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18.02.2015: Kapitalmarktunion

Jonathan Hill

EU-Kommissar Lord Jonathan Hill präsentierte heute den Auftakt der Konsultation zur Kapitalmarktunion für alle 28 Mitgliedsstaaten als Kiellegung eines „Flaggschiffs der EU-Kommission“. Das Grünbuch und weitere  Informationen finden Sie hier. „Ausgerechnet Jonathan Hill!“ – so klang es im vergangenen  Herbst zwischen Entsetzen und Empörung links von der Mitte im Europäischen Parlament, als die Nominierung des britischen Politikers und Wirtschaftsmanagers zum EU-Kommissar für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Union der Kapitalmärkte bekannt wurde.  Man wolle offensichtlich einen Lobbyisten des Londoner Finanzplatzes in der Kommission installieren. Er benötigte dann für seine Kandidatur auch zwei Anläufe, sprich: Anhörungen im Europäischen Parlament. Wer zugehört hat, dem war das heute von Hill Gesagte nicht neu, gehörte doch die Kapitalmarktunion dort zu seinen Prioritäten.

1. Und schon damals gaben die Pläne Simon Nixon, dem Korrespondenten des Wall Street Journal Rätsel auf, besonders das fragwürdige Vorbild USA, wo der Anteil des Fremdkapitals, den Firmen am Kapitalmarkt einsammeln, doppelt so hoch ist wie in Europa, wo es aber auch keinen Sozialstaat gibt und wo Unternehmensgrößen und Hypothekenmarkt ganz anders strukturiert sind.

2. In Europa ist traditionell die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen durch Banken wesentlich stärker ausgeprägt als der Gang zum Kapitalmarkt, nur lahmt die Kreditvergabe seit der Wirtschaftskrise in für die Betriebe gefährlichem Ausmaß. Der Verband Öffentlicher Banken bezieht in einem aktuellen ausführlichen Bericht Stellung zur Rolle der Banken und zur geplanten Kapitalmarktunion.

3. Und wenn sie kommt, die Kapitalmarktunion, benötigt sie dann nicht eine neue und verbesserte Superkontrollbehörde? Das ist vermutlich der Alptraum, der in der City of London, Europas größtem Finanzmarkt, viele nicht nur des Nachts quält. Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu vernehmen, dass aber nicht nur Lord Hill einem derartigen Apparat ablehnend gegenübersteht , sondern dass auch Frankreich und Deutschland not amused sind, wenn die Sprache auf eine neue Aufsichtsbehörde kommt. In diesem Zusammenhang wird jedoch vielleicht die Frage wieder interessant: Brauchen wir eine europäische Ratingagentur? Die Volkswirtschaftsdozenten Hanno Beck und Helmut Wienert versuchten sie im „Wirtschaftsdienst“ zu beantworten.

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Anwendungen für Tablets und Smartphones werden von Datenschützern oft kritisiert © European Union 2012 - EP
28.01.2015

28.01.2015: EU-Datenschutztag

Der heute zum neunten Mal begangene „Europäische Datenschutztag“ beruht auf einer Initiative des Europarats. Das Datum erinnert an die Unterzeichnung  der Europäischen Datenschutzkonvention, dem „Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten“  vom 28. Januar 1981. Inzwischen haben 46 europäische Länder und Uruguay diesen völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert.

1.) Es ist klar, dass die geltende, von 1995 stammende und in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich implementierte Richtlinie den Anforderungen der Zeit nicht mehr gerecht wird. Deshalb kündigte die Kommission 2012 eine neue Datenschutzverordnung an. Das Video der Pressekonferenz und weitere Informationen finden Sie hier, eine Aktualisierung von 2014 in dieser Presseerklärung. Über die Auseinandersetzungen in diesem Zeitraum und deren Protagonisten berichtet Patrick Beuth in der ZEIT.

