Stimmung zwischen Europäischem Parlament und Kommission Nahrung. Misswirtschaft und Nepotismus waren die Vorwürfe.

Besonders der Fall der französischen Kommissarin Cresson, die schon in ihrer Zeit als Premierministerin die Öffentlichkeit mit anthropologischen und soziologischen Erkenntnissen verblüffte, die mit dem Ausdruck „politically incorrect“ sehr milde umschrieben sind, hatte es unter anderem durch die wohlbezahlte Beschäftigung ihres Zahnarztes für unerklärliche Beratungsleistungen in ihrem Kabinett übertrieben. Das Echo in der Öffentlichkeit war ebenso gewaltig wie der eigentliche Schaden gering. Das Europäische Parlament drohte der Kommission Santer mit einem Misstrauensvotum, worauf sie geschlossen (etwas anderes sahen die Verträge nicht vor) im März 1999 zurücktrat. Der belgische Wettbewerbskommissar Karel van Miert, ein Mann offener Worte, der kurz zuvor darauf hingewiesen hatte, dass die Leuna-Affäre „stinke“, ärgert sich über die Affäre in einem Interview mit der Zeit.

3) Inzwischen, nach Lissabon, kann der Kommissionspräsident bei Bedarf auch einzelne Mitglieder der Kommission entlassen, wie es im immer noch nicht befriedigend durchleuchteten Fall Dalli geschehen ist, in dem auch die Rolle des europäischen Betrugsbekämpfungsamtes OLAF umstritten bleibt. Der neue Kommissionspräsident steht fest. Nach einem Verfahren, in dem sich Menschen zwischen Malta und Kiruna in häufig mehr linguistischer als politischer Freude des Topos‘ „Spitzenkandidaten“ bemächtigten, wurde er vom Europäischen Parlament gewählt: Jean-Claude Juncker. Seinem Wunsch, mehr Frauen im Kollegium zu haben, scheinen die Mitgliedsstaaten mit ihren Vorschlägen nicht Folge zu leisten. Im Gegenteil: Während die Zahl der Kommissare (entgegen dem Vertrag von Lissabon – aber nach Vereinbarung der Mitgliedstaaten)  gleich bleibt: eine/r pro Mitgliedsland, stehen erst 5 bis 6 Frauen auf der Liste.

Eine von ihnen ist Federica Mogherini, die umstrittene Kandidatin Italiens für das Amt der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, in einer Person Vizepräsidentin der Kommission und Vorsitzende des Außenrates der Mitgliedsstaaten. Das Parlament muss die gesamte Kommission bestätigen.

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