2.) Eine umfassende Linksammlung, Fragen und Antworten, Dossiers und Veranstaltungen finden Sie im „Virtuellen Datenschutzbüro“ deutschsprachiger Datenschutzinstitutionen.

3.) Benutzerdaten sind zu einer Währung des Internets geworden. Aber neben wirtschaftlichen Interessen ist immer auch die Datensammlung zu Zwecken der Überwachung, Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung aktuell.  Parteiübergreifend parteiisch und kompetent sammelt die Webseite „digitalcourage“ Informationen und Initiativen. So schreibt Max Schrems über die Position des Europäischen Rats zur neuen Datenschutzverordnung. Auf den Rat warten Parlament und Kommission jetzt seit über einem Jahr. Zeit ist mehr als Geld im Internet.

 

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Viktor Orban und Jean-Claude Juncker (v.l.n.r.) © European Union 2015
23.01.2015

23.01.2015: Ungarn

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban trifft heute in Brüssel den Kommissionspräsidenten Juncker und den Ratsvorsitzenden Tusk. Gesprächsthemen sind der Investitionsplan (EFSI), die Energieunion, die Ukraine-Russland-Krise und die Vorbereitung des EU-Gipfels im Februar. Kritischen Fragen europäischer Journalisten muss sich der Träger des Franz-Josef-Strauß-Preises bei dieser Gelegenheit nicht stellen, ungewöhnlich für den Besuch eines Regierungschefs in der EU-Hauptstadt. Dabei sind viele seiner Maßnahmen durchaus fragwürdig, was sich auch in Vertragsverletzungsverfahren spiegelt, die die EU-Kommission gegen Ungarn einleitete.

1.) So fragte nach Orbans Wiederwahl im letzten Jahr Tim Rahmann in der Wirtschaftswoche nicht zu Unrecht, ob man sich Sorgen machen müsse und gab einen Überblick über die Entwicklungen in Ungarn.

2.) Das jüngste Vertragsverletzungsverfahren wegen des neuen ungarischen Bodengesetzes schildert exemplarisch der eher Fidesz-kritische Pester Lloyd, eine Zeitung mit großer Tradition, die seit 2009 nur noch online erscheint.

3.) Auch die Lage der Menschenrechte in Ungarn gibt Anlass zur Beunruhigung. Gestern fand daher im Innenausschuss des Europäischen Parlaments dazu eine Anhörung statt, an der u.a. der ungarische Regierungssprecher sowie Vertreter von Amnesty International und anderen Nichtregierungsorganisationen und des Europarates teilnahmen. Die Videoaufzeichnung finden Sie hier.

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Noch heute liegen überall auf dem Balkan Landminen © European Union 2014 - Source EP
22.01.2015

22.01.2015: Vor 25 begann der Zerfall Jugoslawiens

Trifft man sich hier in Brüssel mit Freunden aus verschiedenen Teilen des früheren Jugoslawiens, so empfindet man oft, wie eine gewisse „Jugo-Nostalgie“ Gespräche, Musik und Küche beherrscht. Man erinnert sich vielleicht auch an die ersten Eindrücke einer fremden Gastronomie, die wir in der Bundesrepublik dank jener Balkan-Grills sammeln konnten, die von Jugoslawen mit einem  gültigen „Unterrichtsnachweis im Gaststättenwesen“ eröffnet wurden. Vor 25 Jahren begann der Zerfall der von Serbien dominierten Socijalistička federativna republika mit einem Eklat auf dem 14. Parteitag der KP in Belgrad: Die Delegationen Sloweniens und Kroatiens zogen aus dem Saal, nachdem ihre Forderung nach einer größeren Eigenständigkeit auf Ablehnung, ja sogar Gelächter gestoßen war.

1.) Im Deutschlandfunk sprach Dirk Müller darüber heute früh mit dem Zeitzeugen Johannes Grotzky, seinerzeit Balkankorrespondent der ARD.

2.) Die neunziger Jahre wurden zu einem Jahrzehnt des Schreckens für die Menschen in (Ex)-Jugoslawien, am Ende stand ein massiver Einsatz der NATO und eine verfassungs- und völkerrechtlich umstrittene Teilnahme der Bundeswehr im Kosovokrieg. Holm Sundhausen schildert den Zerfall Jugoslawiens und dessen Folgen auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung.

3.) Sieben Staaten von sehr unterschiedlicher Struktur und Zukunftsfähigkeit bildeten sich dabei, zwei davon sind inzwischen Mitglieder der EU: Slowenien (seit 1.5.2004) und Kroatien (seit 1.7.2013), während Bosnien und Herzegowina selbst den größten Optimisten in der internationalen Diplomatie graue Haare beschert, wie ARD-Korrespondentin Karla Engelhard beschreibt. Die Europäische Union betreibt eine intensive Stabilisierungspolitik, für Bosnien und Herzegowina benannte sie mit Peter Sørensen einen Sonderbeauftragten. Drei der Länder haben den Status „Beitrittskandidaten“: Serbien, Montenegro und Mazedonien, während Kosovo und Bosnien und Herzegowina „potentielle Beitrittskandidaten“ sind.

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19.01.2015

19.01.2015: Terrorangst in Belgien

Die europäischen Außenminister tagen zum Thema „Terrorismus“, und auf den Straßen Brüssels und Antwerpens sieht man seit dem Wochenende Militär zur Bewachung von besonders gefährdeten Gebäuden: Botschaften und jüdischen Schulen etwa. Es handelt sich insgesamt nur um 150 Soldaten, meist Fallschirmjäger. Bis auf 300 kann diese Zahl erhöht werden, beschloss die Regierung nach der Antiterroraktion am Freitag in Verviers und verschiedenen Brüsseler Stadtteilen. Kein Vergleich zu den Tausenden Militärs, die in Frankreich eingesetzt werden. Der Anblick ist ungewohnt; nach dem Attentat auf das Jüdische Museum in Brüssel vergangenes Jahr wurde eine derartige Maßnahme nicht ergriffen, das politische Klima hat sich verändert. Die letzten Einsätze des Militärs im Lande richteten sich vor 30 Jahren gegen die linke Terrorgruppe Cellules Communistes Combattantes und, noch 25 Jahre früher, gegen Streikende beim Generalstreik 1960/61.

1.) Die Bevölkerung hier in Belgien äußerte sich in einer von verschiedenen Zeitungen und Fernsehsendern initiierten repräsentativen Umfrage überwiegend zustimmend zur verstärkten Präsenz von Sicherheitskräften und zu weiteren gesetzlichen Maßnahmen. Die Webseite von „Ostbelgien direkt“ fasst die Ergebnisse auf Deutsch zusammen.

2.) Wo sich viele bewacht fühlen, fühlen sich andere überwacht. So verzichten Bürgermeister der Oppositionsparteien darauf, den Schutz durch Soldaten anzufordern. Und die Vorsitzende der flämischen Liberalen, Gwendolyn Rutten, sagt, Belgien sei nicht Kabul und möchte der Terror-Angst den Sieg nicht gönnen:

„Es kann ja keine Lösung sein, dass wir Militär durch unsere Straßen patrouillieren lassen, Belgien ist doch nicht Kabul! Wir dürfen der Angst nicht nachgeben.“

 

3.) Europa hat sich gerade vor einem halben Jahr des gegenseitigen Beistands gegen Terror und andere Katastrophen versichert, der „Rat für Allgemeine Angelegenheiten“ beschloss still und leise die „Anwendung der Solidaritätsklausel“ nach Art. 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Dies bedeutet eine Aufwertung für die geheimdienstlichen Strukturen der EU, die hier auf der Seite von netzpolitik.org dargestellt werden, sowie für das ATLAS-Netzwerk der Spezialeinheiten.

 

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Beim Generalstreik in Belgien fahren weder Metros, noch Busse, Bahnen oder Züge. Foto: Thomas Otto
15.12.2014

15.12.2014: Generalstreik in Belgien

Generalstreik in Belgien! Das Europaviertel in Brüssel macht heute einen verwaisten Eindruck. Das liegt natürlich teilweise auch daran, dass viele Akteure und Beobachter zur Plenarsitzung des Europäischen Parlamentes nach Straßburg gereist sind. Und zwar besser schon gestern, denn „rien ne roule plus“ – nichts fährt mehr im Königreich. Auch „de havens gaan plat“, darunter der drittgrößte Hafen Europas in Antwerpen. Die aktuelle Lage beschreiben die Kollegen vom deutschsprachigen Belgischen Rundfunk BRF (auch Presseschau) und unsere Korrespondentin Annette Riedel im Gespräch heute Morgen bei Deutschlandradio Kultur.

1.) Die belgischen Gewerkschaften unterscheiden sich deutlich von den deutschen Arbeitnehmervertretungen, vor allem durch die Sprachgrenze und die damit verbundenen politischen Eigenheiten. Die europäische Webseite zur Arbeitnehmerbeteiligung von „worker-participation.eu“ fasst grundlegende Informationen zu den belgischen Gewerkschaften gut zusammen.

2.) Belgien gehört zu den Ländern mit dem höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad weltweit. Wird sich diese Tradition fortsetzen oder werden die Mitgliederzahlen abbröckeln wie in den meisten Staaten? In einer von der EU-Kommission geförderten Studie der Universität Löwen sind Valeria Pulignano und Nadja Doerflinger diesen Fragen nachgegangen.

3.) Der renommierte belgische Politologe Kurt Vandaele bietet auf der Seite des Europäischen Gewerkschaftsinstituts ein Art „Streikometer“, mit dem sich Daten zu Arbeitskämpfen der Jahre 2000-2014 in den EU-Ländern unter verschiedenen Gesichtspunkten visualisieren lassen.

 

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19.11.2014

19.11.2014: Kohäsionspolitik

Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten tagte heute in Brüssel zum Thema Kohäsionspolitik. „Allgemeine Angelegenheiten“, „Kohäsion“: Wer glaubte, diese Begriffe zauberten ein Leuchten auf die Gesichter des Publikums, sieht sich getäuscht. Fügt man noch hinzu, es gebe gar einen Verein „Friends of Cohesion“, so lautet die Antwort möglicherweise „Are you NUTS?“ (Nomenclature des unités territoriales statistiques). Allerdings verbergen sich hier, wie so oft in Brüssel, hinter spröden Bezeichnungen Zusammenhänge von großer ökonomischer und politischer Bedeutung.

Die Kohäsionspolitik soll den Zusammenhalt Europas sichern. Dafür wird der zweitgrößte Posten des EU-Haushaltes (ein Drittel der EU-Mittel) über drei Strukturfonds zur Verfügung gestellt, sowie ein erheblicher Teil der Arbeitsleistung der EU-Mitarbeiter.

Die 15 ärmeren Mitgliedsländer stehen in besagtem „Verein“ als „Freunde der Kohäsion“ den „Freunden der besseren Ausgabenpolitik“ gegenüber. Bei den harten Verhandlungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 trat der Gegensatz klar zu Tage. Kommissionspräsident Barroso forderte die Konfliktparteien auf, sich lieber zu „Freunden des Wachstums“ zusammenzuschließen, wobei die Sparfans einen höheren Haushaltsansatz, die Kohäsionsadepten strengere Kontrollen zu akzeptieren hatten. Die Zahlungen werden nicht als Hilfeleistung, sondern als Investition verstanden, wobei letztlich der größte Teil der Mittel in die Nettozahlerländer zurückfließt.

Eine ausführliche Darstellung der Kohäsionspolitik und eine Infografik finden Sie auf der Webseite der Europäischen Kommission.

 

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